Künstliche Intelligenz
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Technik

„ChatGPT“: Künstliche Intelligenz sorgt für Staunen

Ob ein Aufsatz über die Französische Revolution, ein Gedicht über die österreichischen Alpen oder auch eine motivierende Ansprache an die Belegschaft – einen Menschen braucht es für solche Aufgaben inzwischen nicht mehr. Ein neues Computerprogramm basierend auf künstlicher Intelligenz schreibt solche Texte in Windeseile und sorgt im Netz für Aufsehen.

Der Chatbot der amerikanischen Firma „OpenAI“ ist seit einigen Wochen öffentlich im Internet zugänglich. Das Programm, das auf künstlicher Intelligenz (KI) beruht, bewältigt verschiedenste Aufgaben rasch und mit überraschender Sprachgewandtheit.

Künstliche Intelligenz verfasst Texte

Die neue Software ChatGPT ist im Dezember 2022 online gegangen. Die künstliche Intelligenz zeichnet sich besonders durch das selbständige Verfassen von Texten aus.

Doch wie gut ist dieser Chatbot wirklich, zu was wird KI in Zukunft in der Lage sein und welche Auswirkungen haben diese Entwicklungen auf den Arbeitsmarkt und das Bildungssystem? Dazu hat der ORF Vorarlberg-Redakteur Emanuel Broger mit Regine Kadgien und Margarita Köhl von der Fachhochschule Vorarlberg gesprochen.

Regine Kadgien
FH Vorarlberg
Regine Kadgien leitet den Studiengang für Informatik an der FH Vorarlberg. Sie lehrt unter anderem in den Bereichen Computerarchitektur und Computernetzwerke.

ORF Vorarlberg: Seit einigen Wochen ist das Programm „ChatGPT“ öffentlich zugänglich. Im Netz sorgt es für viel Staunen. Was halten Sie von dem Programm?

Regine Kadgien: Es erstaunt mich ebenfalls. Man sieht einfach was KI heute alles kann. Man kann dem Programm Fragen stellen und bekommt sinnvolle Antworten. Eine erstaunliche Fähigkeit von diesem System ist auch, dass es nicht nur Texte, sondern eben auch die Emotionen darin erkennen und dann auch selbst Emotionen generieren kann. Ich kann das Programm also einen Text schreiben lassen und ihm danach sagen, dass es den Text bitte lustiger schreiben soll, dann bekomme ich einen entsprechend lustigeren Text. Genauso könnte ich auch eine Trauerkarte schreiben lassen.

ORF Vorarlberg: Ist dieses Programm ein Meilenstein? Ist es revolutionär?

Regine Kadgien: Ich würde sagen, das Programm zeigt einfach, was künstliche Intelligenz heute alles kann. Eine künstliche Intelligenz, deren Antworten nicht von der menschlichen zu unterscheiden ist, geht auf Alan Turing zurück (Anm.d.Red: Britischer Mathematiker und Informatiker) mit seinem „Turing-Test“ in den 50er Jahren. Es hat seither viel Anstrengungen gegeben. Was wir heute sehen, ist das Ergebnis von jahrzehntelanger Forschung mit Algorithmen, die auch schon sehr lange bekannt sind. Basis sind künstliche neuronale Netze, speziell natürlich Deep Learning. Trainiert wurde es mit Texten, die vom Menschen generiert worden sind. Es lernt auch durch Feedback, das Menschen auf die Ausgabe der Texte geben. Das ist auch ein Grund, wieso es jetzt öffentlich und frei verfügbar ist. Man möchte nämlich weitere Daten sammeln.

ORF Vorarlberg: Wie funktionieren solche Programme grundsätzlich?

Regine Kadgien: Die Basis bilden neuronale Netze. Man versucht das menschliche Gehirn zu imitieren, das eben auch Eingangsdaten aufnimmt, diese miteinander verknüpft und dann Ausgangsdaten liefert. Was man aber beim Trainieren dieser neuronalen Netze beachtet, ist, dass man Eingangsdaten hat, wo man die gewünschten Ausgangsdaten bereits kennt und dann quasi mit der Differenz aus den beiden das Programm weiter optimiert. Im Fall von „ChatGPT“ hat man das mit sehr vielen verschiedenen Daten gemacht, weshalb es jetzt auch so vielseitig anwendbar ist. Der große Rechenaufwand geht bei diesen neuronalen Netzen übrigens in das Trainieren hinein. Wenn es trainiert ist, geht die Ausgabe schnell.

ORF Vorarlberg: Wohin geht die Reise? Was wird da in den nächsten Jahrzehnten auf uns zukommen?

Regine Kadgien: Ich glaube schon sehr viel. In der Texterstellung steckt viel Potenzial. Ich glaube, dass KI in der Lage sein wird, ganze Bücher zu schreiben, also jedenfalls einfache Krimis oder Liebesromane. Was KI glaube ich besser können wird als wir Menschen, ist, einen bestimmten Stil eines Schriftstellers zu imitieren. Ich glaube auch, dass es uns eine Art von persönlicher Assistenz ermöglicht. Wenn man zum Beispiel eine E-Mail beantworten möchte, dann schreibt man irgendwann einfach drei Stichworte und den schönen Text bekommt man von „ChatGPT“ geliefert.

ORF Vorarlberg: Machen Ihnen diese Entwicklungen keine Angst?

Regine Kadgien: Nein, weil es auch Bestrebungen gibt, das Ganze zu regulieren. Natürlich besteht die Gefahr, dass so eine KI mit dem Falschen trainiert wird, dann kommen auch falsche Ergebnisse raus. Ich glaube, die Frage, ob die Erde flach oder eine Kugel ist, beantwortet das Programm teilweise noch immer damit, dass die Erde flach sei. Das liegt daran, dass im Internet einfach offenbar noch viele das Gefühl haben, darüber schreiben zu müssen, dass die Erde flach sei. Ich denke, wir werden – wie bei anderen Technologien auch – einfach lernen müssen, damit umzugehen.

ORF Vorarlberg: „ChatGPT“ macht – wie sie es eben angesprochen haben – auch Fehler. Was kann das Programm nicht so gut?

Regine Kadgien: Der Haupttrainings-Datensatz geht bis 2021, das heißt mit aktuellen Themen kann es nicht so gut umgehen. Außerdem hat das Programm einen Bias. Wenn man zum Beispiel von einem CEO schreibt (Anmerkung Redaktion: CEO steht für Chief Executive Officer und heißt auf Deutsch so viel wie Geschäftsführer), dann geht das Programm davon aus, dass das ein weißer Mann in seinen Fünfzigern ist, weil das in den Daten drinnen steckt. Genau das ist übrigens auch der Grund, warum es jetzt öffentlich verfügbar ist. Ähnlich wie bei Wikipedia will man jetzt auch die Öffentlichkeit verwenden, um das Programm besser zu machen. Also mit jeder Antwort und mit jedem Feedback, das man gibt, kann es wieder lernen. Und das ist auch noch dringend notwendig.

Margarita Köhl
FH Vorarlberg
Margarita Köhl ist Medienwissenschaftlerin und leitet den Studiengang InterMedia an der Fachhochschule Vorarlberg. Sie beschäftigt sich unter anderem mit der Abschätzung von Technikfolgen.

ORF Vorarlberg: Müssen wir angesichts des technologischen Fortschritts um unsere Arbeitsplätze bangen?

Margarita Köhl: Die Entwicklung, dass Maschinen oder eben neue Technologien immer mehr Aufgaben von uns Menschen übernehmen, ist nicht neu. Bereits 2013 ist zum Beispiel eine Studie der Universität Oxford erschienen, die gezeigt hat, dass etwa 50 Prozent der Berufe in den USA innerhalb der nächsten zehn bis 20 Jahren durch Maschinen ausgeführt werden können. Dabei hat es sich eher um Routine-Aufgaben gehandelt. Man konnte damals sagen, je niedriger der Bildungsgrad, desto eher ist die Tendenz da, dass der Beruf oder die Aufgabe von Maschinen ausgeführt werden könnte. Was jetzt neu ist, ist, dass auch immer mehr wissensintensive Berufe von dieser Automatisierung betroffen sind. Ich denke, dass wir uns als Gesellschaft zwei wichtige Frage stellen müssen. Erstens, welche Tätigkeiten wollen wir automatisieren und zweitens, wie können die Produktivitätsgewinne in der Gesellschaft gerecht verteilt werden.

ORF Vorarlberg: Auch das Bildungssystem bleibt von solchen technischen Neuerungen natürlich nicht unberührt. Schüler könnten Hausaufgaben einfach an Maschinen delegieren. Eine Aufgabe, wie zum Beispiel eine Zusammenfassung über das Leben von Leonardo da Vinci zu schreiben, wäre relativ schlecht, „ChatGPT“ könnte das ohne Weiteres bewältigen. Wie würde eine passendere Variante aussehen?

Margarita Köhl: Ja, das wäre eine denkbar schlechte Aufgabenstellung. Das könnte ich einerseits aus Wikipedia herauslesen oder eben mir auch durch eine KI ausgeben lassen. Besser wäre zu überlegen, was die Kompetenzen von Leonardo da Vinci waren. Wie lässt sich das transdisziplinäre Vorgehen, das sich an dieser Figur zeigt, in die Gegenwart übertragen? Welche Problemstellungen könnte man damit adressieren? Und was bedeutet das jetzt für deine eigene Lebenswelt? Solche Fragestellungen würden genau das fördern, was diese Kompetenzen der Zukunft ausmachen, nämlich das Verknüpfen von unterschiedlichen Wissensbeständen, das Kontextualisieren und eben auch das kreative Denken, dieses Herstellen von neuen Zusammenhängen. Das ist etwas, was Maschinen bis dato noch nicht so gut können wie der Mensch.