Karlheinz Kopf
Mathis Fotografie
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Politik

Karlheinz Kopf will nicht mehr antreten

Kein Parlamentarier hat mehr Parlamentstage erlebt als der Altacher Karlheinz Kopf. Seit 1994 sitzt er durchgehend für die ÖVP im Nationalrat. Bei der nächsten Wahl 2024 wird er 30 Jahre im Nationalrat sitzen. Das ist für ihn genug, wie er im ORF-Interview bekannt gibt. Außerdem spricht er über Arbeitsmarkt, CO2-Steuer und vergangene Regierungen.

Karlheinz Kopf war ÖVP-Klubobmann, Wirtschaftsbund-Generalsekretär, zweiter Nationalratspräsident und ist jetzt Generalsekretär der Wirtschaftskammer. Nach der Nationalratswahl 2024 will er aus der Politik aussteigen.

ORF Vorarlberg: Herr Kopf, Sie sitzen bald 30 Jahre im Nationalrat. Wie haben sich die vergangenen zwei-drei Jahre von den anderen unterschieden?

Kopf: Die letzten Jahre seit Anfang 2020 waren schon besondere Jahre mit besonderen Herausforderungen. Nachdem ich selbst Obmann des Finanzausschusses im Nationalrat bin, ging es bei mir vielfach um Fragen der finanziellen Hilfen für Betriebe in der Coronazeit, aber auch Kurzarbeit und jetzt um Energiefragen. Es ist schon eine Sondersituation mit einer Häufung an Beschlüssen wie kaum in einem Jahr davor.

ORF Vorarlberg: Die ÖVP hat jahrelang betont, keine neuen Schulden machen zu wollen. Jetzt scheint es, als wäre genug Geld für alles da. Eine Förderung jagt die nächste. Auf welche Sparprogramme müssen sich die kommenden Generationen einstellen?

Kopf: Sie haben recht. Die Achtsamkeit, was das Budget betrifft, war für die ÖVP immer eine wichtige Angelegenheit, inklusive der Forderung, die Steuern möglichst niedrig zu halten. In den letzten drei Jahren standen wir aber schlichtweg vor der Entscheidung, ob wir Geld in Form von Schulden in die Hand nehmen, um Existenzen zu sichern. Nachfolgende Generationen hätten das zu spüren bekommen, wenn viele Betriebe oder ganze Branchen vom Markt verschwinden. Da hängen viele Jobs dran. Klar werden wir in Zukunft mit den Schulden zu tun haben. Aber nachfolgende Generationen hätten nichts davon gehabt, wenn die Strukturen jetzt zusammenbrechen.

ORF Vorarlberg: Privaten und Betrieben wird zwar mit viel Geld geholfen. Gleichzeitig wird die CO2-Abgabe erhöht. Wie passt das zusammen?

Kopf: Wir haben die ökosoziale Steuerreform ins Regierungsprogramm geschrieben, als es weder Corona noch die Energiepreiskrise gab. Die Abgabe kommt jetzt eigentlich zur Unzeit. Inzwischen ist der Marktpreis für Gas und Strom stärker angestiegen als man es sich mit der CO2-Abgabe überhaupt getraut hätte. Hinter der Abgabe stand die Idee, die Energie schrittweise zu verteuern, um Sparanreize zu setzen. Das hätten wir mit den exorbitanten Preissteigerungen jetzt schon. Ich gebe zu, mir gefällt das nicht. Die Preise sind eh schon hoch.

ORF Vorarlberg: Die Regierung hat die kalte Progression abgeschafft, die Steuern gesenkt, viele Hilfen ausgezahlt – dennoch ist die Zustimmung so schlecht wie schon lange nicht mehr. Woran liegt das?

Kopf: Das hat mehrere Ursachen. Die eine ist: die Koalition besteht aus zwei unterschiedlichen Partnern mit unterschiedlicher Ausrichtung. Auch tiefergehende Diskussionen bleiben deshalb nicht aus. Und die finden auch in der Öffentlichkeit statt. Auf der anderen Seite sind Menschen im Augenblick mit vielen Krisen konfrontiert. Das Akzeptanzproblem gibt es ja nicht nur in Österreich. In vielen Ländern geht es Regierungen so. Die Krisen sind schwer zu verarbeiten und man kann nicht überall schnelle Lösungen anbieten. Und in Österreich kommen noch die individuellen Auseinandersetzungen dazu. Man hat den Eindruck, dass die öffentliche Vorverurteilung von politisch Andersdenkenden fast schon zur politischen Waffe geworden ist. Manche übersehen, dass sich das schnell einmal gegen einen selber richten kann. Das politische Klima trägt sicher nicht zur Vertrauensbildung bei.

ORF Vorarlberg: Sie wollen damit sicher den Untersuchungsausschuss ansprechen. Wie nehmen Sie den Ausschuss wahr?

Kopf: Der parlamentarische Untersuchungsausschuss ist ein wichtiges Instrument für die Kontrolltätigkeit des Parlaments. Aber wir müssen aufpassen, dass sich keine Kultur breitmacht, die nicht zwischen undifferenzierter Betrachtung und gerechtfertigten Vorwürfen unterscheidet. Aber ich möchte nichts schönreden. In der Vergangenheit hat es Verfehlungen gegeben, die gilt es aufzuklären. Wir tun nur gut daran, einen respektvollen Umgang aufrecht zu erhalten.

ORF Vorarlberg: Hätten Sie im Jahr 2017 gedacht, dass die Zeit von Sebastian Kurz erstens sehr kurz ist und zweitens in einem Korruptions-Untersuchungsausschuss endet?

Kopf: Nein, ich hätte beides nicht gedacht. Er war ein politisches Ausnahmetalent. Aber letzten Endes ist er über ein paar Dinge gestolpert, die diese politische Tätigkeit schnell beendet haben.

ORF Vorarlberg: Hegen Sie noch Groll, dass Sie unter Kurz nicht mehr Nationalratspräsident geworden sind?

Kopf: Nein. Natürlich wäre ich es damals gerne geworden. Aber ich muss attestieren: Wir sind damals nicht zuletzt wegen der Strahlkraft von Sebastian Kurz Erster geworden. Es war auch sein gutes Recht, einen Vorschlag für den Nationalratspräsidenten zu machen. Das muss man zur Kenntnis nehmen. Ich habe in der Zwischenzeit mit dem Generalsekretär in der Wirtschaftskammer eine schöne neue Aufgabe gefunden.

ORF Vorarlberg: Sie sitzen seit 1994 für die ÖVP im Nationalrat. Sie haben Regierungen mit der SPÖ, mit der FPÖ und jetzt mit den Grünen erlebt. Mit wem war es am einfachsten?

Kopf: (lacht) Na ja, es hat jede Zeit ihre Besonderheiten gehabt. Als ich ins Parlament gekommen bin, gab es die Koalition mit der SPÖ. Man hatte schon Erfahrung im Umgang miteinander. Das hat gut funktioniert, mit der Einschränkung, dass es 1995 eine Neuwahl gegeben hat, weil man sich nicht auf ein Budget einigen konnte. Bei meiner ersten Sitzung wurde der EU-Beitritt formal beschlossen. Das hat die Koalition lange Zeit zusammengeschweißt. Im Jahr 2000 ist es dann zur Koalition mit der FPÖ gekommen, gleichzeitig bin ich Generalsekretär des österreichischen Wirtschaftsbunds geworden. Mit der FPÖ und später dem BZÖ waren es wirtschaftspolitisch interessante Jahre, weil wir ähnlich getickt haben. 2006 kam dann wieder die Koalition mit der SPÖ und ich bin Klubobmann geworden, mit Josef Cap gegenüber. Das war eine besonders herausfordernde Zeit, aber es hat gut funktioniert.

ORF Vorarlberg: Und jetzt mit den Grünen?

Kopf: Das ist eine sehr spezielle Situation. Zum einen, was die Größenverhältnisse der beiden Parteien zueinander anbelangt. Und die Grünen sind neu ins Parlament gekommen und haben sich neu konstituiert. Und sie haben zum Teil ideologisch und gesellschaftspolitisch eine andere Ausrichtung, was es nicht ganz einfach macht. Aber es gelingt, wie man sieht. Wir haben zwei Drittel des Regierungsprogramms schon abgearbeitet.

ORF Vorarlberg: Einige Vorhaben fehlen aber noch. Das Informationsfreiheitsgesetz zum Beispiel. Und die Arbeitsmarktreform ist gescheitert. Woran ist sie gescheitert?

Kopf: Einer der Schwerpunkte war das degressive Arbeitslosengeld. Also, dass es zu Beginn höher ist und dafür sinkt, um den Anreiz zu erhöhen, eine Beschäftigung aufzunehmen. Das hätte in einer Situation gepasst, in der wir eine höhere Arbeitslosigkeit haben. Die Verhandlungen sind in eine andere Situation hineingeraten. Die Pläne passen nicht mehr ganz zur aktuellen Situation. Insofern war es vernünftiger, das aufzuschieben.

ORF Vorarlberg: Jetzt fehlen dem Arbeitsmarkt die Arbeitskräfte. Woher sollen sie kommen?

Kopf: Unter den 250.000 Arbeitslosen sind viele, deren Qualifikation nicht auf die Anforderungen passt. Mit der richtigen Qualifizierung könnten Zehntausende den Betrieben zugeführt werden. Es gibt auch bei vielen gut ausgebildeten Frauen Potenzial, da fehlt leider oft die Kinderbetreuung, um voll berufstätig sein zu können. Auch ältere Menschen zeigen Bereitschaft, über das Pensionsalter hinaus zu arbeiten. Da ist die Pensionsversicherung oft unattraktiv. Wir arbeiten gerade daran, das zu erleichtern. Und letzten Endes werden wir nicht ohne Zuwanderung auskommen. Bei der Rot-Weiß-Rot-Karte sind immer noch Hürden drin, was die Sprache und die Qualifikationen anbelangt. Österreich war immer ein Zuwanderungs- und Einwanderungsland. Ohne wird es nicht gehen.

ORF Vorarlberg: Sie erleben nicht nur in Ihrer Partei und im Nationalrat turbulente Zeiten. Sie sind auch im Vorstand des Vorarlberger Wirtschaftsbunds. Wie geht es Ihnen damit, was passiert ist?

Kopf: Natürlich nicht gut. Aber man muss die Kirche im Dorf lassen. Es handelt sich primär um steuerliche Probleme. Die resultieren aus unterschiedlichen Einschätzungen, was die Tätigkeit und den Status des Wirtschaftsbundes betrifft. Ich gehe davon aus, dass die Verantwortlichen die Steuerfrage nicht mutwillig falsch eingeschätzt haben. Der zweite große Vorwurf ist, dass innerhalb des Wirtschaftsbundes in der Führung mit Geld – ich sage es mal vorsichtig – etwas großzügig umgegangen wurde. Das ist primär eine interne Frage. Sie hat ohnedies zu zwei Rücktritten an der Spitze geführt. Und in Zukunft wird es ganz strenge Compliance-Regeln geben. Wir werden alles daransetzen, die Reputation wieder herzustellen.

ORF Vorarlberg: Sollen Innungen der Kammer noch in Parteizeitungen wie jener des Wirtschaftsbundes inserieren dürfen?

Kopf: Nein, das haben wir abgestellt. Es gibt einen einstimmigen Beschluss des erweiterten Präsidiums der Wirtschaftskammer, an den sind auch die Fachgruppen der Landeskammern gebunden.

ORF Vorarlberg: 2024 wird der Nationalrat wieder neu gewählt, falls alles nach Plan läuft. Dann sind Sie 30 Jahre in der Politik. Werden Sie noch einmal antreten?

Kopf: Ich bin sehr gerne im Parlament und gerne Parlamentarier. Wenn die Legislaturperiode endet, bin ich 67 Jahre alt. Ich werde nicht mehr für eine weitere Periode kandidieren.