Übergabe eines Kuverts
Getty Images/EyeEm/Ngampol Thongsai
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Wirtschaft

Korruption beeinflusst das Verhalten von Kindern

Korruption hat die Politik in diesem Jahr sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene stark beherrscht – unabhängig davon, ob sie tatsächlich stattgefunden hat oder nur vermutet wurde. Das beeinflusse bereits das Verhalten von Kindern, sagt der Vorarlberger Verhaltensökonom Matthias Sutter im Interview mit ORF-Redakteur Andreas Feiertag.

Je stärker Korruption von der Bevölkerung wahrgenommen werde, desto mehr schade sie dem gesamten Staat, gibt Sutter zu bedenken – und das auf allen Ebenen. Vor allem Vertrauen und Ehrlichkeit würden dabei Schaden davon tragen, sagt der Verhaltensökonom. „Wahrgenommene Korruption, ob bewiesen oder nicht bewiesen, führt dazu, dass ganz wichtige soziale Werte in einer Gesellschaft unterminiert werden“, beschreibt er.

„Das heißt konkret, man kann nachweisen, dass dort, wo Korruption stärker verbreitet oder auch wahrgenommen wird, Menschen einander weniger vertrauen – beispielsweise, dass sie egoistischer werden, schlicht und einfach. Und all das ist schlecht für das Zusammenleben bis hin zum wirtschaftlichen Erfolg einer Volkswirtschaft“, sagt er im Interview mit ORF-Redakteur Andreas Feiertag.

Matthias Sutter
ECONtribute

ORF Vorarlberg: Das Vertrauen, das verloren geht, das betrifft nicht nur Menschen, die schon länger mit Politik befasst sind, sondern auch schon ganz Junge.

Matthias Sutter: Ja, das ist eine der spannendsten neuen Erkenntnisse, die es gibt. Also wenn zum Beispiel Politiker korrupt sind und das nachgewiesen werden kann, dann ändert das bereits das Verhalten bezüglich Ehrlichkeit von ganz jungen Menschen – konkret Kindern im Alter von acht Jahren aufwärts, die es dann beispielsweise als legitim erachten, dass man in Tests in der Schule schwindelt. Das heißt, wir sehen eine Auswirkung auf die gesamte Bevölkerung. Gerade junge Menschen bilden ihre sozialen Normen aus, die stark in eine falsche Richtung beeinflusst werden können.

ORF Vorarlberg: Welche Auswirkungen auf das Gesamtsystem Staat hat denn die Wahrnehmung oder die zunehmende Wahrnehmung von Korruption?

Matthias Sutter: Das spielt in ganz viele Bereiche hinein. Ein ganz wichtiger Punkt besteht darin, dass das Vertrauen in die Regeln des Zusammenlebens unterminiert wird. Also zum Beispiel, wenn man wahrnimmt, andere können sich es richten, aber ich nicht. Dann versucht man auch, Wege zu finden, dass man es sich richten kann – mit unlauteren Methoden. Das ist die eine Seite, das ist auch ein Unterminieren des Vertrauens in den Rechtsstaat. Und darum ist die Aufklärung gerade in Österreich jetzt so unglaublich wichtig. Es gibt aber auch einen zweiten Teil, der uns alle materiell betreffen wird. Es ist ökonomisch problematisch, wenn
Vertrauen unterminiert wird. Wir wissen, dass Vertrauen Sozialkapital ist, das das Wirtschaften effizienter macht. Ein einfaches Beispiel: Wenn wir beide mit Handschlag eine Transaktion besiegeln und nicht 20 Rechtsanwälte mitrennen müssen, damit das alles sauber niedergelegt wird, dann haben wir uns viel Kosten und Zeit gespart, um einen Abschluss zu machen und dann gemeinsam etwas zu handeln. Das wird durch Verlust des Vertrauens unterminiert.

ORF Vorarlberg: Spielt es eine Rolle, ob die Korruptionsvorwürfe von den Staatsanwaltschaften entkräftet werden, weil sie falsch sind? Oder bleibt in jedem Fall etwas haften?

Matthias Sutter: Also hängen bleibt so gut wie immer etwas. Aber natürlich ist es sehr, sehr viel besser, wenn es Vorwürfe gibt, die dann entkräftet werden, dass man das zumindest nach außen kommunizieren kann: ‚Hörst du, da gab es einen Verdacht, den wir sauber geprüft haben. Es ist nichts herausgekommen‘. Das dauert oft sehr, sehr lang. Das ist eines der Probleme. Man muss gründlich prüfen, man kann keine Schnellschüsse machen. Und da bleibt praktisch das Gefühl hängen, dass irgendwas in diesem Staat nicht stimmt. Und da kann ich mich nicht mehr drauf verlassen, dass alle nach den richtigen Regeln spielen.

ORF Vorarlberg: Weniger Vertrauen in diesen Staat, in dieses Land, auch in der Außensicht. Das heißt, ausländische Firmen haben weniger Lust, sich hier anzusiedeln.

Matthias Sutter: Sogar das gibt es und da gibt es eine klare Evidenz dafür. Wenn ein Staat als korrupt wahrgenommen wird, insbesondere Entscheidungsträger, dann haben sie ein Problem mit Auslandsinvestitionen.

ORF Vorarlberg: Wird Österreich als korrupt angesehen? Sie arbeiten viel im Ausland. Wie schaut es dort aus? Wie ist das Stimmungsbild von außen?

Matthias Sutter: Also das ist jetzt eine persönliche Bemerkung. Aber wenn ich in Deutschland unterwegs bin, dann werde ich mittlerweile häufig gefragt, was los wäre in Österreich. Sie sehen dann den Untersuchungsausschuss zur Korruption und fragen mich schon, ob wir praktisch ein Parallelstaat wären. Ich sage natürlich immer ‚Nein‘ – klarerweise – und vertraue darauf, dass das juristisch sauber aufgeklärt wird. Aber wir machen zumindest da, wo ich unterwegs bin, im Moment einen schlechten Eindruck.