wohnungslose Frau
IMAGO/Michael Gstettenbauer
IMAGO/Michael Gstettenbauer
Soziales

Notschlafstelle für Frauen gefordert

Bei der Notschlafstelle in Bregenz müssen jeden Tag Menschen abgewiesen werden. Der Leiter der Notschlafstelle, Ferdinand Koller, ist überzeugt: Man könnte doppelt so viel Betten belegen. Anders sieht es bei den Frauen aus. Da stehen oft Betten leer, weil das Angebot nicht passt. Koller sagt: Es brauche eine extra Notschlafstelle für Frauen in Vorarlberg. Denn die fehlt noch.

Vorarlbergs Wohnungsmarkt treibt seltsame Blüten. Eine davon: In mehreren Städten und Gemeinden gibt es Häuser, die an viele Menschen vermietet werden – jedes Zimmer einzeln. Ein 15 Quadratmeter großes Zimmer kann mehrere Hundert Euro kosten. Das Bad und das WC muss man sich aber mit anderen Bewohnern teilen. Was für die einen unvorstellbar klingt, ist für andere die einzige Option. Für Thomas (Name von der Redaktion geändert) zum Beispiel. Der 27-Jährige wohnt seit einiger Zeit in so einem Zimmer. Davor war er obdachlos und hat – sporadisch – auch Unterschlupf in einer der beiden Notschlafstellen in Vorarlberg gefunden. Dort einen Platz zu finden, ist allerdings richtig schwer geworden. Die Notschlafstelle in Bregenz ist seit Monaten voll. Besonders hart ist die Situation für Frauen.

Alles voll

In Vorarlberg gibt es zwei Notschlafstellen. Bei der Caritas in Feldkirch stehen acht Betten zur Verfügung, bei dowas in Bregenz zwölf – drei davon sind für Frauen reserviert. Dazu kommen je ein Doppelzimmer für Männer und Frauen beim Haus Kaplan Bonetti in Dornbirn. Sie dienen zur Notübernachtung, um danach zu klären, ob ein Dauerplatz im Wohnhaus frei ist. Doch das ist auch mehr oder weniger voll.

Vermitteln klappt nicht immer

Ferdinand Koller leitet die Notschlafstelle bei dowas. Er zählt auf: „Im Oktober mussten wir 45 Menschen zurückweisen, weil wir keinen Platz haben. Im November waren es 31 und im bisher kurzen Dezember schon 20.“ 28 Tage lang darf man in einer Notschlafstelle bleiben. Danach muss Platz gemacht werden. Bei der Caritas in Feldkirch berichtet man von unterschiedlichen Tagen. Manchmal ist alles besetzt, manchmal gibt es einen Platz. Theoretisch werden obdachlose Menschen, die in Bregenz keinen Platz finden, nach Feldkirch weitergeschickt. Doch nicht alle nehmen die Reise wirklich auch auf sich. Thomas kann berichten, was es im Winter bedeutet, keinen Platz zu finden.

„Sonst schlafe ich im Zug“

Er ist selbst schon dreimal bei dowas untergekommen. Aber oft genug hat er keinen Platz gehabt, vor allem im Winter. In solchen Fällen beginnt die Suche nach einem warmen Ort. „Nicht immer findet man einen Platz bei einem Freund. Ich musste oft draußen schlafen. Teilweise bin ich in der Nacht mit dem Zug gefahren, der fährt ja am Wochenende durch. Da kann man im Zug schlafen. Oder ich suche mir eine Baustelle. Und sonst schläft man halt draußen, unter drei Decken im Schlafsack auf einer Iso-Matte. Es geht schon irgendwie“, erzählt Thomas.

Fehlendes Angebot für Frauen

Die Notschlafstelle in Bregenz ist wie eine WG aufgebaut. Die Bewohner teilen sich eine Küche, das Bad, das WC und einen gemeinsamen Aufenthaltsraum mit Fernseher und Couch. Für Frauen steht ein zusätzliches Dreibettzimmer mit eigenem Badezimmer und WC zur Verfügung. Es kann abgesperrt werden. Trotzdem ist oft ein Bett frei, schildert Ferdinand Koller. Das habe mit dem Angebot zu tun.

Frauenraum in Notschlafstelle
ORF Vorarlberg
Frauenraum in einer Notschlafstelle

Dienstleistungen für einen Schlafplatz

„Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe sind damals für Männer gemacht worden. Zwar haben auch wir ein Zimmer für Frauen, aber das entspricht nicht den Bedürfnissen der Frauen.“ Viele obdachlose Frauen haben Erfahrungen mit Gewalt gemacht und verzichten darum darauf, mit den Männern zusammen zu leben. „Frauen in der Wohnungslosigkeit sind im öffentlichen Raum viel stärker gefährdet und haben viel negative Erfahrung mit Männern gemacht. Sie verhalten sich deshalb anders.“ Sie begeben sich in die sogenannte versteckte Obdachlosigkeit. „Das bedeutet, dass sie zwar nicht mehr in der Öffentlichkeit zu sehen sind, aber auch ständig eine Schlafmöglichkeit suchen“, erläutert Koller. „Sie gehen Zweckbeziehungen ein, übernachten bei Bekannten oder bekommen gegen verschiedene Dienstleistungen Schlafplätze.“ Er ist deshalb überzeugt: „Es braucht eigene Übernachtungsangebote für Frauen. Das muss keine Notschlafstelle sein, sondern kann auch ruhig besser sein.“

Bedarf doppelt so hoch

Die Notschlafstelle für Männer ist hingegen gerade jetzt im Winter stark nachgefragt. „Wir haben letzten Abend wieder vier Menschen wegschicken müssen“, erzählt Koller. Die Politik ist sich dessen bewusst. „Im Raum Bregenz gibt es einen erhöhten Bedarf. Aber die Situation ist nicht überall gleich intensiv“, sagt Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne). Auch sie verweist darauf, dass bei voller Auslastung in Bregenz die Menschen nach Feldkirch vermittelt werden können. Wo sie eben aber oft nicht ankommen. Ferdinand Koller ist überzeugt: Der Bedarf an Notschlafstellen im Land ist wesentlich höher. „Das liegt auch am Angebot. Wenn der Aufenthalt nicht auf 28 Tage begrenzt wäre, kämen sicher mehr Menschen. Ich denke, dass man sicher doppelt so viel Betten belegen könnte.“

Auch Tagesplätze heiß begehrt

Mittlerweile ist in Bregenz auch der Treffpunkt am Tag geöffnet – und sehr gut besucht, erzählt Koller. „Wir haben deutlich höhere Besucherzahlen als in den letzten zwei Wintern. Wir bekommen auch die Rückmeldung, dass die Leute sehr froh sind, dass wir das anbieten. Die Menschen suchen und finden Zuflucht vor der Kälte. Auch Thomas ist hier. Er hat zwar mittlerweile wo anders sein Zimmer. „Aber ich bin fast jeden Tag hier. Man trifft sich, kann sich aufwärmen. Zum Glück ist der Treffpunkt den ganzen Tag offen.“ Meistens findet man auch einen Platz.