Die umstrittenen Gründe in Ludesch
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Politik

VfGH hebt Flächenwidmung in Ludesch auf

Der österreichische Verfassungsgerichtshof (VfGH) hat entschieden, die Widmung für den Dosenhersteller Ball aufzuheben. Dessen Gebäude steht auf einer „Freifläche Sondergebiet Betriebserweiterung“ in der Landesgrünzone. Diese Widmung aus dem Jahr 2003 ist laut VfGH ungültig, was sich nun auf die Landesgrünzone im ganzen Land auswirken könnte.

Eine aktuelle Entscheidung des VfGH könnte die Raumplanung des Landes ins Wanken bringen. In Ludesch wurde 2003 eine Fläche aus der Landesgrünzone umgewidmet, auf der dann ein Betriebsgebäude des Dosenherstellers Ball gebaut wurde. Das war nach dem nun getroffenen Erkenntnis des Höchstgerichtes nicht zulässig.

VfGH: Widmung war nicht zulässig

Das Gebäude steht in einer Fläche mit der Widmung „Freifläche Sondergebiet Betriebserweiterung.“ Das Höchstgericht stellte nun aber fest, das dies ungültig ist: „Vielmehr würde eine Widmung als Baufläche Betriebsgebiet der Widmung der Flächen in der Gemeinde Ludesch entsprechen. Eine solche Widmung ist in der Landesgrünzone Walgau aber nicht zulässig.“ Also widerspreche die Widmung der Grünzonenverordnung.

Rechtswidrige Widmung

Die Landesgrünzone sorgt immer wieder für Diskussionen. Installiert wurde sie in den 1970er-Jahren. Das Land wollte diese große Wald- und Ackerfläche als Naherholungsgebiet und unbebaute Freifläche erhalten. Trotzdem wurden im Laufe der Jahre viele Sonderwidmungen für Gebäude erteilt. Nun hat der Verfassungsgerichtshof bestätigt: die Widmung für das Gebäude des Dosenproduzenten „Ball“ ist rechtswidrig.

Mehrere solche Sonderwidmungen im Land

Insgesamt gibt es 3.098 Sonderwidmungen im Land. Diese Widmungen sind nötig, wenn etwas auf einem Grundstück gebaut wird, das als Freifläche gewidmet ist. Das sind zum Beispiel Reitställe, Sportplätze, Kraftwerke und Trafostationen. Manche dieser Widmungen stehen in der Grünzone und einige davon betreffen Industriebauten. Ball in Ludesch ist nämlich nicht der einzige Industriebetrieb, der auf einer solchen Fläche steht.

Auch auf Teile der Firmen Blum in Gaißau (Sondergebiet Betriebserweiterung und Sondergebiet Betriebsparkplatz), Beiser in Götzis (Sondergebiet Betriebserweiterung/Galvanobetrieb) und Vögel in Bludesch (Sonderwidmung Hochregallager und Büros) trifft das zum Beispiel zu. Der neue Kindergarten in Hohenems gegenüber der Landwirtschaftsschule (Sonderwidmung Kindergarten) und ein Architekturbüro in Feldkirch (Sonderwidmung Architekturatelier) sind ebenfalls so gebaut worden.

Der Schriftzug Verfassungsgerichtshof über dem Eingang des Gerichtsgebäudes
ORF.at/Roland Winkler

Urteil könnte sich auf weitere Standorte auswirken

Der damalige Landesvolksanwalt Florian Bachmayr-Heyda hat die Widmung einst vor den Verfassungsgerichtshof gebracht. Er ist überzeugt: „Von dieser Entscheidung sind alle Sonderwidmungen betroffen. Der VfGH hat sich jetzt einmal Ludesch angesehen. Aber in ähnlich gelagerten Fällen, auf denen Industriebauten in der Grünzone stehen, müsste das Land jetzt reagieren. Dort hat man die Landesgrünzone ausgehöhlt.“ Bachmayr-Heyda spricht etwas an, das mehrere Kritiker immer wieder bemängeln. Mit den Sonderwidmungen müssen die Grundstücke nicht aus der Grünzone entnommen werden – die Größe der Grünzone bleibt also offiziell unberührt, obwohl darauf gebaut wird.

Verfassungsjurist Peter Bußjäger von der Universität Innsbruck ist auch überzeugt: „Möglicherweise gibt es noch weitere Situationen, in denen jetzt Rechtsklarheit geschaffen werden muss. Aber letztlich ändert sich in der Natur nicht viel, weil die Standorte bereits bebaut sind.“ Das Erkenntnis des VfGH führt zwar dazu, dass das Gebäude in Ludesch auf einer ungewidmeten Fläche steht, auf einem sogenannten weißen Fleck. Aber es bleibt stehen. Das Land dürfte jetzt das Grundstück aus der Grünzone entnehmen müssen. Und Ludesch kann es dann als Baufläche widmen, wie es der VfGH fordert.

Landesregierung prüft jetzt andere Flächen

Die Landesregierung prüft jetzt, wie sich das VfGH-Erkenntnis auf andere Grünflächen mit Industriebetrieb auswirkt. Ein Sprecher von Wirtschaftslandesrat Marco Tittler erklärt, dass sich die Juristen in mehreren Abteilungen gerade damit befassen. Es geht zum Beispiel um die Frage, welche Sonderwidmungen überhaupt davon betroffen sind. Dann wird entschieden, wie weiter vorgegangen wird.

Neue Verordnung gefordert

Martin Strele vom Verein Bodenfreiheit fordert eine neue Grünzonenverordnung: „Jetzt ist der Zeitpunkt zu sagen: Da muss man aufräumen! Wir müssen schauen, dass die Landesgrünzone wirklich grün bleibt.“ Was man schützen will, müsse man als Grünzone quasi einzäunen, pflegen und weiterentwickeln. „Aber diese Konstruktionen, da was ‚reinzuschwindeln‘ – ich verwende diesen Begriff bewusst unter Anführungszeichen – das muss ein Ende haben.“

Florian Bachmayr-Heyda spricht von der weitreichendsten Entscheidung aller Fälle, die er vor den VfGH gebracht hat. „Die Entscheidung zwingt die Landesregierung dazu, das Erkenntnis für die gesamte Landesgrünzone umzuwidmen.“

Landesvolksanwalt war vor VfGH gezogen

Ins Rollen gekommen war die Kontroverse um die Sonderwidmungen im Zuge einer 2019 geplanten Betriebserweiterung des Fruchtsaftherstellers Rauch in Ludesch. Der damalige Landesvolksanwalt war im Zuge dieser Causa gegen die Sonderwidmungen vor das Verfassungsgericht gezogen und hat jetzt recht bekommen.