Šolarka
ORF.at/Zita Klimek
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Arbeitsmarkt und Schule

Appell für Geduld mit Geflüchteten

Knapp die Hälfte der rund 2.000 ukrainischen Geflüchteten in Vorarlberg hat eine Beschäftigungsbewilligung bekommen oder ist dafür vorgemerkt. Manche von ihnen sind traumatisiert. Bei der Integration in den Arbeitsmarkt müsse man viel Verständnis aufbringen, sagt Traumatherapeut Lutz-Ulrich Besser, das gelte auch für geflüchtete Schulkinder.

Es sei wichtig, geflüchtete Kinder nicht nur an ihren Schulleistungen zu messen, so der deutsche Traumatherapeut Besser, der derzeit bei einer Fachtagung in Dornbirn ist. Stattdessen müsse man ihnen Verständnis entgegenbringen. Abgesehen vom Kulturschock und einer neuen Sprache hätten die Kinder alles Vertraute verloren.

„Da braucht es viel Geduld von Lehrkräften, diese Kinder an die Hand zu nehmen und sie mit dem Neuen vertraut zu machen“, betont Besser. Man müsse verstehen, warum sich die Kinder nicht gleich vertrauensvoll an jemanden wenden können. „Sie müssen die Erfahrung machen, dass sie hier gern gesehen sind, dass sie sich ernst genommen und verstanden fühlen“, sagt Lutz Besser. Dementsprechend müsse auch die Förderung in kleinen Schritten möglich sein.

Geduld bei Integration in den Arbeitsmarkt

Das gelte auch für Erwachsene, die in einem Krieg oder auf der Flucht Schreckliches erlebt haben und etwa in Österreich in den Arbeitsmarkt integriert werden. Denn auch traumatisierte Menschen wollen nicht nur versorgt werden, sondern auch etwas leisten. Bei traumatisierten Menschen könnten allerdings bereits die kleinsten Dinge trotz guter Absichten posttraumatische Belastungsstörungen hervorrufen, betont Besser.

Besser: Keine Vorwürfe machen

Als Beispiel nennt er hierfür den Beruf eines Verkäufers oder einer Verkäuferin. Kunden, die uniformähnliche Kleidung tragen, könnten beispielsweise Panikattacken hervorrufen. Dafür müsse man am Arbeitsplatz Verständnis zeigen. Man dürfe keine Vorwürfe erheben oder Entlassungen androhen.

Sollte eine Verkäuferin beispielsweise aus Panik „Vorsicht“ schreien, sei es wichtig, verständnisvoll zu sein. „Wenn sie jetzt Ärger dafür bekommt, dass sie Panik bekommen hat und das nicht verstanden wird, dann können solche Auffälligkeiten dazu führen, dass die Integration in den Arbeitsmarkt nicht gelingt“, erklärt Besser. Das habe damit zu tun, dass solche Reaktionen nicht immer nachvollziehbar seien, betont er.

Trauma auch durch Corona-Isolation

Traumaspezialist Besser betont aber auch, dass auch Menschen von solchen Folgen betroffen sein können, die erfahren haben, was Isolation durch das Coronavirus bedeutet. Die Folgen seien im Prinzip dieselben. Auch wenn die Menschen dem Krieg entkommen seien und es derzeit keine Lockdowns gebe, für die Gehirne der Menschen seien diese Krisen noch nicht vorbei. „Die Zeit heilt nicht alle Wunden“, sagt Besser. Betroffene bräuchten einen verständnis-orientierten Umgang, also Menschen, die nicht fragen: Was ist mit Dir los?, sondern die fragen: Was hast Du erlebt? Das normale alltägliche Funktionieren sei oft noch eingeschränkt.