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Politik

Kritik an Rauchs Widmungs-Sager

Wenn ein Grundstück zum Beispiel von Freifläche in Bauland umgewidmet wird, ist die Gemeinde dafür zuständig. Die Gemeindevertretung entscheidet in solchen Fällen über die Umwidmung. Geht es nach Sozialminister Johannes Rauch (Die Grünen) soll sich das ändern. Das sorgt für reichlich Kritik.

Das Thema ist nicht neu: Wer darf bestimmen, was auf einer Wiese gebaut werden darf? Also: Wer ist für Widmungen zuständig? Immer wieder poppt die Forderung nach einer Zentralisierung auf. Vor einigen Monaten sind die NEOS damit an die Öffentlichkeit, jetzt ist es Sozialminister Johannes Rauch von den Grünen. Er sagt in einem Interview mit dem „Standard“: „Ich halte es für einen Irrtum der Geschichte, dass die Gemeinden über die Flächenwidmungen entscheiden – diese Kompetenz müssen wir allmählich überdenken.“

Derzeit ist es nämlich so, dass in den Gemeindestuben über Umwidmungen entschieden wird. Zwar hat das letzte Wort die Landesregierung – sie muss nämlich zustimmen. In der Regel geschieht das aber auch. Sozialminister Rauch sieht das kritisch. „Die Bürgermeister sind zu nahe dran an den lokalen Interessenlagen, um sich gegen kommerzielle Ansprüche wehren zu können“, ist er überzeugt. Geht es nach Rauch, sollten die Entscheidungen also mindestens eine Verwaltungsebene weiter oben getroffen werden.

Kritik von Experten und vom Gemeindeverband

Vorarlbergs Gemeinden haben damit natürlich keine Freude. Gemeindeverbandspräsidentin Andrea Kaufmann widerspricht dem Minister: „Ich halte diese Aussage für mehr als entbehrlich, weil Flächenwidmungen in den Gemeinden am besten aufgehoben sind.“ Gemeinden würden ja nicht nur über Wohnbau-Widmungen entscheiden, sondern zum Beispiel auch über Betriebsansiedlungen. „Flächenwidmungen sind ganz vielfältig. In der Gemeinde ist man da einfach näher dran“, betont Kaufmann.

Auch Gerald Mathis vom Institut für Standort-, Regional- und Kommunalentwicklung (ISK) ist skeptisch. Die Forderung widerspreche dem Föderalismus. „Und sie ist vor allem wenig praktikabel“, betont Mathis. „Man darf nicht vergessen, dass in Österreich unterschiedliche Rahmenbedingungen herrschen“, sagt er Experte und zählt auf: „Im Burgenland bekommt man einen Hof um 2,5 Euro pro Quadratmeter. In der Steiermark gibt es Regionen mit starker Abwanderung. Und in Vorarlberg kosten Grundstücke mittlerweile weit über 1000 Euro pro Quadratmeter.“ Der Experte ist überzeugt: Diese unterschiedlichen Rahmenbedingungen benötigen unterschiedliche Ansätze.

Verfassungsjurist Peter Bußjäger von der Universität Innsbruck hält Rauchs Vorschlag auch rechtlich für schwierig. „Denn ohne Verfassungsänderung kann man dem Bürgermeister die Raumordnungskompetenz nicht entziehen.“ Das sei im Übrigen sowieso falsch. Denn die Kompetenz liege nicht bei den Bürgermeistern, sondern bei den Gemeindevertretern. „Ich halte es für eine sträfliche Abwertung der Gemeindevertretung, wenn man sagt, der Bürgermeister widmet die Flächen“, kritisiert der Jurist.

Peter Bußjäger ist auch Direktor des Instituts für Föderalismus – er hat mit dem Vorschlag also auch inhaltlich wenig Freude. Er sehe zwar das Problem, dass Gemeindefunktionäre für Anliegen der Wirtschaft sehr offen sind. „Aber das ist auf Landesebene nicht anders. Und wenn wir uns die ganzen Chats ansehen, dann sieht man, dass diese Interessen auch auf Bundesebene dominieren.“

Mathis: „Das Hauptproblem liegt woanders“

Die Länder hätten aber sehr wohl Möglichkeiten, bei Widmungen die Schrauben enger zu drehen, fährt Bußjäger fort. „Man kann zum Beispiel die Genehmigungsvoraussetzungen bei Flächenwidmungen verschärfen.“ Im Rheintal sei dies mit der übergeordneten Raumplanung auch schon der Fall. Aber die Zuständigkeit liege am Ende bei den Gemeinden.

In dieser Kooperation sieht auch Raumplanungsexperte Mathis den Schlüssel. „Bei der Raumplanung müssen Land und Gemeinden eng zusammenarbeiten.“ Sein Institut hat für Gemeinden eine Liste mit Regeln für Widmungen erstellt, an denen sich die Kommunen orientieren können. „Damit klar ist, dass nur noch dann umgewidmet wird, wenn Wohneigentum geschaffen wird. Und damit es keine Widmungen mehr für Veranlagungsbau gibt.“

Das eigentliche Problem auf dem Markt sieht Mathis aber sowieso nicht bei den Widmungen. In Vorarlberg ist rund ein Drittel der gewidmeten Wohnbaufläche nicht bebaut. Mathis betont: „Das ist das Hauptproblem. Aber hier haben die Gemeinden wenig Steuerungsmöglichkeiten. Wenn diese Flächen auf den Markt kommen, sind es Projektentwickler, Baufirmen und Immobilienträger, die den Preis diktieren.“ Mathis fordert deshalb eine Änderung im Grundverkehrsgesetz, wie bei landwirtschaftlichen Grundstücken. „Damit bei Grundstücksverkäufen klar ist, dass kein Veranlagungswohnbau entstehen darf.“ Auch für das Grundverkehrsgesetz ist die Landesregierung zuständig.