Steve Mayr Bürgermeister Fraxern
ORF/Prock
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Politik

Großprojekte in Fraxern derzeit nicht möglich

Steve Mayr ist Bürgermeister von Fraxern und Landtagsabgeordneter für die ÖVP. Im Interview mit dem ORF Vorarlberg spricht der 39-Jährige über die Arbeit in einer Kleingemeinde. Und er erzählt, wie schwierig es momentan ist, ein großes Bauprojekt zu starten. Zur Causa Wirtschaftsbund hat der ÖVP-Politiker ebenfalls eine klare Meinung.

ORF Vorarlberg: Über zwei Jahre CoV-Krise und jetzt kommt auch noch die Teuerung dazu. Wie geht es Fraxern denn?

Mayr: Den Umständen entsprechend geht es uns sehr gut in Fraxern. Wir haben einen Bevölkerungszuwachs, es werden weiter Gebäude gebaut und die Stimmung hat sich wieder wesentlich entspannt. Das Vereinsleben und die Beziehungen im Dorf sind intakt.

ORF Vorarlberg: Haben Sie denn überhaupt Platz, um zu wachsen?

Mayr: Den Platz im Kindergarten haben wir im Moment leider nicht. Das Ganze ist unangenehm. Wir mussten Dreijährigen, die im Halbjahr einsteigen wollten, leider absagen, weil wir Platznot haben. Es sind momentan wieder starke Jahrgänge in Fraxern. Aber wir hätten sogar das Personal gehabt, nur beim Platz sind wir leider eingeschränkt.

ORF Vorarlberg: Wieviel Kinder mussten Sie ablehnen?

Mayr: Sechs Kinder hätten das nötige Alter erreicht und darum im Februar einsteigen können.

Steve Mayr Bürgermeister Fraxern
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ORF Vorarlberg: Mit dem Kinderbildungs- und Betreuungsgesetz bekommen Gemeinden ja eigentlich einen Versorgungsauftrag. Sie haben das Gesetz als ÖVP-Abgeordneter mitbeschlossen. Diesen Auftrag können Sie momentan aber wohl nicht erfüllen.

Mayr: Doch, den Auftrag im Gesetz können wir schon erfüllen. Das Gesetz lässt neue flexible Kooperationen mit Nachbargemeinden zu, also mit Klaus, Röthis oder Weiler. Aber natürlich möchten wir in Zukunft den Kindergarten erweitern. Wir haben auch schon Angebote eingeholt und die Förderungen von Land und Bund sind sensationell. Nur leider Gottes ist es schwierig, Handwerker zu bekommen. Und bei den Baukosten ist es auch schwierig, ein verbindliches Angebot zu bekommen. Das ist aber auch ein Problem für uns.

ORF Vorarlberg: In einem Interview zu Beginn der Pandemie haben Sie befürchtet, dass Sie für längere Zeit nichts bauen können, weil das Geld ausgeht. Jetzt sind Sie finanziell besser durch die CoV-Krise gekommen, aber Sie können trotzdem nichts bauen, weil die Handwerker fehlen?

Mayr: Genau. Die Bundesregierung hat mit dem Vorschuss für die Ertragsanteile sehr gut reagiert. Man hatte damit gerechnet, dass die Wirtschaft einbricht. Das ist nicht passiert, aber die Ertragsteile mussten wir nicht zurückzahlen. Aus finanzieller Sicht war es für unsere Gemeinde keine sehr schwierige Zeit. Wir hatten schon schlimmere.

ORF Vorarlberg: Es dürfte aber schwieriger werden, die Teuerung wirkt sich ja auch auf Projekte der Gemeinde aus. Wie spüren Sie die Teuerung?

Mayr: Es ist für eine Gemeinde eigentlich gar nicht mehr möglich, ein Großprojekt zu starten. Die Vorlaufzeit für ein Projekt inklusive Ausschreibungen in der Politik beträgt zwei bis drei Jahre. Aber es kann ja niemand sagen, wie sich die Preise in dieser Zeit entwickeln. Da kann man sich eigentlich nur in den Blindflug begeben und hoffen.

ORF Vorarlberg: Hat Fraxern genügend Grundstücke, um noch weiter zu wachsen?

Mayr: Davon gibt es noch sehr viel bei uns. Wir sind sehr locker besiedelt. Man kann eigentlich zwischen die Häuser theoretisch noch einmal zwei Häuser stellen, wir können also nach innen stark verdichten. Wir merken auch stark den Trend, dass Eltern ihre Häuser aufstocken oder dazu bauen. Die Nachverdichtung am Haus der Eltern oder Großeltern hat begonnen. Denn wir haben zwar die Grundstücke, aber sie sind nicht auf dem Markt.

ORF Vorarlberg: Die Grundstücke sind also nicht zu haben?

Mayr: Sie bleiben in der Familie. Was man bekommt, wird nicht verscherbelt, wenn es nicht unbedingt nötig ist. Man möchte es für Kinder oder Enkelkinder behalten.

ORF Vorarlberg: Sie sind ja nicht nur Bürgermeister, sondern auch Landtagsabgeordneter für die ÖVP. Was ist denn Ihr erster Job?

Mayr: Ich bin immer Bürgermeister und ich bin immer Landtagsabgeordneter. Politik ist ein Rendezvous mit der Realität. Das merkt man bei sehr vielen Gesetzen, also dass man am Ende des Tages Kompromisse schließen muss, die für alle Beteiligten tragbar sind. Da kann ich nicht immer nur den Hut der Gemeinde oder nur den Hut des Landtagsabgeordneten aufhaben. Es müssen ja beide mit dem Gesetz leben, die Gemeinde und das Land.

ORF Vorarlberg: Und das funktioniert?

Mayr: Ja, das muss funktionieren, das ist Politik. Ein Beispiel sind Naturschutzgesetze. Da hört man die Anliegen der Naturschützer, die der Landwirtschaft, die der Industrie und am Ende hat man Kompromisse. Und das ist das Schöne. Das zeichnet Demokratie aus. Alle Meinungen und alle Interessen werden gehört. Das lässt aber natürlich keine großen Sprünge zu.

ORF Vorarlberg: Ist es ein Vorteil, dass Sie wissen, wie es in der Gemeinde abläuft, wenn Sie im Landtag sitzen?

Mayr: Sicher. Aber schauen Sie sich das Kinderbetreuungsgesetz an. Es wurden nicht alle Positionen der Gemeinden umgesetzt, aber auch nicht alle von denen, die noch mehr Kinderbetreuungsplätze und noch mehr Flexibilität gefordert haben. Es ist ein gutes und realistisches Gesetz, aber beide Seiten sind unzufrieden, denn alle Seiten hätten sich mehr erhofft. Das macht es halt schwer.

ORF Vorarlberg: Fraxern ist eine klassische Kleingemeinde mit etwas mehr als 700 Einwohnern. Wie kann man sich eine Gemeindevertretungssitzung vorstellen? Sie kennen sich ja auch privat.

Mayr: Wir sind diszipliniert und haben einen offenen Austausch. Die Stimmung war lange nicht so gut. Die Gemeindevertretung ist sehr gut durchmischt, die Bevölkerung ist gut repräsentiert. Wir diskutieren in der Sache und danach gibt es ein Getränkt. Niemand geht vergrämt nach Hause.

ORF Vorarlberg: Wie schwierig ist dieser Spagat zwischen harter Diskussion und Kollegialität?

Mayr: Das funktioniert bei uns wirklich gut, weil man gegenseitigen Respekt hat. Man versteht auch die Position des anderen. Also zum Beispiel sowohl das Interesse eines Landwirts als auch das Interesse eines Mountainbikers. Wir sind auch Nachbarn. Das macht es im kleinen Dorf aber manchmal schwierig.

ORF Vorarlberg: Sie sind auch Bauamt und müssen manchmal Bauanträge ablehnen. Am nächsten Tag begegnen Sie der Person im Dorf, Sie kennen sich. Wie schwierig ist das?

Mayr: Es macht die Situation natürlich schwieriger, wenn man auf Geburtstagsfeiern, bei Freunden, Jahrgängern oder Verwandten jemanden trifft, dem eine Umwidmung oder ein Bauantrag abgelehnt wurde. Das ist dann zwar aus der Datenlage gut begründet. Aber wenn er beim nächsten Geburtstag auftaucht, ist es gut, wenn andere Bürger dabei sind, die diese Entscheidungen mittragen. Wichtig ist, dass man die Entscheidung und das Private trennen kann, sonst ist die Stimmung nicht gut.

ORF Vorarlberg: Haben Sie schon Freunde oder zumindest Kollegen verloren, weil Sie etwas entschieden haben?

Mayr: Verloren nicht. Aber es gab schon angespannte Situationen, in denen es ein bis zwei Jahre gedauert hat, bis wir unsere Beziehung wieder auf dem früheren Niveau war.

ORF Vorarlberg: Würden Sie sich wieder für das Bürgermeisteramt entscheiden, wenn man Sie noch einmal fragt?

Mayr: Vor drei Jahren hätte ich auf diese Frage mit Nein geantwortet. Aber jetzt kommt ein Ja. Die Stimmung im Dorf und im Team seit der letzten Wahl ist sehr gut. Das Gemeindeamt ist gut aufgestellt, der Bauhof und der Kindergarten auch. Ich kann optimistisch in die Zukunft blicken.

ORF Vorarlberg: Sie blicken als Bürgermeister optimistisch in die Zukunft. Tun Sie das auch als ÖVP-Mitglied? Die Wirtschaftsbundaffäre hat Ihre Partei kräftig getroffen, jetzt ist auch noch Parteichef und Landeshauptmann Markus Wallner im Krankenstand.

Mayr: Da geht es einem natürlich nicht gut. Beim Landeshauptmann fühle ich schon mit. Ein Mann, der sein Leben in den Dienst am Land gestellt hat, muss so einstecken, bis es gesundheitlich einfach nicht mehr geht. Ich wünsche ihm das Beste und hoffe, dass er bald wieder genesen ist. Diesen Landeshauptmann wünschen wir uns zurück.

ORF Vorarlberg: Hat es Sie geärgert, was im Wirtschaftsbund abgelaufen ist? Oder ist es aus Ihrer Sicht halb so wild?

Mayr: Es ist sicher nicht halb so wild. Aber man kannte den Wirtschaftsbund. Das war sozusagen eine eigene Tochtergesellschaft. Man wusste, dass der Wirtschaftsbund sehr selbstbewusst agiert. Man kannte die Inseratengeschichte. Aber was da im Detail mit den Bereicherungen und so weiter passiert ist, da erschrickt jeder. Das ist nicht korrekt, es gehört eingestellt und falls nötig verurteilt. Aber die Untersuchungen laufen und werden zu einem korrekten Ende kommen.

ORF Vorarlberg: Wie lange möchten Sie noch Bürgermeister bleiben?

Mayr: Das entscheidet die Bevölkerung. Ich möchte diese Periode fertig machen. Und wenn alles so bleibt, möchte ich wieder kandidieren. Außer die Gesundheit spielt nicht mit oder das Team fällt auseinander.

ORF Vorarlberg: Sie sind erst 39 Jahre alt. Georg Bantel in Möggers war 42 Jahre im Amt. Wäre er so ein Vorbild?

Mayr: (lacht) Wenn man seinen Humor und seine Art ansieht, dann jedenfalls. Wenn man sich die Zeitspanne ansieht, kann ich mir nicht vorstellen, dass das heute noch jemand durchsteht.