Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig, ÖVP
Jakob Glaser
Jakob Glaser
Politik

Totschnig: Keine Düngemittelknappheit in Sicht

Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) glaubt nicht, dass sich die Erdgas-Knappheit auf die Produktion von Stickstoff-Dünger in Österreich auswirkt. Derzeit sei keine Verknappung in Sicht. Außerdem sei Landwirtschaft von der Energielenkung ausgenommen, sagt er im Interview mit Radio Vorarlberg.

Jedes Jahr treffen sich die Präsidenten der Landwirtschaftskammern, um über aktuelle Herausforderungen zu sprechen. Am Freitag waren die Präsidenten in Mellau im Bregenzerwald zu Gast. Auch Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig ist angereist.

Landwirtschaftsminister im Bregenzerwald

Der Klimawandel setzt gerade den heimischen Wäldern massiv zu. Dagegen soll ein mit 350 Millionen Euro ausgestatteter Waldfonds helfen. Ob die Millionen wirken, das hat sich der neue Landwirtschaftsminister Norbert Totschnig (ÖVP) im Bregenzerwald angesehen.

Denn zu besprechen gibt es genug: Klimawandel, Teuerung und der Ukraine-Krieg machen den Bauern zu schaffen. Zudem könne Düngemittel knapp werden. Der Forstwirtschaft geht es nicht anders: Auch Wälder kämpfen mit der Hitze. Im Interview mit Radio Vorarlberg sagt Totschnig, wie versucht wird, Wälder klimafit zu machen. Außerdem spricht er über Düngemittel, Erdgas und Biogas.

ORF Vorarlberg: Die Klimaerwärmung birgt für Wälder große Gefahren. Die Zusammensetzung der Bäume ändert sich, der Borkenkäfer ist eine ständige Bedrohung. Die aktuelle Trockenheit lässt die Waldbrandgefahr steigen. Wie geht es denn dem Vorarlberger Wald?

Totschnig: Das ist abhängig von der Höhenlage. In tieferen Lagen kommen Bäume wie die Fichte zunehmend unter Druck. Das heißt, auch in Vorarlberg wird es wichtig, den Wald klimafit zu machen. Das sind Mischwälder, die hitzeresistent sind. Darum erhält Vorarlberg aus dem Waldfonds 6,5 Millionen Euro. Insgesamt macht der Fonds 350 Millionen aus. Übrigens: Der Wald wird in Österreich größer, und zwar sechs Hektar pro Tag. Das sind 2.300 Hektar in den letzten fünf Jahren. Seit den 60er-Jahren wird weniger Wald entnommen, als er zuwächst.

ORF Vorarlberg: Wie weit ist die Politik nur Getriebene des Klimawandels? Kann man den Wald komplett an die Klimaerwärmung anpassen?

Totschnig: Hier findet seit Jahren eine intensive Forschungstätigkeit statt. Das Forschungszentrum für Wald beobachtet zum Beispiel, wie sich der Wald in Südeuropa entwickelt. Also dort, wo schon andere Verhältnisse vorherrschen. Aus welchen Baumarten setzt sich zusammen? Wie wird mit der Waldbrandgefahr umgegangen? Da gib es den Aktionsplan Waldbrand, indem man sich konkreten Maßnahmen widmet, um Waldbrandgefahr zu verringern. Ein Beispiel: Wie verlaufen Forstwege.

ORF Vorarlberg: Welche Rolle spielt der Brennstoff Holz beim Umstieg auf erneuerbare Energieträger?

Totschnig: Wichtig ist das Prinzip der Nachhaltigkeit. Also, dass nicht mehr entnommen wird als nachwächst. Bei der Biomasse haben wir eine positive Entwicklung. Aber auch bei der weiteren stofflichen Verwertung wird Holz eine immer größere Rolle spielen, zum Beispiel als Baustoff. Die Frage lautet immer, wie viel möglich ist. Es darf nicht mehr entnommen werden, als zuwächst.

ORF Vorarlberg: Die Transformation der Energieversorgung ist auch Thema bei der heutigen Sitzung der Landwirtschaftskammer-Präsidenten. Welche Rolle kann die Landwirtschaft dabei spielen? Also zum Beispiel auf jedem Bauernhof eine Photovoltaik-Anlage errichten?

Totschnig: Die Land- und Forstwirtschaft sehen wir als Teil der Lösung. Wie Sie sagen, beginnend mit der Möglichkeit, PV-Anlagen zu installieren. Die Dachflächen wären hervorragend geeignet. Dazu brauchen wir aber auch das notwendige Netz, und das ist noch nicht so oft vorhanden. Da muss eine Weiterentwicklung passieren. In weiterer Folge geht es aber auch um die Bioenergie. Das ist einerseits Holz, aber auch Biogas. Da setzen wir in der Bundesregierung einen Schwerpunkt, ein Grünes-Gas-Gesetz ist in Vorbereitung. Wir sehen ein Potenzial von zehn Terawattstunden, die bis 2030 möglich wären. Da können zum Beispiel Reststoffe und pflanzliche Stoffe oder auch Gülle verwertet werden.

ORF Vorarlberg: In den Niederlanden müssen Bauern den Ausstoß von Stickstoff reduzieren. Große Betriebe müssen deshalb ihren Rinderbestand drastisch reduzieren. Wie sehen Sie diese Entwicklung?

Totschnig: Die Situation in Holland ist im Vergleich zu unserer sehr unterschiedlich. In Holland existiert eine sehr intensive Land- und Forstwirtschaft. Es gibt zwar nur die Hälfte der Fläche, aber es wird sehr viel exportiert. In Österreich verfolgen wir seit 25 Jahren den Weg der ökosozialen Agrarpolitik.

ORF Vorarlberg: Wir sind hier in Vorarlberg, wo die Milchwirtschaft sehr groß ist. Ist diese Art der Landwirtschaft zukunftsfit?

Totschnig: In Vorarlberg haben wir vor allem das Thema Almwirtschaft. Es gibt 520 Almen. Die Käseproduktion hat einen besonderen Stellenwert. Mit ihr gelingt es, Wertschöpfung zu generieren. Vorarlberg ist sehr vorbildhaft unterwegs. Ich sehe die Entwicklung sehr positiv.

ORF Vorarlberg: Weniger positiv ist die Entwicklung in der Welt. Wir sehen einen Krieg in der Ukraine. Das Getreide auf dem Weltmarkt geht aus. Die Düngemittel-Produktion wird immer schwieriger. Wie widerstandsfähig ist Österreichs Landwirtschaft gegen solche Einflüsse von außen?

Totschnig: Der Vorteil Österreichs ist, dass wir bei den Grundnahrungsmitteln eine sehr hohe Eigenversorgung haben. Wir sind von diesen Abhängigkeiten also kaum betroffen. Die Lebensmittelversorgung in Österreich ist absolut gewährleistet. Wenn ich in die Zukunft blicke, bin ich sehr zuversichtlich. Es ist auch ausreichend Düngemittel vorhanden. Ich sehe da keinerlei Einschränkungen derzeit. Wir haben im Landwirtschaftsministerium einen Krisenstab eingerichtet, der wöchentlich tagt. Wir schauen uns an, wie die Warenströme verlaufen, wie sich die Preise entwickeln und setzen Maßnahmen, falls es notwendig ist. Aber grundsätzlich ist Österreich sehr krisenresistent aufgestellt, mit einer guten Eigenversorgung.

ORF Vorarlberg: Sollte Putin das Erdgas komplett abdrehen, könnte es aber anders aussehen. Borealis in Linz benötigt Erdgas für die Produktion von Stickstoffdünger. Sind wir auf einen möglichen Gas-Stopp vorbereitet?

Totschnig: Die Speicher in Österreich werden nach wie vor gefüllt. Das Ziel lautet, 80 Terawattstunden zu lagern. Jetzt ist auch Nord Stream eins wieder aufgemacht worden. Also das Gas fließt. Das heißt, wir haben derzeit keine Verknappung. Darüber hinaus muss man sagen, dass die Agrar- und Lebensmittelwirtschaft von der Energielenkung ausgenommen ist. Und in den Unternehmen werden überall Vorsorgen getroffen. Auch wir bereiten uns vor für jede Eventualität. Derzeit fließt das Gas, wir haben keine Verknappung. Wir produzieren wie gehabt – auch bei Borealis in Linz.

ORF Vorarlberg: Das heißt, im Falle des Falles wäre die Düngemittelproduktion in Linz priorisiert.

Totschnig: Ich würde da nicht spekulieren. Im Fall des Falles ist die Agrar- und Lebensmittelwirtschaft von der Energielenkung ausgenommen. Das ist das, was auf dem Tisch liegt.

ORF Vorarlberg: Sie haben kürzlich bekräftigt, dass sich Österreich zu 100 Prozent selbst mit Getreide versorgen kann. Das Saatgut aus Probstdorf ist aber ganz anders als jenes, das im Vorarlberger Rheintal benötigt wird. Die Landwirte hier müssen vor allem importieren. Ist auch diese Versorgung gesichert?

Totschnig: Die Versorgung ist natürlich in ganz Österreich gewährleistet. Wir sind auch da vorbildhaft unterwegs, wenn man Österreich europaweit vergleicht. Die Saatgut-Wirtschaft ist auch was den ganzen Klimawandel betrifft, vorbildhaft unterwegs. Da wird geforscht in Rumänien, auch in Südeuropa, damit man klimaresistentere Sorten findet.

ORF Vorarlberg: Die regionale Versorgung hat während der Corona-Krise allgemein an Stellenwert gewonnen. Fürchten Sie, dass Regionalität durch die Teuerung wieder an Wert verliert?

Totschnig: Wir beobachten eine sehr große Treue der Konsumenten zu österreichischen Produkten, auch zu Premiumprodukten. Da und dort gibt es natürlich Rückgänge, aber das ist auch abhängig von der Kundenbeziehung der jeweiligen Direktvermarkter. Im großen Trend sehen wir eine kleine Delle, was Premiumprodukte und regionale Produkte betrifft. Aber gleichzeitig sehen wir auch einen Trend in Richtung mehr Qualität, mehr Premium, mehr Tierwohl.

ORF Vorarlberg: Diese Delle sehen Sie also nicht als nachhaltig?

Totschnig: Wir schauen uns das Monat für Monat genau an. Ich halte mich da an die Fakten und möchte nicht spekulieren.

ORF Vorarlberg: Wie geht es den Bauern insgesamt in Österreich?

Totschnig: Sie sind natürlich gefordert, auch durch die Inflation sowie die Kostensteigerungen im Bereich der Düngemittel, im Bereich der Futtermittel, im Bereich der Energiepreise. Das fordert die Höfe natürlich sehr. Deswegen war es wichtig, dass wir eine Entlastung setzen. Mit dem Versorgungssicherungspaket stellen wir 110 Millionen Euro zur Verfügung, um die ärgsten Kosten abzufedern. Jetzt kommen zusätzlich neun Millionen für den sogenannten geschützten Anbau dazu, also für Obst und Gemüse.