Alfred Riedl, Präsident des österreichischen Gemeindebundes
NLK Reinberger
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Politik

Gemeindebund fordert höhere Grundsteuer

Alfred Riedl, Präsident des österreichischen Gemeindebundes, ist überzeugt: Bei Grundstücken überwiegt der gemeinschaftliche Nutzen dem Interesse am einzelnen Eigentum. Gewidmetes Bauland müsse mobilisiert werden. Im Interview mit dem ORF Vorarlberg erklärt er, was er von Bund und Ländern in dieser Frage erwartet.

im Interview mit ORF-Redakteur Michael Prock spricht Alfred Riedl (ÖVP) auch über die Flüchtlingssituation, die Gemeindefinanzen und den Personalmangel in der Kinderbetreuung.

ORF Vorarlberg: Corona, eine neue Flüchtlingskrise und jetzt auch noch die Teuerung. Wie geht es denn Österreichs Gemeinden in der aktuellen Situation?

Riedl: Die ersten beiden Corona-Jahre haben wir perfekt gemeistert. Jetzt sind vor allem der Arbeitsmarkt, die Kinderbetreuung und die Pflege herausfordernd. Und die Teuerung. Wir sind die größten öffentlichen Investoren, die Teuerung bereitet uns also Sorgen. Aber fürs Erste können wir mit Stolz sagen, dass wir auf einem guten Weg sind.

Alfred Riedl, Präsident des österreichischen Gemeindebundes

ORF Vorarlberg: Dazu kommt die Aufgabe, wieder viele Flüchtlinge zu betreuen. Über 80.000 Menschen sind schon aus der Ukraine nach Österreich geflohen. Sind die Gemeinden besser vorbereitet als 2015?

Riedl: Erstmals haben wir mehr Angebot an öffentlichen und privaten Quartieren, als es Bedarf gibt. Wir führen keine Quotendebatten wie damals. 80.000 Menschen unterzubringen ist eine große Herausforderung. Wir schaffen es, den Menschen das Nötige anzubieten, zum Beispiel in der Kinderbetreuung oder der schulischen Nachmittagsbetreuung. Wir merken aber auch, dass viele rasch wieder zurück möchten.

ORF Vorarlberg: Sehen Sie die Flüchtlinge eigentlich auch als Belastung, wie die Generalsekretärin Ihrer Partei, Laura Sachslehner?

Riedl: Persönlich habe ich eine reiche Erfahrung gemacht bei der Begleitung von Flüchtlingen in meiner Gemeinde. Wir haben das noch nie als Belastung empfunden, sondern wir haben viel voneinander lernen können. Wir haben auch Freundschaften gefunden, über die Grenzen hinweg. Ich kann mir nicht vorstellen, dass das so interpretiert worden ist. Dass es eine schwere Aufgabe und eine wirkliche Herausforderung ist, ist logisch. Es ist keine emotionale Belastung, aber gesamtstaatlich eine ganz besondere Herausforderung. Wenn man es in dieser Differenziertheit verstehen kann, ergibt es ja einen Sinn.

ORF Vorarlberg: Geht es bei den Flüchtlingen noch um die reine Unterbringung oder ist die Integration schon die größere Aufgabe?

Riedl: Es geht um beides. Vergessen wir nicht, dass wir zurzeit eine riesige Debatte am Arbeitsmarkt haben. Wir haben in der Kinderbetreuung, in der Nachmittagsbetreuung, in der Pflege einen nicht erfüllbaren Bedarf an Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern. Die aktuelle Situation könnte auch eine große Chance sein. Jetzt müssen zunächst einmal rasch die Qualifikationen erhoben werden. Das sollte man eigentlich beim Grenzübertritt oder bei der Registrierung schon tun. Die Zulassung für den Arbeitsmarkt muss dann schneller gehen.

ORF Vorarlberg: Den Personalmangel spürt man sehr stark in den Kindergärten. In Feldkirch zum Beispiel müssen Kinder zur Betreuung abgelehnt werden. Ist es Gemeinden noch möglich, den Versorgungsauftrag zu erfüllen?

Riedl: Wir sind nicht für die Ausbildung zuständig. Land und Bund müssen uns helfen, rasch Mitarbeiterinnen zu finden. Um den Auftrag zu erfüllen, brauchen wir das Personal. Wenn es das Personal nicht gibt, können wir den Auftrag nicht erfüllen. Da hilft auch die Debatte über den Rechtsanspruch nichts. Und die Anerkennung der Ausbildung muss schneller gehen, auch für Personal aus der EU. Es kann nicht sein, dass deutsche Mitarbeiterinnen, die ausgebildet sind, über Monate nicht arbeiten können, weil die Verfahren nicht funktionieren.

ORF Vorarlberg: Es reicht also nicht, wenn die Bundesregierung den Gemeinden einfach Geld für den Ausbau der Kinderbetreuung verspricht?

Riedl: Gar nicht. Wir bemühen uns, das Angebot laufend zu verbreitern. Für Familie und Beruf ist das unabdingbar. Aber es muss der Rahmen stimmen. Und der Rahmen passt zurzeit nicht. Wenn wir die Kinderbetreuungseinrichtungen nicht betreiben können, hilft der ganze Ausbau nichts.

ORF Vorarlberg: Wie hat sich die Corona-Pandemie finanziell auf die Gemeinden ausgewirkt?

Riedl: Wir haben im Jahr 2020 sehr rasch Hilfe bekommen und die auch angenommen. Wir haben investiert, obwohl manche Gemeindeaufsichten gesagt haben: Vorsicht und nicht so viel. Wir haben mehr investiert als vor Corona und damit die lokale Konjunktur mobilisiert. Im Jahr 2021 haben die Gemeinden positive Abschlüsse geschafft, zwar wieder mehr investiert, aber trotzdem Schulden abgebaut. Jetzt merken wir, dass wir auch durch die Mitfinanzierung der Zusagen an die Bevölkerung mit der Teuerung und mit dem fehlenden Personal an unsere Grenzen stoßen.

ORF Vorarlberg: Die Zusagen an die Bevölkerung sind zum Beispiel die vielen Anti-Teuerungs-Maßnahmen. Die Inflation wird wohl noch weiter steigen. Sind weitere Hilfspakete nötig?

Riedl: Da muss man vorsichtig sein, denn unsere Kinder werden alle irgendwann bezahlen müssen. Immer nur nach mehr Geld zu rufen wird es in Zukunft nicht spielen. Wir müssen schon auch sehen, dass mit Eigenverantwortung jeder viel beitragen kann. Wir hatten ja vor 30 Jahren schon einmal einen Benzinpreis von fast zwei Euro. Da sind wir alle zusammengestanden und haben versucht, die Situation zu lösen. Wir müssen jene begleiten, die es wirklich brauchen und nicht mit der Gießkanne das Geld über alle ausschütten. Jeder wird seinen Beitrag leisten müssen.

ORF Vorarlberg: Auch die Gemeinden?

Riedl: Selbstverständlich. Diese Verantwortung müssen auch wir wahrnehmen.

ORF Vorarlberg: Teuerung und Personalmangel führen auch zu Schwierigkeiten beim Bau von Infrastruktur. Kann das für Gemeinden zum Problem beim Ausbau von Infrastruktur werden?

Riedl: Die Daseinsvorsorge hat immer funktioniert. Also zum Beispiel die Wasserversorgung, die Kanalisation oder die Müllentsorgung – das wird auch in Zukunft funktionieren. Aber wir haben in einer Krise antizyklisch investiert. Das hat der Konjunktur geholfen. Jetzt ist die Bauwirtschaft überhitzt. Und wenn das weiter geht, wird es noch teurer. Wir werden uns jetzt ein bisschen zurücknehmen und das Wichtigste zuerst machen.

ORF Vorarlberg: Apropos Daseinsvorsorge. Was ist aus Ihrer Forderung geworden, den Breitbandausbau zur Daseinsvorsorge zu zählen?

Riedl: Na ja …. Einfach gesagt: Daraus ist nichts geworden. Man hat es der Wirtschaft überlassen. Jetzt ist in Regionen, in denen sich der Ausbau nicht rechnet, beachtliches Fördergeld notwendig, um alles zu versorgen. Es wird kein elektronischer Akt funktionieren, wenn nicht im letzten Winkel dieses Landes Breitband ausgebaut wird. Eine digitale Schule kann nur funktionieren, wenn ausgebaut wird. Da fehlt viel, das sehen wir auch daran, dass die erste Ausschreibung für die Breitbandmilliarde überzeichnet ist. Also es fehlt das Zehnfache. Es gibt viel Nachholbedarf.

ORF Vorarlberg: Für die Bevölkerungsentwicklung sind Grundstücke notwendig. Grundstücke sind rar und teuer. Für die Lösung dieses Problems fordern manche Politiker, die Raumordnung – vor allem Widmungen – zu zentralisieren. Ein guter Vorschlag?

Riedl: Das sind Botschaften von Leuten, die offensichtlich die Praxis nicht kennen. Wer, wenn nicht die lokale Gemeinschaft, sagt, was sie möchte und was nicht? Sie kann aber sowieso nicht alleine entscheiden. Zuerst entscheidet die Gemeindevertretung, dann geht eine Widmung weiter an das Land. Aber in dieser Diskussion wird immer vorgeworfen, dass die Bürgermeister alleine entscheiden würden, was nicht stimmt. Ich kenne keine Widmung, für die der Bürgermeister zuständig gewesen wäre.

ORF Vorarlberg: Was sollte sich in dieser Frage ändern?

Riedl: Wir müssen uns um die Wohnungen kümmern, die leer stehen und um die unverbauten Flächen im verbauten Gebiet. Die Gemeinden leben nach den Regeln der Länder und des Bundes. Und keiner traut sich, eine klare Ansage zu machen, was mit Leerstand passiert oder mit der Besteuerung von unverbautem Grundvermögen. Damit könnte man schon viel Druck herausnehmen.

ORF Vorarlberg: Sie fordern also eine höhere Grundsteuer?

Riedl: Den Gemeinden ist mir der Besteuerung der bebaubaren Grundstücke wahrscheinlich am meisten geholfen. Ich weiß, da wird über Eingriff ins Eigentum gesprochen. Aber die gesellschaftliche Auseinandersetzung, ob der Nutzen höher ist, wird beantwortet werden müssen. Wenn jemand spekuliert und hortet, ist das mit Sicherheit schädlich für die Gemeinschaft. Das ist meine tiefe Überzeugung. Und deswegen denke ich, dürfen wir eine deutliche Besteuerung erwarten.

ORF Vorarlberg: Wie hoch muss diese Steuer sein?

Riedl: Wir reden zum Beispiel schon lange über eine höhere Grundsteuer. Die müsste man auch spüren, sonst passiert nichts.