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ORF.at/Georg Hummer
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Wirtschaft

Der Kampf um jede Arbeitskraft

In Vorarlberg arbeiten derzeit rund 171.000 Menschen. Gleichzeitig schrumpft die Zahl der Jobsuchenden und die der vorhanden Arbeitskräfte. Die Mischung aus der momentanen Rekordbeschäftigung und das sinkende Bevölkerungswachstum gestaltet sich schwierig für Unternehmen. Auch Vorarlbergs Betriebe suchen dringend Arbeitskräfte.

Wenn derzeit über Arbeitskräfte gesprochen wird, ist das Adjektiv „händeringend“ nicht weit. Ob Akademiker, Fachkraft oder für ungelernte Arbeiten: Alle suchen händeringend – also verzweifelt – Personal. Seit der CoV-Pandemie hat sich die Lage sogar zugespitzt.

Erholung der Wirtschaft als Ursache

Die Ursache des Problems ist aber eigentlich eine gute Nachricht: Die Wirtschaft erholt sich von der CoV-Pandemie. „Der starke Wirtschaftsaufschwung führt zu einer außergewöhnlich hohen Nachfrage nach Arbeitskräften“, erläutert Rainer Eppl vom Wirtschaftsinstitut Wifo.

Gleichzeitig sinke das Angebot an Arbeitskräften. „Die Arbeitskräfte sind nicht weg. Sie arbeiten“, beschreibt Eppl. Allerdings sei auch der demographische Wandel eine Ursache für den Mangel an Arbeitskräften: „Jetzt gehen die Geburten starken Jahrgänge in Pension und weniger junge Menschen kommen nach“, erklärt Eppl. Besonders hart treffe das Gastronomie und Tourismus, die auf junge Menschen setzen würden.

Fehlende Planbarkeit in Gastronomie und Tourismus

Erschwerend komme in diesen Branchen der „Lockdown-Effekt“ hinzu: „In diesem Sektor sind Mitarbeiter besonders mobil. Sie sind in die Schweiz oder nach Südtirol abgewandert“, sagt Bernhard Bereuter, Geschäftsführer des Arbeitsmarktservice Vorarlberg (AMS). Dort sei nämlich klar gewesen, dass Restaurants oder Hotels offen bleiben.

In Österreich habe diese Planbarkeit gefehlt. „Sobald man Sicherheit und Planbarkeit signalisiert, stabilisiert sich die Lage wieder. Schwierig wird es, wenn man im Oktober noch nicht weiß, was im Dezember passiert“, ist Bereuter überzeugt.

Maßnahmen gegen den Arbeitskräftemangel

„Wir tun natürlich alles, um der Entwicklung entgegenwirken zu können“, beteuert Bereuter. Derzeit seien in Vorarlberg rund 7.900 Menschen arbeitslos, doch die Dynamik am Arbeitsmarkt sei derzeit groß und müsse genutzt werden, sagt Bereuter.

Rund 45 Prozent der Arbeitssuchenden verfüge höchstens über einen Pflichtschulabschluss. „Diese Gruppe müssen wir durch gezielte Qualifikation auf die Anforderungen der Wirtschaft vorbereiten“, erklärt Bereuter. Dafür gebe es bereits einige Programme wie „Arbeitsstiftung 2000“, „Zukunftsstiftung Vorarlberg“ oder „Campus Metall“. Insgesamt betreiben die Vorarlberger Landesregierung und das AMS mehr als 40 Initiativen, um Jugendliche, Geringqualifizierte und Langzeitarbeitslose für den Arbeitsmarkt vorzubereiten.

Arbeitskräfte aus anderen Bundesländern gefragt

Die Wirtschafts-Standort GmbH (Wisto) sucht hingegen auf einer anderen Ebene nach Fachkräften: Sie wirbt in anderen Bundesländern und dem Ausland um Personal. Für Vorarlberger Studenten in Wien, Graz oder Berlin gibt es beispielsweise sogar eigene Netzwerktreffen.

Die Aufgabe, Menschen ins Land zu locken, ist allerdings schwierig. Denn Vorarlberg steht in Konkurrenz zu anderen Bundesländern, in denen die Arbeitslosenquote vielfach noch wesentlich niedriger ist als hier. Ein Vergleich: In Vorarlberg sind 4,4 Prozent der Menschen arbeitslos, in Salzburg 2,9 Prozent.

Potenzial bei Arbeitssuchenden über 55 Jahren

Potenzial für den Arbeitsmarkt sieht Bereuter auch bei den Menschen über 55 Jahren. Da seien die Unternehmen gefordert, indem sie einerseits die Personengruppen gezielt anspreche und diese andererseits gar nicht erst gehen lasse. „Da geht es dann in Richtung Prävention. Die Beschäftigung sollte an die Anforderungen und die Möglichkeiten der Beschäftigten angepasst werden. Es wird essenziell, dass ältere Mitarbeiter bis zur Pensionierung im Arbeitsprozess gehalten werden", erklärt Bereuter.

Denn in diesem Alter noch einen neuen Job zu suchen, sei besonders schwierig, sagt Bereuter. 1.700 Über-55-Jährige seien in Vorarlberg momentan arbeitslos. Eppl rechnet damit, dass aufgrund der aktuellen Situation automatisch weniger Menschen gekündigt werden. „Der Konkurrenzkampf innerhalb der Branchen ist groß. Zwar wird sich die Wirtschaft wieder eintrüben, aber Unternehmen werden dann vorsichtiger agieren und Arbeitskräfte eher behalten, weil sie fürchten, später keine Arbeitskräfte mehr zu haben.“

Fehlende Kinderbetreuung kommt erschwerend hinzu

Auch bei den Frauen sieht Bereuter noch Potenzial. Die Hälfte aller Frauen arbeiten Teilzeit. „Wenn man die Stundenzahl erhöhen könnte, wäre das schon ein Effekt für die Arbeitskräftesituation“, rechnet Bereuter vor. Da reiche es schon, wenn von 20 auf 30 Prozent erhöht wird.

„Das ist allerdings sehr eng mit Kinderbetreuungsmöglichkeiten verbunden. Wenn Betreuungsplätze eingeschränkt werden müssen, hat das drastische Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt“, ärgert sich Bereuter. Die Stadt Feldkirch hat kürzlich bekanntgegeben, Kinderbetreuung einschränken zu müsse. Der Grund: Auch hier fehlt das Personal.