Samstaginterview Aaron Wölfling
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Politik

Wölfling fordert Kulturwandel in der Politik

Aaron Wölfling von den Dornbirner Grünen ist seit gut zwei Monaten der jüngste Stadtrat im Land. Kaum in der Funktion, muss er sich bereits mit einer handfesten Polit-Affäre rund um den Vorarlberger Wirtschaftsbund und dessen Geldflüsse an die ÖVP auseinandersetzen. Im Samstaginterview spricht sich Wölfling für einen Kulturwandel in der Politik aus.

ORF: Sie sind mit 21 Jahren der jüngste Stadtrat in Vorarlberg. Einer aktuellen Umfrage unter 24.000 jungen Menschen in Österreich zufolge sind bereits 80 Prozent ihrer Altersgruppe politikverdrossen. Warum Sie nicht?

Wölfling: Politikverdrossenheit ist nicht nur ein Jugend-Problem, sondern ein generelles Problem. Und die große Gefahr dahinter ist ja auch die, dass das eine Bedrohung für die Demokratie ist. Und meine Motivation, politisch aktiv zu sein, ist es auch da dagegen etwas zu tun und mich dafür einen Kulturwandel in der Politik einzusetzen.

ORF: Auf Instagram beschreiben Sie sich selbst als Aktivist, Student, Veganer und Klimaschützer. Seit Anfang des Jahres sitzen Sie im Dornbirner Stadtrat und sind jetzt Teil der heimischen Politik. Wann werden Sie Ihrem Profil denn das Bekenntnis Frustrierter hinzufügen müssen?

Wölfling: Ich glaube, Frustration ist nicht das richtige Mittel. Ich glaube vielmehr, dass wir anpacken müssen. Wir müssen den Leuten wieder zeigen, dass sie sich auch an Politik beteiligen können, also, dass Leute auch wirklich mitreden können, vor allem auch junge Leute in der Politik. Ich glaube, dann wird das Problem mit der Politikverdrossenheit auch besser. Und ich bin motiviert und durchaus auch bereit, dafür einzustehen.

 Andreas Feiertag, Aaron Wölfling
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ORF-Redakteur Andreas Feiertag und Aaron Wölfling


ORF: Die Beteiligung der Jugend, das ist das eine. Aber die Politik auf Bundes- und Landesebene ist derzeit beherrscht von Affären, Korruptionsvorwürfen und strafrechtlichen Ermittlungen. Welches Bild bekommen denn die jungen Menschen da von dieser Demokratie?

Wölfling: Die jungen Menschen bekommen ein Bild, das sehr verheerend ist, nämlich dieses, dass Politik vor allem von kleinen Cliquen gemacht wird und irgendwo auch in der Bürokratie stattfindet. Das ist nicht nur ein EU-Problem, sondern das ist auch im Lande, im Bund und in den Gemeinden ein Problem, dass die Leute das Gefühl haben, wir können da nicht mitreden. Wir können uns nicht an der Demokratie beteiligen, sondern da gibt es Cliquen, die sich das irgendwie ausmachen. Und das ist ein verheerendes Bild.

Und man muss da entgegenwirken, in dem die Leute wieder die Erfahrung machen können: Wir können uns da beteiligen, wir können wirklich mitentscheiden. Und eine weitere Sache – deshalb braucht es auch eine gewisse Ehrlichkeit und eine gewisse Verantwortlichkeit – Leute haben den Eindruck, Politik kann irgendwie gekauft werden. Da muss es eine Ehrlichkeit, mehr Offenheit geben und auch eine Verantwortung gegenüber einem Amt, die ich leider jetzt auch sehr oft vermisse – bei den aktuellen Geschehnissen.

Aaron Wölfling
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ORF: In der Affäre rund um den Vorarlberger Wirtschaftsbund ist inzwischen auch bekannt, dass von diesem an die 50.000 Euro an die Dornbirner ÖVP geflossen sein sollen. Ist das Thema in der Stadtpolitik?

Wölfling: Es wird sicherlich zum Thema werden. Wir werden das auch aufbringen, weil man muss darüber reden, wie wir Politik machen. Das hat nicht nur damit zu tun, dass es unfaire Verhältnisse sind im Wahlkampf, bei so großen Differenzen in den Beträgen, die die Parteien ausgeben. Sondern das hat auch damit zu tun, was für ein Bild die Leute bekommen. Die Leute haben den Eindruck, da wird Politik von Cliquen im Hinterzimmer gemacht und mit unsauberen Mitteln. Da müssen wir drüber reden und da werden wir auch drüber reden.

Wallner wies Vorwürfe zurück
Landeshauptmann Markus Wallner hat die persönlichen Vorwürfe in der Wirtschaftsbund-Affäre steht als „Lüge“ zurückgewiesen. In dem Fall ermittelt jetzt die Wirtschafts- und Korruptions-Staatsanwaltschaft. Es gilt für alle Beteiligten die Unschuldsvermutung.

ORF: Was ist eigentlich so verwerflich daran, dass eine Stadt-ÖVP von einer ÖVP-Organisation, also dem Wirtschaftsbund, Geld bekommt? Die Dornbirner Grünen, also ihre eigene Partei, die wird ja auch von Landes-, Bundespartei und anderen grünen Organisationen finanziell unterstützt.

Wölfling: Also das Problem an der Wirtschaftsbund-Causa ist ja nicht, dass überhaupt Gelder geflossen sind, sondern vor allem auch wie Gelder geflossen sind. Es gibt diese Berichte, die allen bekannt sind, die eidesstattliche Versicherung darüber, wie das abgelaufen ist mit der Spenden-Akquise, auch wie Unternehmer unter Druck gesetzt wurden. Und ich finde, da braucht es natürlich auch Konsequenzen. Man muss dann Verantwortung übernehmen für das Land. Den Leuten zeigen, dass es um das Land geht, dass man auch den Schaden vom Land abwenden will. Und ich würde mir zum Beispiel da wünschen, dass der Landeshauptmann da Konsequenzen zieht.

ORF: Bleiben wir gleich bei diesem. Die Opposition hat sich ja aufgrund dieser Wirtschaftsbund-Affäre auf Landeshauptmann Markus Wallner eingeschossen. Der grüne Koalitionspartner aber nicht. Und das, obwohl sich Ihre Partei Redlichkeit, Sauberkeit, Transparenz an die Fahnen heftet. Wie lange hält denn die Glaubwürdigkeit der Grünen diesen Spagat aus?

Wölfling: Also das Problem mit der Wirtschaftsbund-Affäre und den darauffolgenden Ermittlungen ist das Problem der ÖVP. Die ÖVP hat ja Aufklärungsbedarf. Ich würde mir auch wünschen, dass der Herr Landeshauptmann das irgendwie einsieht und erkennt, dass es vielleicht das Bessere wäre, sich zumindest vertreten zu lassen, bis die Vorwürfe aufgeklärt sind. Ich glaube, dass die ÖVP das regeln muss. Die Grünen haben sich auf Bundesebene und im Land immer als der Koalitionspartner dargestellt, der den Staat auch trägt und der auch in so einer Krisenzeit, wie wir sie jetzt haben, weiterhin die Verantwortung übernimmt. Ich halte es nicht für schlau, da jetzt alles in die Luft zu sprengen.

ORF: Glauben Sie, dass die grüne Basis im Land diese Entscheidung ebenfalls gutheißt und mitträgt? Fürchten Sie keine Stimmenverluste bei der nächsten Landtagswahl? Oder ist bis dahin sowieso genügend Gras wieder über die Sache gewachsen?

Wölfling: Ich habe den Eindruck in den Gesprächen in der Partei, dass die Basis und die Leute in der Partei das auch so sehen. Und ich glaube auch gerade mit den tollen Gesetzesinitiativen, die die Grünen weiterhin auf den Weg bringen, trotz dieser Unsicherheiten, die sich ergeben durch so schwindlige Affären, dass auch die Leute das sehen werden. Und ich bin da sehr zuversichtlich.