Schwertlilie
ORF Vorarlberg
ORF Vorarlberg
Natur & Umwelt

Selfie-Wahn zerstört seltene Lilien

Der Selfie-Kult hat bereits Auswirkungen auf Naturschutzgebiete. Ein Beispiel ist das grenzüberschreitende Naturschutzgebiet Ruggeler Riet, dort blühen derzeit tausende Sibirische Schwertlilien. Sie werden rücksichtslos zertrampelt – nur um ein gutes Selfie machen zu können.

Mitten im dicht besiedelten Rheintal befindet sich ein ganz besonderes Naturjuwel: Ein Ried, das vor allem im Frühjahr viele Spaziergänger und Radfahrer anlockt, die sich an der dargebotenen Farbenpracht fast nicht sattsehen können. Das Ried ist grenzüberschreitend und liegt zwischen Ruggel in Liechtenstein und Bangs in Vorarlberg.

Die zuständigen Naturschützer beider Länder machen diese Beobachtungen schon seit Längerem: Seit Pandemiebeginn seien immer mehr Menschen in den Naturschutzgebieten unterwegs und würden trotz Verbots die Schwertlilien-Felder betreten, um ein gutes Selfie zu schießen. Offensichtlich würden auch drohende Strafen in Kauf genommen, heißt es von der Naturwacht. „Dass innerhalb von Naturschutzgebieten ein Wegegebot gilt und die Schwertlilie eine geschützte Art ist, scheinen viele nicht zu wissen oder einfach zu ignorieren“, sagt Oliver Müller, Leiter der Liechtensteiner Naturwacht.

Fotostrecke mit 3 Bildern

Ruggeler Riet
Wikipedia
Das Ruggeller Riet – ein Blütenmeer
Schwertlilie
ORF Vorarlberg
Schwertlilie
ORF Vorarlberg
Sibirische Schwertlilien werden bis zu 80 Zentimeter hoch

Internationale Informationskampagne gestartet

Aus diesem Grund haben sich Feldkirch, Ruggell, Vorarlberg und Liechtenstein zwecks einer engen Zusammenarbeit zusammengeschlossen. Dabei sollen im Rahmen einer Informationskampagne die Naturbesucherinnen und -besucher sensibilisiert werden. So werden in Ruggell während der Blütezeit der Schwertlilien temporär zusätzliche Informationstafeln bei den Parkplätzen und Ausgangspunkten der Spaziergängerinnen und Spaziergänger aufgestellt.

Ebenfalls wird mit einer grenzüberschreitenden Kampagne in den sozialen Medien für das Blütenmeer geworben und gleichzeitig wird auf Verhaltensregeln hingewiesen. Auch die Naturwacht Feldkirch arbeitet diesbezüglich eng mit der liechtensteinischen Naturwacht zusammen. So werden die Kontrollen vor Ort in den beiden Gebieten intensiviert und untereinander koordiniert, um noch mehr Aufklärungsarbeit leisten zu können.

Fahrrad-Exkursion

Am 10. Juni 2022 findet im Rahmen des Umweltprogramms von Feldkirch eine grenzüberschreitende Fahrrad-Exkursion zum Thema Moore statt, welche die verstärkte Zusammenarbeit zusätzlich untermauert.

Staatsübergreifendes Naturschutzgebiet

Das Bangser Ried ist das westlichste Natura 2000-Gebiet Österreichs. Gemeinsam mit dem Bereich Matschels umfasst es ca. 450 Hektar Land. Das Naturschutzgebiet Bangs-Matschels erstreckt sich auf Höhe Feldkirch zwischen Ill und Rhein und liegt somit im Dreiländereck Österreich, Schweiz und Liechtenstein. Dort grenzt es an das Ruggeller Riet und bildet somit ein staatenübergreifendes Naturschutzgebiet. In diesem Lebensraum gibt es noch viele Pflanzen und Tiere, die anderswo schon längst nicht mehr vorkommen.

Sibirische Schwertlilie sorgt für ein Naturschauspiel

Am beliebtesten ist das Gebiet im Frühjahr, meist gegen Ende Mai. In dieser Zeit streifen wohl die meisten Besucher durch Bangs-Matschels. Der Grund dafür ist die Sibirische Schwertlilie. Ende Mai verwandeln tausende Blumen die Streuwiesen in ein blaues Blütenmeer. Sibirische Schwertlilien werden bis zu 80 Zentimeter hoch, die zarten Blüten werden durch Hummeln bestäubt.

Wie intensiv das blaue Meer wird, hängt sehr stark vom Wetter im Frühling ab. Wenn es nass ist, wachsen mehr Schwertlilien. Wenn das Frühjahr sehr trocken war, sind es etwas weniger. Egal, wie viele es sind, ein Anziehungspunkt ist das Blumenmeer immer. Allerdings dürfen die Pflanzen nur angeschaut und fotografiert werden, sie zu pflücken ist streng verboten. Damit sich alle Besucher an diese Regel halten, sind im ganzen Gebiet Naturwächter unterwegs. Sobald jemand seinen Fuß in die Streuwiesen setzt und erwischt wird, wird er höflich, aber bestimmt daran erinnert, dass das nicht erlaubt ist.

Sibirische Schwertlilien blühen im Frühling im Bangser Ried bei Feldkirch.
ORF

Streuwiesen werden nur einmal pro Jahr gemäht

Die Riedlandschaft ist sehr sensibel und muss akribisch gepflegt werden. Die Streuwiesen werden zum Beispiel nicht gedüngt und genau einmal pro Jahr gemäht. Das stellt sicher, dass das Gebiet nicht überwuchert, aber auch, dass die seltenen Pflanzen im nächsten Jahr wieder perfekt wachsen können. Neben der Schwertlilie gedeihen in der Region etwa Sumpfgladiolen, Duftlauch, Lungenenzian oder auch Orchideen. Wer also die Schwertlilien-Blüte verpasst hat, kommt einfach später wieder und sieht die Wiesen – je nach Blütezeit der jeweiligen Pflanzen – in ganz anderen Farben erstrahlen.