Michael Jonas
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Politik

Ärztekammer: Jonas fordert mehr Intensivbetten

Der scheidende Vorarlberger Ärztekammer-Präsident Michael Jonas wünscht sich von der Politik mehr Weitblick. Man dürfte nicht nur auf die ökonomische Situation schauen, sondern auf die Versorgungssicherheit. Jonas fordert etwa mehr Intensivbetten.

Der 66-jährige Jonas scheidet aus seinem Amt als Ärztekammer-Präsident aus und stellt sich nicht mehr der Wahl. Im Samstaginterview von ORF Vorarlberg blickt er auf seine Tätigkeit zurück und sagt dabei, dass er in der Politik den nötigen Weitblick vermisst. Er fordert mehr Intensivbetten und eine Pflege-Offensive, um für die Zukunft gerüstet zu sein.

ORF: Als Sie vor gut zehn Jahren die Vorarlberger Ärztekammer als Präsident übernommen haben, haben Sie ein wesentliches Ziel ihrer Arbeit mehr ärztlichen Nachwuchs genannt. Sieht man sich heute die Wartezeiten für einen Arzttermin an, dann scheinen Sie dieses Ziel nicht erreicht zu haben. Warum?

Michael Jonas: Weil die Kompetenz für Studienplätze bei der Politik liegt. Die Bundesländer haben in der Zwischenzeit sehr wohl erkannt, dass es schwierig wird, dass die beschränkten Studienplätze zu einem Versorgungsproblem führen. Und dann etwas ganz Wesentliches, was wir nicht vergessen dürfen: eine große Ärzte-Generation scheidet aus. Die Babyboomer-Generation wird ersetzt durch die Next-Generation- Ärztinnen und Ärzte. Und die haben ganz andere Einstellungen zu ihrem Beruf, zur Lebenssituation. Und da gibt es ja auch Untersuchungen: Wie viel Nachwuchs braucht es pro pensioniertem Arzt, nämlich 2,7 neue Ärzte. Und das wurde beim Ärzte-Nachwuchs völlig vernachlässigt und ignoriert, trotz unserer permanenten Mahnungen. Und in diesem Punkt konnte ich nicht erfolgreich sein, weil es absolut nicht in der Kompetenz der Ärztekammer liegt. Aber es frustriert mich auch beim Rückblick, dass wir hier nichts erreichen konnten.

ORF: Denn nur einige wenige kommen ja nach dem Studium nach Vorarlberg. Weitere Ziele, die Sie damals bei Ihrer Amtsübernahme formuliert haben, waren bessere Kassenverträge und auch mehr Geld für die Mediziner. Im Vergleich zu Deutschland und der Schweiz verdienen Vorarlberger Ärztinnen und Ärzte immer noch recht wenig. Wie will man denn so den medizinischen, den geringen medizinischen Nachwuchs im Land halten?

Michael Jonas: Also ich möchte jetzt einmal ganz entgegen unserer teilweise gewerkschaftlichen Position mitteilen – so schlecht geht es finanziell den Ärzten in Vorarlberg nicht. Es hatte sehr wohl in den letzten zehn Jahren deutliche Verbesserungen im kassenärztlichen Bereich gegeben. Es hat gravierende Verbesserungen auch für die Spitalsärzte gegeben. Natürlich wollten wir noch mehr erreichen, aber da haben wir ganz deutliche Besserstellungen im Vergleich zu früher.

ORF: Die letzten zwei Jahre Ihrer Präsidentschaft waren von der Pandemie geprägt. Vier Lockdown hat es gegeben, um unter anderem die Intensivkapazitäten der Spitäler nicht zu überlasten. Mehr als 40 Milliarden Euro hat der Staat in dieser Zeit als Wirtschaftshilfen gezahlt. Aber nicht ein Cent ist in den Ausbau der Intensivbetten investiert worden. Können Sie das nachvollziehen?

Michael Jonas: Ich kann es aus der Denkweise der Politik nachvollziehen, weil Österreich hat dauernd mit dem Vorwurf zu tun, dass wir in Bezug auf Intensivbetten, Spitalsbetten und auch Ärztedichte im vorderen Feld der europäischen Staaten oder der OECD-Staaten im weitesten Sinne sind. Was, wenn man genauer hinsieht, falsch ist. Und die Statistiken sind alle ein bisschen eine Mogelgeschichte. Und was Intensivbetten anlangt, glaube ich, da braucht es Leerkapazitäten. Wenn man das nicht vorhält für Katastrophen, dann kann Schlimmes passieren. Wir sind jetzt sehr nahe an den Rand der Kapazität gebracht worden, vor allem im Herbst vor einem Jahr. Und es braucht ja nicht nur Betten, sondern es braucht auch Personal dazu. Und das ist das nächste Problem. Ich glaube, Ärzte und Ärztinnen könnte man schon motivieren für die Intensivmedizin. Aber es braucht auch Intensiv- Pflegepersonal. Das braucht es um ein Vielfaches mehr. Und hier haben wir die nächste politische Baustelle.

ORF: Ich höre heraus: Ihre Forderung an die Politik – mehr Intensivkapazitäten schaffen, um für die Zukunft gerüstet zu sein und parallel dazu eine Offensive in der Pflegeausbildung?

Michael Jonas: Völlig richtig. Die Ärzteschaft oder die gesamte Spitalsstruktur wird hier immer wieder gefordert und provoziert mit dem Hinweis :Wir müssen abbauen. Hier muss reduziert werden. Die Pandemie hat jetzt einen schönen Spiegel vorgehalten und gezeigt, eigentlich ist es sehr gefährlich, was wir machen. Hier würde ich mir von der Politik einen weiteren Weitblick wünschen, nicht nur auf die Ökonomie zu sehen, sondern auch auf die Versorgungssicherheit.

ORF: Wenn ich mich zurückerinnere an die Zeit ihres Amtsantritts, vielleicht auch noch ein wenig davor, dann habe ich das Gefühl, dass die Ärztekammer im Bund und auch in den Ländern ein viel größeres Gewicht hatten als heute. Ist der politische Einfluss der Kammer verloren gegangen? ?

Michael Jonas: Verloren ist er sicher nicht gegangen. Nur versucht die Politik permanent oder Kräfte in der Politik versuchen immer wieder den Einfluss der Ärztevertretung massiv zurückzudrängen, weil Sorge besteht, dass die Kosten im Sinne der Patientenversorgung in die Höhe getrieben werden. Die Sorge ist berechtigt, aber es kann nicht so sein, wie die Wirtschaft immer propagiert: Geht es der Wirtschaft gut, geht es dem Menschen gut-.Das stimmt nicht. In der Gesundheit stimmt das ganz sicher nicht..

ORF: Welches wird die größte Herausforderung sein, die auf Ihren Nachfolger in der Kammer zukommt? ?

Michael Jonas: Die Qualität der Ausbildung, die Zahl der Studienplätze und die Attraktivität der Arbeitsbedingungen in den Spitälern und auch im niedergelassenen Bereich.