Peter Bußjäger im Interview vor Bücherregal
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Politik

„Sanktionen widersprechen nicht der Neutralität“

Die von Österreich gegen Russland verhängten Sanktionen widersprechen nach Ansicht des Vorarlberger Staatsrechtlers Peter Bußjäger nicht der Neutralität. Politisch dürfe sich ein neutraler Staat immer auf eine Seite stellen.

Seit dem Einmarsch der russischen Armee in der Ukraine hat die EU zahlreiche Sanktionen gegen den Kreml in Kraft gesetzt. Das neutrale Österreich trägt alle diese Maßnahmen mit. Das sei verfassungsrechtlich auch kein Problem, sagt Bußjäger im ORF Vorarlberg-Interview. Österreichs Neutralität beziehe sich ausnahmslos auf militärische Handlungen.

ORF Vorarlberg: Passen Sanktionen und Neutralität zusammen?

Bußjäger: Die Neutralität, zu der sich Österreich verpflichtet hat, war und ist immer nur eine militärische Neutralität und war nie und ist auch jetzt nicht eine politische Neutralität. Das heißt, politisch darf sich Österreich natürlich auf eine bestimmte Seite stellen, darf einen Aggressor benennen und darf auch humanitäre Hilfe leisten. Das hat Österreich vom Beginn seiner Neutralität an immer unter Beweis gestellt. Also das ist mit der Neutralität prinzipiell schon vereinbar.

ORF Vorarlberg: Und wie sieht es aus, wenn Putin ein EU-Land angreifen würde? In dem Fall müsste Österreich eigentlich zusehen, zumindest militärisch?

Bußjäger: Dann wird das natürlich schon heikler. Österreich ist nicht NATO-Mitglied. Das heißt, wenn ein NATO-Mitglied angegriffen wird, und der Bündnisfall tritt ein, dann erstreckt sich diese Verpflichtung zur militärischen Hilfeleistung auf die anderen Nato-Mitglieder, nicht auf Österreich und Österreich müsste auch hier militärisch neutral bleiben. Im Übrigen, auch wenn Österreich angegriffen würde, hätte Österreich keinen Anspruch darauf, dass ihm irgendein Staat zur Hilfe kommt, weil wir ja auch nicht Mitglied der NATO sind. Das gleiche gilt, wenn ein EU-Mitglied angegriffen wird. Hier müsste Österreich von Neutralitätsrecht her militärisch neutral bleiben. Natürlich fiele das in der Praxis unendlich schwieriger als jetzt im Fall der Ukraine.

ORF Vorarlberg: Angesichts der aktuellen Situation werden auch in Vorarlberg die Rufe nach einer Abschaffung der Neutralität wieder lauter. Ein geeigneter Zeitpunkt für eine solche Diskussion?

Bußjäger: Man kann über die Neutralität immer diskutieren und jeder, der mit der Zeitgeschichte vertraut ist, weiß auch, dass Österreich als neutraler Staat, als Trittbrettfahrer vom atomaren Schutzschirm der NATO mit profitiert hat während des Kalten Krieges. Andererseits würde ich nicht gerade beim ersten Ereignis, das sich seit vielen Jahren in dieser Form stellt, die Neutralität schon jetzt über Bord werfen. Man kann sich mit dem Thema befassen. Macht die Neutralität noch Sinn? Sollen wir uns der NATO anschließen? Da kann man darüber nachdenken. Aber ich würde das einem sorgfältigen Diskussionsprozess und einem längeren Diskussionsprozess überantworten. Und jetzt auf die Schnelle würde ich keinesfalls empfehlen, hier eine derartige Entscheidung zu treffen. Man muss sich ja auch überlegen, was kommt dann überhaupt finanziell auf Österreich und das Bundesheer zu.