Medikament, Wasserglas, Frau hält beides
Getty Images/Mladen Zivkovic
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Wissenschaft

Das Ringen um ein Covid-Medikament

Ein Mittel, das im Fall einer Infektion vor dem Ausbruch von Covid-19 schützt, ist das Ziel vieler Forschenden auf der ganzen Welt. Während die Leiterin des AIHTA (Österreichisches Institut zur Bewertung von Gesundheitstechnologie) eher nicht mit zeitnahen Erfolgen rechnet, ist der bregenzerwälder Biochemiker Norbert Bischofberger zuversichtlicher.

Eine Tablette, die statt vor der Infektion vor der Krankheit schützt und um wenig Geld in der Apotheke zu haben ist, würde die Impfung vielleicht sogar unnötig machen und die Coronavirus-Pandemie beenden. Trotz aller Forschung ist die Menschheit aber von einem solchen Wundermittel noch sehr weit entfernt, meint Claudia Wild, die Leiterin des Österreichischen Instituts für Health Technology Assessment (= Bewertung von Gesundheitstechnologie, AIHTA).

Mehrere Arzneien notwendig

Covid-19 kann je nach Patient zu einem milden Verlauf, einem Spitalsaufenthalt, einer Intensiv-Behandlung und zu Langzeitfolgen führen. Das alles seien eigentlich völlig unterschiedliche Krankheiten und deshalb brauche es auch unterschiedliche Arzneien, so die Expertin für Gesundheitstechnologie. Die eine Tablette wird es laut Wild demnach nie geben.

Das AIHTA ist im vergangenen Jahr zur Beobachtung der weltweiten Forschung auf diesem Gebiet von der Bundesregierung eingerichtet worden. Mehr als 200 Medikamente hat das Team von Wild derzeit im Visier, hin und wieder gibt es eine Empfehlung an den Gesundheitsminister.

Aber auch bei Medikamenten für die jeweiligen Krankheitsstufen habe die Forschung noch ihre liebe Not, sagt Wild: „Das scheitert im Augenblick noch daran, dass die meisten Medikamente intravenös verabreicht werden müssen, also nicht geschluckt werden können, was wiederum zumindest eine Krankenschwester oder den Besuch eines Arztes notwendig macht, wo doch gerade Erkrankten eben angeraten wird, dass man zu Hause bleibt.“ Für eine breite Massenanwendung sind die meisten Arzneien also ungeeignet – sowohl jene, die schon zugelassen sind, als auch jene, die noch in klinischen Studien stecken.

Claudia Wild
AIHTA / Karin Gartner
Claudia Wild, Leiterin des österreichischen Instituts zur Bewertung von Gesundheitstechnologie (Austrian Institute for Health Technology Assessment, AIHTA)

Zwei Medikamente wurden bereits gekauft

Gesundheitsminister Wolfgang Mückstein (Grüne) hat für die Republik jetzt zwei Arzneien mit den Namen „Lagevrio“ und „Paxlovid“ eingekauft – Tabletten, die man endlich einfach schlucken kann. Allerdings sind die nur an Ungeimpften getestet worden, sagt Wild: „Was natürlich eine Aussagekraft hat, dass man nicht weiß, wie diese Medikamente bei Geimpften wirken.“

Zum Einsatz kommen sie bei Ungeimpften, die sich infiziert haben und anfällig für einen schweren Verlauf sind, also chronisch Kranke und Alte. Generell, sagt Wild, konzentriere sich die Forschung derzeit auf Menschen mit geschwächtem Immunsystem – etwa auf Geimpfte, die auf die Impfung zu wenig ansprechen. Allerdings: „Die Frage ist, ob sie dann auf die Medikamente ansprechen, aber dazu wissen wir nichts.“

Neben Wissenslücken macht auch das Virus selbst den Forschern das Leben schwer – immer neue Varianten machen so manchen Wirkstoff wieder wirkungslos.

„Goldesel“: Extrem teuere Therapien

Was ebenfalls gegen Medikamente für die breite Bevölkerung spricht, ist der Umstand, dass die Pharmaindustrie in Corona einen Goldesel sehe, sagt Wild – keine einzige kostengünstige Arznei sei absehbar: „Die Originalpräparate, die im Moment in der Entwicklung sind, die sind alle sehr teuer – also zwischen 4.000 und 7.000 Euro pro Therapie – was ja nichts ist, wo man als Patient einfach in eine Apotheke geht und sich das einfach so kauft.“ An der Corona-Schutzimpfung wird laut Wild demnach so schnell nichts vorbei führen. Auch wenn in nächster Zeit noch etliche Medikamente zugelassen werden.

Dr. Norbert Bischofberger
ORF
Biochemiker Norbert Bischofberger

Tamiflu-Erfinder zuversichtlich

Wissenschaftler, die direkt an der Entwicklung von Corona-Medikamenten arbeiten, sind nicht ganz so pessimistisch. Einer von ihnen ist der aus dem Bregenzerwald stammende Biochemiker Norbert Bischofberger, der seinerzeit das Grippemedikament Tamiflu erfunden hat und sich derzeit in Kalifornien auch mit dem Coronavirus beschäftigt. Auf ORF-Anfrage zeigt er sich jedenfalls optimistisch, auch wenn zunächst noch viel Geduld erforderlich sei:

„Ja, ich würde sagen, es ist nicht im Prinzip schwer, ein Medikament zu entwickeln, aber es dauert natürlich lange und der Grund dafür ist, weil dieses Medikament den präklinischen und klinischen Studien getestet werden muss auf Sicherheit, Verträglichkeit und Wirksamkeit.“

Eiweiße könnten der Schlüssel sein

Bischofberger und etliche seiner Forscherkolleginnen sind davon überzeugt, dem Coronavirus bald die Lebensader durchtrennen zu können: Indem sie jene Eiweiße auf dem Virus lahmlegen, die der Krankheitserreger für seine zerstörerische Wirkung im menschlichen Körper am dringendsten braucht:

„Man schaut, welche Proteine der Virus braucht, um sich zu vermehren. Es gibt hier bei Corona zwei solche Proteine. Das eine ist eine Polymerase und das andere ist eine Protease. Und das sind ideale Ansatzpunkte.“

Eine Tablette, die genau diese Eiweiße blockiert, würde demnach die schädigende Wirkung des Virus beenden, beziehungsweise den Krankheitsverlauf stoppen, sagt der aus Vorarlberg stammende Forscher. Laut Bischofberger arbeiten derzeit schon einige Firmen an genau solchen Medikamenten.