„Überdimensional, riesig, gigantisch, wunderschön, voll lässig – ich war überwältigt von allem“: Eva Pinkelnig ist von der Olympiaschanze in Peking begeistert. Es sind ihre ersten Olympischen Spiele, die Qualifikation war ihr großes Ziel. Nun hat sie es auf die Olympiabühne geschafft, die beiden Trainings für das Springen auf der Normalschanze sind absolviert.
Architektonisch nicht so extravagant wie die Olympiaschanze in Peking ist ihre Heimschanze in Tschagguns, die aber dafür inmitten der wunderschönen Bergwelt des Montafons liegt. Was Eva Pinkelnig genießt, wenn sie an einem Trainingstag in Tschagguns auf dem Absprungbalken sitzt – der Blick ins Tal, der Blick auf die Berge gegenüber. Eine Zeit zum Durchatmen, eine Zeit zum Konzentrieren, auf die Anlaufspur unter ihr, auf den Sprung. Es sind nur einige, wenige Sprünge pro Training, für die sie von Hard am Bodensee ins Montafon zur Schanze fährt, denn jeder Sprung braucht die volle Fokussierung.
Eröffnung
Die Olympischen Spiele werden am Freitag eröffnet, die Eröffnungsfeier findet ab 13.00 Uhr (MEZ) statt.
Dabei ist Stillsitzen im sonstigen Leben eigentlich gar nicht so ihres: Eva Pinkelnig ist quicklebendig und alles andere als wortkarg, wenn sie nicht gerade auf dem Absprungbalken sitzt. Sie lacht gerne und ist für Scherze zu haben – was sie aber nicht daran hindert, eine akribische Arbeiterin in ihrem Sport zu sein. Dabei vertraut sie auch auf Unterstützung von oben: Der Glaube an Gott hilft ihr, sagt sie.
Kometenhafter Aufstieg
Über ihren kometenhaften Aufstieg als Spätberufene im Skisport wurde bereits viel geschrieben. Wie sie mit 24 Jahren ihre ersten Sprünge von einer mobilen Skisprungschanze auf der Dornbirner Messe probierte, dann schon bald in den Kader des ÖSV aufgenommen wurde und ihren Job als Erzieherin kündigte, um sich auf den Spitzensport zu fokussieren. Ihre Debüt-Saison 2014/15 war gleich erfolgreich, sie kam auf den siebten Platz im Gesamtweltcup.
Rückkehr nach schweren Stürzen
Die Karriere der Wahl-Harderin ist seither geprägt von zwei silbernen WM-Medaillen (in Seefeld 2019, Team und Mixed-Team), drei Einzel-Weltcupsiegen und zehn weiteren Podiumsplätzen im Einzel sowie etlichen Top-Ten-Platzierungen. Die Saison 2019/2020 beendete sie als Gesamtweltcup-Dritte.
Aber ihre Karriere ist auch geprägt von schweren Stürzen und schweren Verletzungen – nach denen sie sich zurückzog, sich zurück arbeitete – und schließlich zurückkehrte auf die großen Schanzen. Und das meist mit einem Strahlen im Gesicht.
Konstante Leistungen in dieser Saison
Derzeit – mit 33 Jahren – springt sie im Weltcup mit einer beeindruckenden Konstanz, die letzten beiden Einzel-Springen in Willingen bei schlechten Wetterbedingungen ausgenommen. In der laufenden Saison sprang die Vorarlberger Sportlerin des Jahres 2020 achtmal unter die besten elf und ist derzeit Neunte der Weltcup-Gesamtwertung.
Damit ist sie Drittbeste in einem starken österreichischen Weltcup-Team mit der überlegenen Weltcup-Führenden Sara Marita Kramer. Die Top-Springerin der Saison durfte aber – wie auch Teamkollegin Jacqueline Seifriedsberger – wegen eines positiven CoV-Tests nicht nach Peking fliegen. Für Pinkelnig keine einfache Situation: Nach der Ankunft in China wurde sie zunächst abgeschottet, weil sie mit den Teamkolleginnen beim Weltcup in Willingen war.
„Es tut mir mega leid“
„Es ist ein zweigeteiltes Herz in meiner Brust“, meinte Pinkelnig auf die erzwungene Abwesenheit ihrer beiden Teamkolleginnen angesprochen. „Zum einen bin ich happy, dass ich da und gesund bin. Es ist ein Riesenerfolg nach allem, was ich miterleben musste. Als ich die olympische Nummer umgehängt habe, da hat es mich ein bisschen gepackt. Die andere Seite, es tut mir mega-leid. Ich weiß, wie hart sie gearbeitet haben, vor allem die Sara.“
Kramer sei eine unglaublich talentierte Sportlerin, die unglaublich viel geleistet habe. Pinkelnig selbst hat aktuell ein Einzelzimmer und an der Schanze auch eine eigene Kabine, da sie beim Weltcup in Willingen Kontakt zu Kramer hatte. Beim ersten Training am Donnerstag landete Pinkelnig mit 94,5 m im zweiten Heat auf Rang neun, sonst nicht in den Top 20. Beim Abschlusstraining am Freitag kam sie auf die Ränge 21 und 9.
„Eine Chance ist immer da“
„Ich hoffe, wir werden auch ein Wörtchen mitreden“, meinte Pinkelnig zur Ausgangsposition. „Mein Ziel sind drei lässige Sprünge und einen Telemark setzen – weil auf der Kleinschanze gibt das viele Punkte – und am besten Jubeln im Auslauf. Eine Chance ist immer da. Ich schaue, dass ich gut ins Fliegen komme.“
Bei aller Konstanz in dieser Saison: Ein Stockerlplatz im Einzel-Weltcup fehlt der Heeressportlerin heuer noch. Aber vielleicht hat sie sich den ja für die Olympischen Spiele aufgehoben.