Vorarlberger Militärkommandant Gunther Hessel
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Chronik

Bundesheer fehlt es an Ausrüstung und Zeit

Es ist mittlerweile schon Tradition, dass Österreich am 26. Oktober sein Bundesheer feiert. Der Vorarlberger Militärkommandant Gunther Hessel erklärt im Interview mit dem ORF Vorarlberg, wie das Bundesheer mit seinen Aufgaben im Alltag zurechtkommt.

Auf die Leistungsschau am Wiener Heldenplatz wird zwar zum zweiten Mal in Serie verzichtet, Interessierte können sich am Nationalfeiertag aber online ein Bild von den Fähigkeiten des Bundesheeres machen. Allerdings gibt es nur zwei EU-Staaten, die für ihr Militär noch weniger ausgeben als Österreich. Es stellt sich also die Frage, ob das Bundesheer trotz geringen Budgets seine Aufgaben erfüllen kann.

Ressourcenmangel beim Bundesheer

Es ist mittlerweile schon Tradition, dass Österreich am 26. Oktober sein Bundesheer feiert. Der Vorarlberger Militärkommandant Gunther Hessel erklärt im Interview mit dem ORF Vorarlberg, wie das Bundesheer mit seinen Aufgaben im Alltag zurechtkommt.

ORF Vorarlberg: Herr Hessel, im Zuge der Pandemie war das Bundesheer im Einsatz, unter anderem auch dadurch, dass es Personal für die Teststraßen gestellt hat. Haben Sie sich nicht manchmal auch die Frage gestellt, ob es eigentlich logisch ist, dass es Soldaten sind, die das machen?

Gunther Hessel: Ja, Sie sprechen einen ganz heiklen Punkt an und da danke ich Ihnen sehr für die Frage. Also erstens einmal haben wir uns im Land Vorarlberg sehr lange dagegen gestimmt, vorzeitig in den Einsatz zu gehen, weil für jeden Einsatz des Bundesheeres gilt das sogenannte „Ultima-Ratio-Prinzip“. Nämlich, das Bundesheer soll erst zum Einsatz kommen, wenn niemand anderer mehr kann. Wir hatten nur dann im Frühling die Situation, dass unser Landeshauptmann gesagt hat „Modellregion Vorarlberg, wie machen erste Öffnungsschritte und dazu müssen wir die Test-Kapazitäten hochfahren“. Und es kommt genau der Punkt wo ich gesagt habe: So, jetzt braucht es uns. Wir sind zum Einsatz gekommen, weil wir innerhalb kürzester Zeit das Organisieren, Aufbauen und Umsetzen können und zivile Organisationen sind nicht so rasch dazu in der Lage. Das war für mich die Rechtfertigung, warum wir hier einspringen.

ORF Vorarlberg: Wenn in der Vorarlberger Landespolitik über das Bundesheer gesprochen wird, dann kommt wie das Amen nach dem Gebet der Hinweis auf den Hochwasserfall und die Lawinensituation. Da brauche man in der Notsituation ausreichend Soldaten. Mit einer militärischen Bedrohung im engeren Sinne hat das eigentlich nichts zu tun.

Gunther Hessel: Natürlich ist die subjektive Wahrnehmung in der Bevölkerung hauptsächlich im Katastropheneinsatz zuhause. Warum? Weil das das Wahrscheinliche ist, was sie jetzt einmal unmittelbar betrifft. Wobei dieses Sicherheitsdenken im Land aus meiner Sicht schon relativ ausgeprägt ist. Und das braucht es auch, weil wir ja eigentlich für ganz andere Aufgaben vorgesehen sind, nämlich die militärische Landesverteidigung. Es ist eine Schutz Operation. Es sind Szenarien wie im Zuge einer Krise, z.B. einer Pandemie oder einer Wirtschaftskrise wird die Gesellschaft unterwandert durch extremistische Kräfte. Es gibt gewalttätige Demonstrationen, dann ist plötzlich ein Terroranschlag. Da gibt es vielleicht Cyber-Anschläge und -Angriffe, vielleicht sogar kombiniert mit einem Blackout und schon ist Chaos und wir sind in einer großen Destabilisierungs-Situation.

ORF Vorarlberg: Die Bedrohungsszenarien, die Sie da skizzieren, sind äußerst vielfältig. Kann das Bundesheer das alles?

Gunther Hessel: Das „Know-how“ ist da. Natürlich fehlt es in Bereichen der Ausrüstung und es fehlt vor allem auch an der Ausbildungszeit.

ORF Vorarlberg: Wie viel Ausbildungszeit haben und wie viel hätten Sie gerne?

Gunther Hessel: Wir haben jetzt unsere Grundwehrdiener, die rücken für sechs Monate ein und in diesen sechs Monaten müssen sie zwei Monate zum Assistenzeinsatz an die Staatsgrenze, zum Beispiel im Burgenland oder in der Steiermark und das kostet uns Ausbildungszeit. Man darf nicht übersehen, um einen Soldaten so auszubilden, dass er in diesen Szenarien, dass er Patrouille fahren kann in einem gefährlichen Umfeld, dass er die Infrastruktur schützen kann, dass er sich aktiv gegen einen Gegner stellt, muss er wirklich sehr professionell und intensiv ausgebildet werden, mit moderner Ausstattung.

ORF Vorarlberg: Also gehört der Assistenzeinsatz weg oder der Präsenzdienst verlängert?

Gunther Hessel: Ja, das ist eine ganz klare Schlussfolgerung.

ORF Vorarlberg: Wobei Österreich zuletzt für sein Heer 0,6 Prozent seiner Wirtschaftsleistung ausgegeben hat. In der EU sind es Irland und Malta, die noch weniger ausgeben. Die anderen geben mehr aus. Gibt es da sozusagen ernsthaft die Perspektive, dass es spürbar mehr wird?

Gunther Hessel: Ich kann nur sagen, unsere Ministerin kämpft wie ein Löwe um jeden Cent. Sie hat das erkannt, aber am Ende ist sie auch abhängig von der Regierungsentscheidung und vom Finanzministerium. Und dann muss man sich im Klaren sein, dass unser Bundesheer auch entsprechend ausgestattet sein muss. Will ich einen österreichischen Staatsbürger ungeschützt hier in solchen Szenarien einsetzen? Ungeschützt heißt, dass zum Beispiel der normale Soldat, der Grundwehrdiener ohne Schutzweste hier in den Einsatz gehen soll, eine Patrouille fahren soll und gegen jeden Hinterhalt mit einer Flachfeuerwaffe gefährdet ist. Ich glaube diese Antwort liegt auf der Hand.

ORF Vorarlberg: Dazu ist zuletzt ein Beschaffungsprogramm quasi abgehandelt worden, wo es unter anderem um Radpanzer und Schutzausrüstung gegangen ist. Wie viel davon ist in Vorarlberg angekommen?

Gunther Hessel: Naja, ein bisschen was merkt man schon. Zum Beispiel, das gepanzerte Mehrzweck-Hochgebirgsfahrzeug ist angekommen in Vorarlberg, nämlich acht Stück. Wir beginnen uns vorzubereiten auf den „Black Out“. Es ist überall in allen Medien, dass er hundert Kasernen autark gemacht werden sollen und einige davon als Sicherheitsinseln für die Einsatzorganisationen aufgebaut werden sollen und das soll zum Beispiel unsere Kaserne in Bludesch sehr rasch in diese Richtung investiert werden. Schritt für Schritt geschieht etwas, aber es sind wirklich nur Tropfen auf den heißen Stein.