Neuer Roman von Bilgeri
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Kultur

Bilgeri veröffentlicht zweiten Roman

„Die Liebe im leisen Land“ – im Mittelpunkt von Reinhold Bilgeris zweitem Roman stehen die Covid-19-Pandemie und eine österreichisch-amerikanische Ehe in New York. Das Buch erscheint am 20. Jänner.

Sendehinweis:
Kulturmagazin
19.Jänner 2021, ab 20.00 Uhr

Vor gut 15 Jahren hat der Vorarlberger Reinhold Bilgeri seinen Debutroman „Der Atem des Himmels“ geschrieben. Seither hat sich der Musiker und Regisseur verschiedenen künstlerischen Projekten gewidmet. Die Covid-19-Pandemie hat auch bei ihm zuerst zu Verschiebungen, Absagen und in vielerlei Hinsicht Stillstand geführt. Bilgeri hat die Stille genutzt und legt nun seinen zweiten Roman „Die Liebe im leisen Land“ vor.

Bilgeri veröffentlicht zweiten Roman

„Die Liebe im leisen Land“ – im Mittelpunkt von Reinhold Bilgeris zweitem Roman stehen die Covid-19-Pandemie und eine österreichisch-amerikanische Ehe in New York. Das Buch erscheint am 20. Jänner.

Liebe im Lockdown

Der Reuters-Reporter Thomas Maas aus Wien und die US-Anwältin Amy Alister sind seit fünf Jahren verheiratet. Im Lockdown haben sie sich in ihr 90 Minuten von New York City entferntes Wochenendhaus zurückgezogen und müssen feststellen, dass nichts mehr ist, wie es vorher war – auch ihre Beziehung nicht. Was für die Gesellschaft gilt, gilt auch für „Die Liebe im leisen Land“: Der Ausnahmezustand macht bereits bestehende Verwerfungen deutlicher.

Reinhold Bilgeri: „Die Liebe im leisen Land“, Amalthea Verlag, 208 Seiten, 22 Euro, ISBN 978-3-99050-197-9, erscheint am 20. Jänner.

Nicht nur im öffentlichen Leben der ansonsten rund um die Uhr pulsierenden Metropole ist Stille eingekehrt, auch die Kommunikation zwischen den beiden Partnern ist eingefroren. Spielt der bisher vergebliche Versuch, Kinder zu bekommen, eine Rolle, oder ist es doch die Verschiedenheit der Backgrounds und Charaktere? Er ist ein 45-jähriger, schrulliger Ex-Weltenbummler und Rimbaud-Verehrer, sie ist um zehn Jahre jünger und ehrgeiziger Sprössling einer Upperclass-Familie.

New York während der Pandemie viele Geschäfte geschlossen
Pixabay
New York während der Pandemie

Geisterstadt Manhattan

In den Impressionen aus dem zur Geisterstadt gewordenen Manhattan, wo sich vor den coronabedingt in ihren Kapazitäten eingeschränkten Aufzügen lange Warteschlangen bilden und die vom System beförderte Armut erschreckend sichtbar wird („Zehntausende lebten von Scheck zu Scheck und hangelten sich von Woche zu Woche, krankenversichert nur, solange sie einen Job hatten.“) gelingen Bilgeri die stärksten Passagen.

Momente der Versuchung

Tom wird Zeuge eines Selbstmords, wittert eine spannende Story mit viel „Human Touch“, quält sich zu Fuß 15 Stockwerke hoch, landet im Appartement eines alten, Covid-19-infizierten Ehepaares, das angesichts der zu erwartenden Triage sich eigentlich gemeinsam das Leben hatte nehmen wollen, und trifft dort auf Lucy, eine junge Untermieterin, die ihn um Beistand bittet.

Keine Scheu vor großen Gefühlen

Und Anwältin Amy feiert in einer Kleinstadt 60 Meilen nördlich von Manhattan mit Kunden ein unter Dach und Fach gebrachtes Spitals- und Immobilienprojekt. Ein attraktiver Arzt bringt die fröhlich betrunkene Frau in ihrem eigenen Auto zurück nach New York City. Bilgeri führt nun die Entwicklung an beiden Schauplätzen parallel und scheut sich nicht vor deftigen Bildern und großen Emotionen…

ABD0026_20210115 – WIEN – …STERREICH: ZU APA0203 VOM 15.1.2021 – Autor, Musiker und Regisseur Reinhold Bilgeri am Donnerstag, 15. Dezember 2020, im Rahmen eines Interviews mit der Austria Presse Agentur (APA) in Wien. * G E S P E R R T bis 18.01.21, 00:01 Uhr, frei fŸr Montagausgaben *. – FOTO: APA/HERBERT NEUBAUER – * G E S P E R R T bis 18.01.21, 00:01 Uhr, frei fŸr Montagausgaben *
APA/HERBERT NEUBAUER

Reinhold Bilgeri im Interview

Wie kam es zu „Die Liebe im leisen Land“?
"Ich habe eigentlich an einem ziemlich umfangreichen Romanprojekt recherchiert und geschrieben – über die Ratlines, die Nazifluchtwege, die über den Vatikan finanziert worden sind. Dann kam Corona, und ich musste meine Tournee absagen, die ich zum 70er abhalten wollte. Ich konnte nur drei Konzerte spielen, dann war wieder Lockdown.

Die zwei Filme, die ich vorbereitet hatte, waren dadurch auch nicht zu machen. Da blieb mir gar nichts anderes übrig als zu schreiben. Ich wollte für eine Weile raus aus diesem Nazipfuhl und was ganz anderes machen, eine aktuelle Geschichte. Der Lockdown hat mich auch inspirationsmäßig angesprungen. Plötzlich war diese Ruhe, die ich eh so gut kannte, überall. Ich bin ja eigentlich immer im Lockdown." (lacht)

Wo leben Sie so zurückgezogen?

"Ich lebe am Bodensee, in Wien und zwischendurch in Amerika, weil meine Tochter Laura als Schauspielerin in Los Angeles oder in New York lebt, je nach Arbeit. Sie hat mir während des Lockdowns in New York jeden Tag über Facetime gezeigt, was drüben gerade läuft. So ist sie mit mir durch die leeren Straßen von Manhattan gegangen und hat mir den verwaisten Times Square gezeigt. Das war so gespenstisch, ich kenne die Stadt seit den 70er-Jahren und hab auch längere Zeit in Los Angeles gelebt.

Eigentlich mag ich sie, die Amerikaner, ihren Pioniergeist, ihre Power, und ich hasse, seit diesen letzten Entwicklungen, die unaufgeklärte, reaktionäre Hälfte des Landes. Es war für mich schmerzhaft, was in den letzten vier Jahren alles passiert ist. Das musste ich irgendwie verarbeiten. Zuerst wollte ich eine Short Story schreiben, als großer Fan von F. Scott Fitzgerald, der nicht nur grandiose Romane, sondern auch super Short Stories geschrieben hat, in einer Prosa, die so herrlich jazzy ist und geschmeidig und tänzelnd daher kommt."

Ihr Buch ist kein Roman, sondern eine Novelle.

Vollkommen richtig. Per definitionem würde ein Literaturpolizist sagen: Es ist eine Novelle. Aber wie man es nennt, ist mir egal. Hauptsache, die Leute lesen das Buch. Im Prinzip sind es Szenen einer Ehe, einer österreichisch-amerikanischen Ehe. Der Mann aus Wien-Pötzleinsdorf – das kenn ich auch gut, da habe ich eine Zeit lang gewohnt –, die Frau aus Connecticut. Dieser Kulturclash, der sich zwischen europäischen und amerikanischen Menschen auftun kann, hat mich gereizt. Da wollte ich eine Ehe-Liebesgeschichte schreiben, der die Lockdowns in die Parade fahren…

Im Grunde ist es ein Hohelied auf die Ehe.

„Auch da haben Sie vollkommen recht. Dieses Hohelied entspringt meiner eigenen Seele. Ich bin seit über 30 Jahren glücklich verheiratet und weiß, warum ich ein Hohelied auf die Ehe singe, ganz gegen alle Statistik. Wenn man sich schon bindet, sollte man wenigstens kämpfen ums Happy End. Aber im Buch beginnt die Beziehung durch die Stille, die plötzlich über die Stadt hereinbricht, brüchig zu werden und zu eskalieren. New York im Lockdown ist etwas vom Unwirklichsten, was man sich vorstellen kann, denn diese Stadt ist bekanntlich die Inkarnation pulsierenden Lebens.“

Sie beschreiben Warteschlangen auf den Straßen, nicht vor den Supermärkten, sondern vor den Aufzügen der Wohnhäuser.

„Das haben mir meine Tochter und Freunde, die in Manhattan leben, via Handy gezeigt. Plötzlich mussten die Concierges hart sein und ließen jeweils nur zwei Leute pro Fahrt in den Lift. In Hochhäusern leben aber oft über 1.000 Leute: Also entweder zwei Stunden warten oder in den 20. Stock hochlatschen. Nicht alles, aber sehr vieles, das im Buch steht, ist authentisch.“

Sehen Sie Parallelen zwischen Ihren Tätigkeiten als Autor, Filmregisseur und Musiker?

„Ich schreibe sehr filmisch, ja. Wenn Leute sagen, sie sehen das richtig vor sich, dann ist das für mich das größte Kompliment. Ich lese einen Text tausendmal, bevor ich ihn dem Verlag gebe. Ein Buch ist wie ein Bett, in das man gerne reinkriechen sollte. Da muss alles passen, da muss auch die Sprache dich in die Geschichte holen, denk ich. Ich tausche aus rhythmischen Gründen oft noch Worte aus. Insofern schreibe ich sowohl als Regisseur wie als Musiker.“