Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) und ORF-Redakteur Andreas Feiertag am 14.11.2020 im Landesfunkhaus Dornbirn
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Coronavirus

Wallner: „Es braucht eine Notbremsung“

Nach Bekanntgabe der verschärften Lockdown-Maßnahmen durch die Bundesregierung gibt es Kritik von der Opposition. Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) verteidigte am Samstagabend im Interview mit dem ORF Vorarlberg die Maßnahmen und zeichnete ein bedrohliches Lagebild – insbesondere, was die Spitalskapazitäten angeht.

In Österreich tritt ab Dienstag eine deutliche Verschärfung des derzeit aufrechten Lockdowns in Kraft. Die Ausgangsbeschränkungen gelten ganztags, und es gibt auch verschärfte Kontaktbeschränkungen: Die neuen Regeln gelten vorerst bis 6. Dezember.

Harter Lockdown: Neue Verschärfungen

Ab Dienstag gelten Ausgangsbeschränkungen ganztags, Treffen sind nur mehr mit dem Lebenspartner, eizelnen, engsten Angehörigen und einzelnen wichtigen Bezugspersonen erlaubt. Schulen, Gastronomie und Freizeiteinrichtungen bleiben geschlossen. Die Regeln gelten bis sechsten Dezember.

Lage viel bedrohlicher als im Frühjahr

„Ich hoffe er kommt rechtzeitig“, sagte der Landeshauptmann am Samstagabend im ORF-Interview auf die Frage, ob der harte Lockdown nicht eigentlich zu spät komme. Wenn man sich die Zahlen anschaue, dann sei die Frage berechtigt: „Die Zahlen gehen gerade bei uns durch die Decke. Österreichweit sind wir ja eher vorne mit dabei.“ Das Ganze komme wie ein Tsunami, die zweite Welle sei viel intensiver und früher gekommen, als von den Experten vorausgesagt, so der Landeshauptmann: „Sie ist viel höher und bedrohlicher als im Frühjahr."

In den Spitälern wird es eng

„Es ist mir wirklich ein großes Anliegen, der Bevölkerung zu sagen: Die Lage ist eine wirklich Ernste!“ Die Spitäler hätten diese Woche darauf aufmerksam gemacht, dass die Kapazitäten eng werden und es zu Triagen kommen könnte: „Also das ist wesentlich dramatischer als im Frühjahr“, so Wallner. Er hoffe, dass jetzt alle den Schritt auch mitmachen.

Landeshauptmann Markus Wallner im Gespräch

Nach dem ersten Lockdown im Frühjahr hat man die Pandemie lange Zeit gut im Griff gehabt, jetzt scheint alles aus dem Ruder zu laufen. Hat hier die Politik versagt oder waren die Menschen zu unvorsichtig?

Lockdown eine Notbremsung

Der Lockdown sei die letzte Chance, die Kurve noch zu kratzen, so der Landeshauptmann: „Ich glaube, es braucht so etwas wie eine Notbremsung. Die Zahlen müssen runter, damit unsere Spitalskapazitäten halten.“ Es sei nicht leicht gewesen, der Bevölkerung in den letzten Wochen zu erklären, dass die Sache schwieriger werde, so Wallner.

Im Unterschied zum Frühjahr hätten viele die Lage verharmlost gesehen. „Wer jetzt die Situation in den Spitälern ansieht, der müsste eigentlich erkennen, dass die Lage wirklich ernst ist.“ Auch die Letzten, die glauben, das wäre nur eine leichte Grippe, werden wohl erkennen müssen, dass wenn die Intensivkapazitäten nicht halten es viel ärger sein kann, als man erwartet hätte, so der Landeshauptmann. „Ich glaube, das spricht jetzt eine sehr klare Sprache.“

Disziplin ist der Schlüssel

Er könne die Bevölkerung nur bitten, das einzusehen und mitzuarbeiten. Je schneller und umfassender wir die Kontakte absenken, umso kürzer werde die Zeit sein, die es dauert, so Wallner mit Blick auf Weihnachten. Auf die Frage, ob es noch schlimmer kommen könne als mit dem zweiten harten Lockdown sagte Wallner: „Das hoffe ich nicht. Das hängt sehr an der Disziplin der Bevölkerung und es hängt sehr daran, dass man auch glaubt, was wir sagen.“ Wer jetzt noch an Verschwörungtheorien glaube, solle sich einfach „die nackten Zahlen der Spitäler anschauen.“

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) im ORF-Interview zum harten Lockdown am 14.11.2020 im Landesfunkhaus Dornbirn
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Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) im ORF Landesfunkhaus Dornbirn

NEOS: „Versagen der Bundesregierung“

Der zweite Lockdown sei durch durch Versagen der Bundesregierung unausweichlich geworden, teilt NEOS-Klubobfrau Sabine Scheffknecht mit.„Ziel Nummer eins muss es sein, das Gesundheitssystem nicht zu überlasten! Dafür sind zusätzliche Maßnahmen notwendig. Das ist klar und tragen wir auch mit. Ziel Nummer zwei müssen – im Sinne unserer Kinder – offene Schulen und Kindergärten sein, die auch dem pädagogischen und sozialen Auftrag nachkommen!“ Im Bereich des Testens und der Kontaktnachverfolgung sei der Sommer „abenteuerlich verschlafen“ worden, so Scheffknecht. Das Ende des Regelunterrichts sei das Ende von Bildung. Unternehmen, die jetzt schließen müssen, bräuchten schneller Hilfe, als im Frühjahr.

FPÖ: Schnelle Hilfe gefordert

FPÖ-Landesobmann Christof Bitschi fordert sowohl von der Bundes- als auch von der Landesregierung die Sicherstellung notwendiger Hilfs- und Unterstützungspakete für die Betroffenen. Es müsse jetzt alles unternommen werden, um die betroffenen Betriebe zu retten und Arbeitsplätze zu schützen. Zudem müsse, laut Bitschi, jetzt endlich eine klare Corona-Gegenstrategie entwickelt werden: „Klar muss sein: Es kann nicht alle paar Wochen und Monate das gesamte Land zugesperrt und so langfristig an die Wand gefahren werden, sondern es muss endlich gemeinsam eine vernünftige Corona-Gegenstrategie entwickelt werden, um weitere Lockdowns zu verhindern“. Es brauche deshalb endlich einen wirksamen Schutz der wirklich bedrohten Risikogruppen und ausreichend Kapazitäten für ein funktionierendes Contact Tracing.

IV: Strategie statt Schocktherapien

„Auch wenn das Verständnis schwindet und es uns noch so schwerfällt, wir müssen uns solidarisch an die verschärften Maßnahmen halten und weiter Lernen mit Corona umzugehen", so der Präsident der Vorarlberger Industriellenvereinigung (IV) Martin Ohneberg. "Allerdings muss uns spätestens jetzt klar sein, dass wir mit weiteren solchen Schocktherapien nicht nur die Gesellschaft und Wirtschaft als Ganzes nachhaltig schädigen, sondern vielen Bevölkerungsgruppen – insbesondere jungen Menschen – wichtige Zukunftsperspektiven verbauen“, so der IV-Vorarlberg Präsident. Es brauche endlich eine Strategie unter Beiziehung von technischen Hilfsmitteln wie der Corona-App des Roten Kreuzes, einer umfassenden Test- und Tracingstrategie mit Anerkennung von Antigentests und kürzeren Quarantänezeiten.