Tastatur mit Würfel mit Geschlechtersymbolen
Falko Müller/stock.adobe.com
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Weltfrauentag

Wenn Sprache Mann und Frau meint

Seit über vierzig Jahren wird im deutschen Sprachraum sprachlich gegendert. Als erstes Medium verwendete die Berliner „Tageszeitung“ die männliche und weibliche Form. Doch überall durchgesetzt hat es sich bis heute nicht. Wie steht es im Vorfeld des Weltfrauentages um eine Sprache, die Frauen und Männer ansprechen soll?

Sprachlich gendern ist bei vielen Institutionen, etwa bei Behörden und Universitäten – längst gang und gäbe. Beispiele:
– das Binnen-I (zum Beispiel: InternetuserInnen)
– die Aufzählung (Internetuserinnen und Internetuser)
– geschlechtsneutrale Formulierung (das Team statt die Mannschaft)
– das * als Schriftzeichen für das dritte Geschlecht (Internetuser*innen)

Sprache bildet Wirklichkeit ab

Im Alltag dagegen nicht, dabei gäbe es gute Gründe dafür, sagt Tanja Kopf, die Frauenreferentin im Amt der Vorarlberger Landesregierung: „Sprache bildet Wirklichkeit ab. Mitgemeint ist zu wenig. Wenn Frauen nicht genannt werden, ist es immer noch eine Welt der Männer. Gendern macht die Sprache auch im Alltag nicht komplizierter, das ist meine Erfahrung.“

Ein Beispiel: Wenn Ärzte eine neue Grippeimpfung entwickelt haben, stellen wir uns ein Männerteam vor, selbst wenn in Wirklichkeit auch Ärztinnen dabei waren. „Dabei belegen sozio-linguistische, psycho-linguistische und psychologische Studien ganz klar, dass Frauen nicht mitgemeint sind oder sich nicht mitgemeint fühlen, wenn die männliche Form verwendet wird“, sagt Martin Reisigl, Assistenzprofessor am Institut für Sprachwissenschaft an der Universität Wien.

Tanja Kopf, Frauenreferentin Landesregierung
A. Serra
Tanja Kopf, Frauenreferentin im Amt der Vorarlberger Landesregierung

Warum ist die deutsche Sprache männlich dominiert?

Woher kommt es aber, dass die männliche Form üblicherweise Männer und Frauen gegolten hat, Frauen also mitgemeint waren? Eine Nachfrage beim Institut für Sprachwissenschaften der Universität Wien ergab: „Die männliche Form stand gerade bei Besitz und Wahlrecht für alle, weil Frauen ja ohnehin bis vor 100 Jahren nicht wählen durften und meist auch nichts besaßen. In der Schweiz beispielsweise ist das Frauenstimmrecht in den 1950-er Jahren mit dem Argument nicht eingeführt worden, dass das Wort „Schweizer“ sich auf Männer und nicht auf Frauen beziehe. „Bürger" war in der Geschichte die längste Zeit rein männlich gemeint, weil in den entsprechenden Rechtssystemen Frauen ausgeschlossen waren. Aber allmählich würde diese Geschlechterdiskriminierung politisch angefochten. Dass die langandauernde Exklusion von Frauen (auch sprachlich) mit den patriarchalen Strukturen zu tun, ist bestimmt zutreffend. Erst als Frauen in Männerdomänen vorgestoßen sind, stellt sich die Frage des sprachlichen Genderns“, sagt Sprachwissenschaftler Reisigl.

Die Sprachwissenschaftlerin und Lektorin Karin Wetschanow von der Universität Klagenfurt, ergänzt und zeigt auf, wie komplex das Thema ist: „Wenn wir etwa sagen „Ich gehe zum Friseur", dann meinen wir gemeinhin, dass wir eine Institution aufsuchen, in der die Dienstleistung „Haare schneiden“ angeboten wird. Obwohl diese Berufsgruppe traditionell weiblich dominiert ist. Ich möchte an dieser Stelle auch klarstellen, dass „gendern“ keine am Reisbrett erdachte Strategie wahnsinnig gewordener Feminist*innen oder Queeraktivist*innen ist, sondern der Ausdruck einer Gesellschaft, die sich ändert.“

Wie Behörden und Medien gendern

Im Amt der Landesregierung gibt es einen exakten Leitfaden, wie geschlechtergerecht formuliert werden sollte: „Jede Person“ statt „jedermann“, „Mitarbeitende“ kann der Einfachheit halber statt „Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen“ verwendet werden, statt „fachmännische Auskunft“ wird im Leitfaden „fachkundige Auskunft“ vorgeschlagen.

Verkehrsschild mit zweierlei Schriften: Dozentin und Dozent
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Sprache gestaltet, wie wir die Welt sehen

Gendern in den Medien als Herausforderung

Sprache verändert sich ständig und Medien spielen dabei eine wesentliche Rolle, daher gibt es auch beim ORF Empfehlungen der Arbeitsgruppe für Gleichstellung an die Redakteurinnen und Redakteure: „Die eine korrekte gendergerechte Ausdrucksweise gibt es nicht. Am besten werden die verschiedenen Möglichkeiten je nach Kontext sinnvoll miteinander kombiniert:
– Aufzählung (Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter),
– Umschreibung (das Fachgremium, die Belegschaft),
– neutrale Wörter (Person, Lehrkraft, Erziehungsberechtigte),
– Adjektive statt männlicher Personenbezeichnung (ärztlicher Rat statt Rat des Arztes).

Gerade in den Medien ist es aber auch eine Herausforderung, geschliffen und gekonnt sprachlich zu gendern. Die stellvertretende Chefredakteurin der Vorarlberger Nachrichten, Hanna Reiner, sagt: „Im Journalismus sind kurze, gut leserliche Texte ohne Wiederholungen gefordert, vor allem in Zeitungen, wo der zur Verfügung stehende Platz äußerst knapp ist. Wir bemühen uns täglich, die Lesbarkeit von Texten zu gewährleisten. Vor allem in der direkten Ansprache der Leserinnen und Leser dokumentieren wir, dass wir auch hier einen Veränderungsprozess angestoßen haben.“