Ausstellung

Zeitzeugen-Ausstellung im Jüdischen Museum

Die „Gemachtheit“ von Erinnerung steht im Zentrum der neuen Ausstellung des Jüdischen Museums Hohenems. „Ende der Zeitzeugenschaft?“ beschäftigt sich nicht primär mit dem Inhalt von KZ-Überlebenden-Interviews, sondern hinterfragt die Entstehung und gesellschaftliche Rolle dieser Zeugendokumente im Laufe der Zeit.

„Es gibt viel Material zum Nachdenken“, so Direktor Hanno Loewy über die Ausstellung. Die aus umfangreichem Video- und Audiomaterial bestehende Schau, die in Kooperation mit der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg entstand und in Hohenems bis 13. April 2020 zu sehen ist, erregte laut Loewy und Flossenbürg-Gedenkstättenleiter Jörg Skriebeleit in der Fachwelt bereits einiges Aufsehen.

Ende der Zeitzeugenschaft?

Mit einer Ausstellung reagiert das Jüdische Museum Hohenems auf den Tod der letzten Augenzeugen des Holocaust.

So wird das Ausstellungskonzept, das die Häuser mit eigenem Material bestücken, später in München und Berlin zu sehen sein, weitere Museen dürften folgen.

Loewy: „Letzte Überlebende treten von Bühne ab“

Die Frage, wie man mit dem näher rückenden Ableben der letzten Überlebenden des NS-Regimes umgehen soll, stelle sich seit 20 Jahren, so Loewy. „Das Leben ist endlich. Die letzten Überlebenden treten von der öffentlichen Bühne ab und der Moment kommt näher, dass sie nicht mehr da sind“, sagte Loewy.

Eine Frau sitzt neben Männern auf einer Couch
Jüdisches Museum Hohenems
Die Auschwitz-Überlebende Hanna Bloch Kohner (Mitte) wurde während des Kalten Krieges beinahe zur Statistin einer Fernseh-Show über ihr Leben.

„Wir treffen mit der Ausstellung einen Nerv der Zeit, bisher hat sich da niemand rangetraut“, so Skriebeleit. Ein Museum im peripheren Raum biete die Chance an Themen anders heranzugehen, als an großen, symbolischen Orten. Hohenems gehöre zu den interessantesten Museen Europas, „weil es so ein Denkraum ist“, betonte Skriebeleit. Es gehe in der Schau darum, Fragen zu stellen, keine Antworten zu geben, und zu zeigen, dass „Erzählungen immer geformt“ seien, dabei wolle man aber die Würde des Individuums ernst nehmen.

Besucher können Blick hinter Interview-Kulissen werfen

Bereits in den 1940er-Jahren wurde damit begonnen, die Erzählungen von Zeitzeugen des NS-Regimes, von Überlebenden der Konzentrationslager, aufzuzeichnen und für die Nachwelt in Film und Ton festzuhalten. Man wolle den gesamten Prozess der „Gemachtheit“ dieser Zeitzeugeninterviews zeigen, so Kuratorin Anika Reichwald.

Eine alte Schreibmaschine
Jüdisches Museum Hohenems
Die Reiseschreibmaschine des US-amerikanischen Schriftstellers und Journalisten Meyer Levin, der das Tagebuch der Anne Frank ins Englisch übersetzte.

Dazu stellt das Jüdische Museum Hohenems diese Interviews den Besuchern in voller Länge zur Verfügung, oft über zwei Stunden Material, inklusive aller Unterbrechungen, Zwischentöne, Interviewer-Nachfragen, Licht- oder Bandausfällen. Der Besucher kann damit hinter die Kulissen dieser oft wie in einer dramaturgischen Szenerie erstellten Dokumente blicken, der Blick darauf verändert sich.

Die Ausstellung wird am 10. November eröffnet. Die Eröffnungsrede hält Michael Köhlmeier.