Migrationsexperte Gerald Knaus im ORF-Interview
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Chronik

Experte fordert faire Rückführungsabkommen

Der gebürtige Hittisauer Gerald Knaus gilt als einer renommiertesten Experten für Migrationspolitik. Seine Hauptthese: Das Ziel müsste es sein, weniger Grenzen zu schließen und dafür mehr Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern zu schließen.

Der Alte Rhein zwischen Hohenems und der Schweizer Gemeinde Diepoldsau ist für den gebürtigen Bregenzerwälder Migrationsexperten Gerald Knaus ein Musterbeispiel dafür, wie sich – historisch gesehen – Völkerverständigung zum Positiven verändern kann: „Das war eine tödliche Grenze, wo Wiener Juden in großer Zahl, zu Tausenden, versucht haben, von Hohenems in die Schweiz zu kommen, um in Sicherheit zu sein.“ In Diepoldsau gab es nämlich ein Aufnahmezentrum für Flüchtlinge. Oft seien sie aber auch wieder zurückgeschickt worden, sagt Knaus. Und dann führte der Weg oft in ein Konzentrationslager.

Experte zur Flüchtlingssituation in Europa

Der Alte Rhein zwischen Hohenems und der Schweizer Gemeinde Diepoldsau ist für den Migrationsexperten Gerald Knaus ein Musterbesipiel dafür, wie sich – historisch gesehen – Völkerverständigung zum positiven verändern kann.

Seither hat sich viel verändert. Österreich und die Schweiz seien Teil eines „grenzenlosen Europas“ geworden, so Knaus. „Und heute haben wir hier eine Grenze – obwohl die Schweiz nicht in der EU ist – die man gar nicht mehr wahrnimmt. Und das ist nun doch eine recht erstaunliche und dramatische Geschichte, die uns zeigt, wie sehr sich Dinge positiv verändern können.“

Unverständnis über Lehrlingsregelung

Als Beispiel nennt Knaus die Balkanroute, die – auch wenn Populisten bis heute das Gegenteil behaupten würden – niemals geschlossen werden konnte. „Die Balkanroute war in den letzten drei Jahren natürlich nicht geschlossen, denn die, die Griechenland erreicht haben, haben es weiterhin geschafft. So hat man, um das zu verschleiern, die Balkanroute umbenannt. Dann sprach man auf einmal über die Albanienroute oder die Moscheenroute.“

Seenotretter auf dem Meer
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NGO-Boote vergleicht Kaus mit der Feuerwehr – auch sie würden Menschen in Not retten.

Die Flüchtlingsströme in die EU und auch nach Österreich haben drastisch nachgelassen. Umso unverständlicher für Knaus, dass in Österreich auch gut integrierte Lehrlinge kurz vor dem Lehrabschluss vielfach abgeschoben werden. In Deutschland sei man da viel pragmatischer. Dort dürfen Asylwerber ihre Lehre nicht nur abschließen, sondern nach dem Abschluss noch zwei Jahre bleiben. Selbst wenn sie in ihre Heimatländern zurückkehren würden, würden sie Erfahrungen mitbringen, so Knaus: „Davon profitieren alle. Währenddessen die punktuelle Abschiebung von Einzelnen niemanden daran hindern wird, zu kommen.“

Knaus rät zu Rückführungsabkommen

Zum Thema Seenotrettung sagt der Experte: „Wir müssen einen Weg finden, dass weniger Menschen in die Boote steigen, aber gleichzeitig die, die in den Booten sind, gerettet werden.“ Sein Mittel der Wahl sind Rückführungsabkommen mit den Herkunftsländern. „Denn sehr viele, die über Italien kamen, bekommen am Ende keinen Schutz, werden nicht als Flüchtlinge anerkannt. Die machen sich auf den Weg, weil sie wissen, es wird niemand abgeschoben aus Europa. Und da bräuchten wir Einigungen mit den Herkunftsländern, die im beiderseitigen Interesse Anreize geben, sich gar nicht erst nach Libyen zu begeben.“