Christoph Englert
FLI_Nadine Grimm
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„Focus“

Der sonderbare Zahn der Zeit

Wie läuft Alterung eigentlich ab? Über das große Rätsel des Alterns und heutige Erkenntnisse spricht in „Focus“ Professor Christoph Englert von der Friedrich-Schiller-Universität in Jena. Aufgenommen wurde der Vortrag beim Animalicum in Bregenz.

Englert gibt zu bedenken, dass niemand alt werden will. Mittlerweile wird das Alter derart negativ gesehen, dass sich der Mensch nun eher damit beschäftigt, wie man denn den Alterungsprozess gar abschaffen, zumindest wie man ihn hinauszögern könnte. Dabei wird der Mensch ohnedies zunehmend älter, die Lebenserwartung steigt in etwa um drei Monate pro Jahr.

Die maximale Lebensdauer ist je nach Spezies extrem unterschiedlich. Bei Menschen liegt sie derzeit bei höchstens 120 Jahren. Weil sich diese Grenze seit mehreren tausenden Jahren gehalten hat, geht Englert – entgegen anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern – davon aus, dass der Mensch diesen Grenzwert von 120 Jahren nur sehr schwer, wenn überhaupt durchbrechen kann.

Der Wunsch, möglichst lange zu leben

Altersforscher Christoph Englert kommt in seinem Vortrag auch auf diesen Wunsch, möglichst lange zu leben, zu sprechen. Er beschreibt auch konkrete Interventionsmöglichkeiten, an denen geforscht wird. Der fragwürdige Wunsch, das Leben zu verlängern – etwa durch die Einnahme von Pillen oder auch durch sogenannte Reprogrammierung – hat auch die gesamte Welt der Forschung auf den Kopf gestellt.

Bislang fand Forschung im akademischen Bereich statt, an Universitäten oder außeruniversitären Instituten. Das hat sich nun geändert, gibt Englert zu Bedenken. Der reichste Mann der Welt, Amazon-Gründer Jeff Bezos, hat ein eigenes Forschungsteam zusammengestellt. Das Unternehmen „Altos-Labs“ soll an der Verlängerung des Lebens bzw. an der Unsterblichkeit forschen.

Christoph Englert
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Prof. Dr. Christoph Englert ist Biochemiker und Professor für Molekulare Genetik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena bzw. am Leibniz-Institut für Alternsforschung – Fritz-Lipmann-Institut e.V. Jena (D), Leiter der Forschungsgruppe Molekulare Genetik des Alterns. Im Jahr 2010 erhielt er den Max-Bürger-Preis der Deutschen Gesellschaft für Gerontologie und Geriatrie und 2018 den Thüringer Forschungspreis. Er ist fasziniert von genetischen Programmen und biochemischen Signalwegen, die die Lebensspanne steuern. Und davon, wie sie durch Umweltfaktoren beeinflusst werden können.

Sendungshinweis

„Focus“ – Themen fürs Leben bei ORF Radio Vorarlberg, 2. März 2024, 13.00 bis 14.00 Uhr

Neugierde und geistige Beschäftigung

„Jetzt haben wir plötzlich hier einen sehr finanzstarken, mächtigen Player, der aus dem privaten Bereich kommt. Und das ändert tatsächlich die Forschung. Wir wissen nicht genau, wie reden wir mit den Kollegen jetzt eigentlich bei Kongressen, erzählen wir denen irgendwas, erzählen die uns irgendwas usw. Wir werden sehen, wohin uns das führt", sagt Englert.

Er bringt ein persönliches Beispiel, um zu zeigen, wie man vielleicht gut altern kann, ganz ohne Einnahme von neuen Drogen. Seine Tante, die 102 Jahre alt wurde, war eine gepflegte Dame, sie behielt sich ihre Neugierde und spielte Bridge, ein sehr intellektuell anspruchsvolles Spiel. Selbstdisziplin, Neugierde und geistige Beschäftigung nennt Englert von der Universität Jena als Mittel, ein hohes Lebensalter zu erreichen. Von künstlichen Verlängerungsmethoden hält der Alternsforscher wenig. Wichtiger ist ihm, endlich das Alter von der Assoziation der Krankheit zu befreien.