Was meint man überhaupt mit der Idee der Stärke? Handelt es sich um Eigenschaften wie beispielsweise Durchsetzungsfähigkeit, Belastbarkeit und Effizienz oder eher um Kompetenzen der Selbstentfaltung, Beziehungs- und Lebensgestaltung? Der Vortrag von Christoph Kolbe zeigt, welche Kompetenzen wir hierfür brauchen und wie diese gefördert werden können: Damit wir dem Leben und unserer Welt mit ihren Herausforderungen authentisch begegnen können.
Existenzielle Persönlichkeitsförderung
Dr. Christoph Kolbe ist Existenzanalytiker und will insofern Impulse existenzieller Pädagogik geben. Unter einer existenziellen Persönlichkeitsförderung versteht er zunächst jemandem dabei zu unterstützen, sein Leben zu gestalten. Und zwar so, dass es als erfüllend erlebt wird.
„Am Schluss unseres Lebens möchten wir auf dieses Leben blicken können und sagen: ‚Das habe ich gelebt‘", sagt Kolbe: "Also ich stelle mir das als eine der schwierigsten und schlimmsten Erfahrungen vor, wenn ich noch einmal diesen Rückblick hielte, um dann festzustellen, wenn es nach mir gegangen wäre, hätte ich ein ganz anderes Leben gelebt. Leider ging es nicht nach mir. Verstehen Sie? Wenn man mal verstanden hat, dass jeder von uns das Leben nur einmal hat, dann haben Sie eigentlich keine Stunde mehr zu verschenken.“
Sendungshinweis
„Focus“ – Themen fürs Leben bei ORF Radio Vorarlberg, 27. Jänner 2024, 13.00 bis 14.00 Uhr
Das Kind sehen und erkennen
Kolbe sieht gewisse Bedingungen für die Persönlichkeitsförderung: Kinder sind – wie jeder Mensch – darauf angewiesen, in ihrer Einmaligkeit und Einzigartigkeit gesehen und erkannt zu werden. Kinder brauchen das Gegenüber, das sie spiegelt, sie brauchen Rückmeldungen.
„Eine gute Pädagogik lebt davon, dass Eltern und Erzieherinnen und Erzieher, Lehrerinnen und Lehrer die Fähigkeit haben, das Kind zu sehen", meint Kolbe: "Das ist sehr anspruchsvoll, weil die Frage ist: ‚Sehe ich das Kind oder sehe ich meine Idee des Kindes?‘ Gute Erziehung besteht darin, dass das, was wir sehen, etwas ist, was dem Kind gerecht wird, was ihm Rechnung trägt. Dann fühlt man sich gesehen und in dem erkannt, was die Intention war. Das sind wunderbare Momente.“
Erziehung ist die Fähigkeit, einem Kind zu begegnen
Kinder brauchen also die Begegnung. Christoph Kolbe sagt sogar – Erziehung ist die Fähigkeit einem Kind zu begegnen: „Wenn es wirklich eine Begegnung ist und nicht einfach nur ein Aufeinandertreffen, dann entstehen Fragen: ‚Hey, wer bist du? Hey, was geht noch? Ist das wirklich so in Ordnung für dich? Willst du das tun? Willst du das selber tun oder tust es nur mir zuliebe?‘ Das sind Anfragen an das Kind. Begegnungen stiften Anfragen. Was ich nicht vorgebe, ist die Antwort des Kindes. Darin ist es frei. Das ist sein Hoheitsraum, seine Würde. Die Würde des Menschen besteht darin, die eigene Antwort zu geben.“
Zur Person:
Dr. Christoph Kolbe ist Erziehungswissenschaftler, Psychologischer Psychotherapeut (Tiefenpsychologie) und Existenzanalytiker in Hannover. Lehrausbilder für Existenzanalyse & Trainer für Führungskräfte im Mittelstand und im Non-Profit-Bereich. Kolbe ist Ehrenmitglied der Gesellschaft für Logotherapie und Existenzanalyse International.