Alexander Batthyany
Larissa Batthyany
Larissa Batthyany
„Focus“

Alexander Batthyány – Die Freiheit, die aus Fürsorge erwächst

Mitunter realisiert der Mensch seine Lebendigkeit erst angesichts des Todes. Lebendigkeit und Sterben – was nach einem krassen Widerspruch klingt, ergänzt sich eigentlich gut, sagt Universitätsprofessor Dr. Alexander Batthyány. Er ist Philosoph, Kognitionswissenschaftler sowie Psychotherapieforscher und leitet das Viktor-Frankl-Institut in Wien.

So verwundert es dann weniger, wenn Professor Batthyány bei einer Tagung zum Thema „Der Lebendigkeit Raum schenken“ – über das Sterben sprach. Es gibt eben unvermutete Paradoxien des Daseins.
Auch der Vortragstitel von Professor Alexander Batthyány klingt vermeintlich nach einem Widerspruch: „Die Freiheit, die aus Fürsorge erwächst.“

Zur Person: Alexander Batthyány ist ein österreichischer Philosoph, Kognitionswissenschaftler und Psychotherapieforscher. 2013 wurde er als Professor an den Viktor Frankl Lehrstuhl der Internationalen Akademie für Philosophie im Fürstentum Liechtenstein berufen, wo er bis 2020 tätig war. Seit 2020 ist er Direktor des Forschungsinstituts für Theoretische Psychologie und Personalistische Studien an der Katholischen Péter-Pázmány-Universität in Budapest. Dr. Batthyány ist Vorstand des Viktor Frankl Instituts in Wien.

Normalerweise wird man ja denken Fürsorge heißt Verpflichtung, Verbindlichkeit und eigentlich gar keine Freiheit. Aber jemand, der jemanden gepflegt hat, oder jemand, der Kinder hat, weiß um diesen Widerspruch. Man könne den Titel auch umdrehen, sagt Alexander Batthyány: Fürsorge, die aus Freiheit erwächst.
„Sie erwächst nämlich in dem Augenblick, wo der Mensch bereit ist, über den Tellerrand des eigenen Ichs hinauszublicken. Auf einmal ist die Welt unglaublich groß, und was er für ein Gefängnis hielt, entpuppt sich als Eintrittskarte in einen Kosmos, der wir sind.“

Professor Batthyány erzählt von seinen sehr persönlichen Erfahrungen in einem Moskauer Hospiz. In einer solchen Einrichtung, sagt Dr. Batthyány, herrscht ein Frieden, der anderswo kaum vorfindbar ist. Niemand erwartet mehr etwas von einem in den letzten Lebenswochen, man verspürt keinen Druck mehr, man muss nicht schön sein, man muss nicht mehr reüssieren. Endlich darf man so sein, wie man ist, endlich bist du ganz Du. Diese Haltung wäre es eigentlich Wert in den Alltag herüber zunehmen, sagt Batthyány.

Es geht im Hospiz ums angenommen werden – und zwar so wie man ist, betont Professor Batthyány. Dazu sind zwei Haltungen Fürsorgenden notwendig: Wohlwollen und Barmherzigkeit. Das klingt nicht nur altmodisch, sondern ist auch sonst in einer heillos erkrankten Welt, schwierig umzusetzen, sagt Alexander Batthyány.

Sendungshinweis

„Focus“ – Themen fürs Leben bei ORF Radio Vorarlberg, 4. November 2023, 13.00 bis 14.00 Uhr

Man kennt manchmal sehr weise Menschen, die man als total stimmig erlebt. Batthyány: „Vielleicht kennen Sie das Gefühl, dass es Menschen gibt, bei denen man ankommt, also wo man sozusagen sich einfach wohlfühlt, die haben eine heilsame Ausstrahlung. Und das ist nicht, weil sie mehr sind, sondern weil sie ganz und gar sie selbst sind, weil viel unnötige Fassade etc. einfach mal abgemacht wurde, weil sie einfach normale Menschen sind.“

Dafür braucht es auch die richtigen Ratgeber, eine Weisheit in uns. Alexander Batthyány rät mehr aufs eigene Herz zu hören – oder auf jene innere Instanz, die Viktor Frankl mit dem „Gewissen“ gemeint hat.

Es geht darum einfach „nur“ Mensch zu sein. Und genau das ist alles andere als einfach. In der jüdischen Tradition ist das sogar das höchste Ziel – ein “Mensch“ zu sein. (To be a Mentsch). Menschliches Handeln, ganz und gar man selbst zu sein, einfach für jemanden wohlwollend da sein und mit dem Herzen zuhören – das hat jedenfalls eine heilsame Wirkung. Aus dieser Fürsorge erwächst Freiheit, sagt der Leiter des Viktor-Frankl-Instituts in Wien Alexander Batthyány.