Svenja Flaßpöhler
Florian Lechner
Florian Lechner
„Focus“

Svenja Flaßpöhler: Der Umgang mit Hass

Die Philosophin und Chefredakteurin des Magazins „Philosophie“, Svenja Flaßpöhler, sprach beim Philosophicum 2022 in Lech über den Umgang mit Hass im Internet. Sie betonte, dass Hate-Speech nicht zu unterschätzen sei, da Sprache verletzen und zerstören kann.

Seit Menschen vermeintlich anonym im Internet vielen mitteilen können, was ihnen alles missfällt, halten sie sich oft gar nicht mehr zurück. Ein Shitstorm kann da mitunter zu einer handfesten Hassrede ausarten. Dieser Hass richtet sich oft gegen konkret gemeinte Menschen. Eine, die das selbst verspüren musste, ist die Philosophin und Chefredakteurin des Magazins „Philosophie“, Svenja Flaßpöhler. Beim letzten Philosophicum in Lech sprach sie über den Umgang mit Hass. In liberalen Gesellschaften gehöre auch das Hassen zur Freiheit dazu, sagt sie.

Sprache verletzt, Sprache zerstört

Die Anonymität im Internet macht vieles schlimmer – oder wie es der französisch-jüdische Philosoph Emmanuel Lévinas formuliert hat: Was uns davon abhält, den anderen zu töten, ist das Antlitz.
Philosophin und Journalistin Svenja Flaßpöhler weist darauf hin, dass sich der Gewaltbegriff sehr weit ausgedehnt habe und das sei natürlich in vielerlei Hinsicht auch gut so. Hate-Speech sei nicht zu unterschätzen, denn Sprache verletzt, Sprache zerstört. Das Problem sei allerdings, dass unklar werde, wo die Grenze des Zumutbaren verlaufe. Ein Kriterium sei dabei sicher, ab wann jemand verletzt werde, etwa eine psychische Verletzung, ein Trauma, erlitten habe.

Ängste in der Gesellschaft

Svenja Flaßpöhler nennt das extreme Beispiel der kurdischstämmigen deutschen Rechtsanwältin Seyran Ates, die zig Morddrohungen erhalten hat und die sich ohne Polizeischutz kaum mehr wohin wagen kann. Diese Frau sagt: Natürlich brauche ich auch immer mal wieder eine dicke Haut. Ich kann nicht alles immer an mich herankommen lassen, aber die dicke Haut darf mein Herz nicht erdrücken.

Unsere liberale Aufmerksamkeitsgesellschaft schüre Angst, sagt Svenja Faßpöhler. Nämlich die Angst davor, nicht mehr gemocht zu werden, die Angst, keine Aufmerksamkeit mehr zu kriegen, die Angst, aus der Community ausgeschlossen zu werden, die Angst, einen Shitstorm zu bekommen. Diese Ängste in unserer Gesellschaft führten dazu, dass die Leute das Gefühl hätten, sie könnten ihre Meinung nicht mehr sagen.

Sendungshinweis

„Focus“ – Themen fürs Leben bei ORF Radio Vorarlberg, 11. September 2023, 13.00 bis 14.00 Uhr

Mut zur Meinungsäußerung

Jemand, der nicht Angst hat, ist auch nicht mutig, sagt Svenja Flaßpöhler in Anlehnung an Aristoteles. Wegen diverser Ängste haben Menschen mitunter also dieses Gefühl, ihre Meinung nicht mehr sagen zu können. Svenja Flaßpöhler versucht hier wieder zu ermutigen, man dürfe nicht Angst haben wegen seiner Meinung gehasst zu werden.

Svenja Flaßpöhler meint, dass wir alle, wenn wir uns zu sehr fürchten vor diesem Ausschluss, auch vor dem Gehasst werden, an einer „Verengung des Sagbaren“ mitarbeiten. Wir alle zurren die Grenze des Sagbaren enger, weil wir nicht mehr das sagen, was wir vielleicht sagen würden, es aber nicht tun, weil wir eben lieber gemocht werden wollen.

Deshalb plädiert die Chefredakteurin des Magazins „Philosophie“ dafür, dass wir tatsächlich den Mut haben müssen, mit dem Hass umzugehen, mit ihm vielleicht auch zu rechnen. Nur auf diese Art und Weise werde sich der Hass vielleicht auch irgendwann wieder in eine normalere Diskurskultur verwandeln. Als Schutzmechanismus gefühllos zu versteinern, schade jedenfalls einem selbst. Flaßpöhler: „Ich glaube tatsächlich, dass das die beste Widerstandskraft gegen den Hass – und auch gegen die Versteinerung – ist, sich die Lebendigkeit zu bewahren.“ Es hilft, sensibel und offenzubleiben, das würde – sagt die Philosophin und Journalistin – von innen schützen.

Zur Person:

Svenja Flaßpöhler wurde 1975 in Münster geboren, wo sie Philosophie, Germanistik und Sport studierte und über „Pornographie und das moderne Subjekt“ promovierte. Sie ist Chefredakteurin des „Philosophie Magazins“ und hat zahlreiche Bücher zu philosophischen Fragen veröffentlicht, darunter ihren Beitrag zur #MeToo-Debatte „Die potente Frau. Für eine neue Weiblichkeit“ Zuletzt erschien „Sensibel. Über moderne Empfindlichkeit und die Grenzen des Zumutbaren“ bei Klett-Cotta.