Andreas Brenner ist ein deutsch-schweizerischer Philosoph und Hochschullehrer.
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„Focus“

Andreas Brenner: Altern als Lebenskunst

Philosoph Professor Dr. Andreas Brenner von der Universität Basel spricht bei den Palais-Gesprächen in Feldkirch über das Alter. Er plädiert für ein positives Bild des Alterns und kritisiert die Anti-Aging-Medizin und das Altersmarketing. Brenner sieht im Alter die Chance unseres Lebens.

Brenner beginnt seinen Vortrag mit dem Altersparadoxon, das schon Cicero benannt hat: Alle wollen alt werden, aber niemand will alt sein. Dieses Paradoxon zieht sich durch die Geschichte des Alterns und betrifft uns alle. Man kann aber nicht alt werden wollen, ohne alt sein zu wollen. Wenn man das eine will, muss man das andere aber auch mit in Kauf nehmen. Selbst wenn einem die Anti-Aging-Medizin andere Versprechungen dazu macht – nach Ansicht von Andreas Brenner sind das falsche Versprechungen, die dem Wohlbefinden schaden.

„Alter ist keine Krankheit“

Auch das Altersmarketing, das alte Menschen für sich als Zielgruppe entdeckt hat, macht Druck: alte Menschen sollen sich fit halten, sich stylen – kurz: sich jung geben. Gespielte Fröhlichkeit verstellt aber laut Andreas Brenner den Zugang zu uns selbst, zu tieferen Gefühlen, wie beispielsweise der Trauer. „Trauer darf in einer marketingorientierten Welt nicht vorkommen. Man muss ja immer fröhlich, leicht und lächelnd sein.“

Brenner sagt, man dürfe das Alter nicht als Leid sehen. Bereits Jakob Grimm (einer der beiden Gebrüder Grimm) sagte schon, man müsse von dieser Defizitorientierung wegkommen. Alter ist keine Krankheit. Alter ist kein Leiden und Alter ist kein Mangel.

Sendungshinweis

„Focus“ – Themen fürs Leben bei ORF Radio Vorarlberg, 9. September 2023, 13.00 bis 14.00 Uhr

Oft heißt es, man ist nur so alt, wie man sich fühlt. Das klingt positiv, ist es laut Professor Brenner aber nicht: „Wer diesen Satz gebraucht, dem geht es gut. Niemand, dem es altersbedingt sehr schlecht geht, sagt, man ist so alt, wie man sich fühlt. Das ist ein typischer Satz der hochdynamischen Senioren, wiederum inspiriert durch das Marketing. Also das biologische Alter spielt keine Rolle. Da will ich dagegenhalten: Es spielt natürlich eine Rolle. Die Biologie hat immer noch die Oberhoheit, die Macht.“

Diese Altersthese baut laut Dr. Brenner Druck auf: „Liegt es doch an Ihnen, wenn Sie denken mit 80 könnten Sie nicht mehr Fallschirmspringen.“ Er weist diese Formel strikt zurück, sie sei sogar lebensfeindlich. Alter gehört nämlich zum Leben. Sich alt zu fühlen, ist ein vollkommen legitimes Gefühl. „Diese These spaltet auch die Gesellschaft in die Jungen und Fitten und die weniger fitten. Und auch deshalb tut sie uns nicht gut“, sagt Philosoph Andreas Brenner.

Der Philosophieprofessor der Uni Basel macht sich dafür stark, das Alter nicht als Problem zu sehen. Er stellt in diesem Vortrag ein alters-angemessenes Altersverständnis vor. Es geht darum, sich der gesellschaftlichen Prägekraft zu widersetzen, den Fremderwartungen, also die eigene Freiheit zu verteidigen. Dann wird – sagt Andreas Brenner – das Alter die Chance unseres Lebens.

Zur Person:

Andreas Brenner ist ein deutsch-schweizerischer Philosoph und Hochschullehrer. Seine Hauptarbeitsgebiete sind die Wirtschafts- und Umweltethik sowie die Philosophie des Lebens. Brenner studierte Philosophie, Geschichte und Kunstgeschichte. Seit 2011 ist er als Professor an der Hochschule für Wirtschaft der FHNW in Basel tätig, seit 2010 Titularprofessor am Institut für Philosophie der Universität Basel sowie ebendort auch assoziierter Professor am Institut für Bildungswissenschaften.

Buchtipp: Altern als Lebenskunst – Verlag „Die Graue Edition“.