Wilhelm Schmid
Privat
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„Focus“

Schaukeln als kleine Kunst der Lebensfreude

Die Kunst der Lebensfreude kann erlernt werden. Das sagt Philosoph Wilhelm Schmid in seinem Vortrag „Mut zur Hoffnung und die Kunst der Lebensfreude“, der beim „MyHope“-Kongress in der Kulturbühne Ambach in Götzis aufgezeichnet wurde. In Focus vergleicht er diese Lebensfreude unter anderem metaphorisch mit Schaukeln.

Buchtipp

„Schaukeln – Die Kleine Lust der Lebensfreude“
(Insel-Verlag)

Entscheidend für das Erlernen der Kunst der Lebensfreude sei die Übung. Wilhelm Schmid hat dazu im Frühjahr ein Buch mit dem Titel „Schaukeln- Die kleine Kunst der Lebensfreude“ veröffentlicht. Im Mai sprach er bei einem Kongress zum Thema Mut zur Hoffnung auf der Kulturbühne Ambach in Götzis. Und dabei wurde klar, dass der Mut zur Hoffnung und die Lebensfreude durchaus zusammenhängen.

Schmid stellt fest, dass das Interesse an der Hoffnung jetzt enorm ist. „Da wurden wahrscheinlich lieb gewordene Hoffnungen enttäuscht. Zum Beispiel die Hoffnung, dass es nie wieder Krieg geben möge. Und jetzt wächst das Bedürfnis nach neuer Hoffnung", meint er.

Hoffen ist mit Ungewissheit verbunden

Zu hoffen sei immer mit einer Ungewissheit verbunden und, das erhoffte Resultat könne lange auf sich warten lassen. Schmid rät daher, Hoffnungen kritisch zu hinterfragen und vorzusorgen. Hoffnung ist eine Seite des Lebens und Enttäuschung ist eine andere Seite des Lebens. Und das Leben pendelt dazwischen hin und her. „Das Leben ist Schaukeln“ sagt Philosoph Wilhelm Schmid. Auf diese Metapher kam er nach einer persönlichen Erfahrung auf der Schaukel in einem Park am Berliner Wannsee: Schwung holen, Leichtigkeit fühlen, Höhenflüge erleben, auf den Beistand anderer hoffen und das flaue Gefühl beim Abschwung hinnehmen lernen.

Schaukeln steht für das Leben

„Wir kommen schaukelnd in die Welt. Vom Mutterleib an, wo wir geschaukelt werden mit jeder Bewegung der Mutter. Und wenn wir draußen sind, werden wir wieder geschaukelt, und sobald die Kleinen laufen können, rennen sie zur Schaukel und wollen darauf aufsteigen. Also das ist eine tiefe menschliche Erfahrung. Und so ist es dann eben auch, wenn gerade keine Schaukel da ist. Das Leben schaukelt trotzdem weiter", sagt er.

Sendungshinweis

„Focus“ – Themen fürs Leben bei ORF Radio Vorarlberg, 24. Juni 2023, 13.00 bis 14.00 Uhr

„Nie bleibt das Leben gleich. Mal ist die Gelassenheit da, und dann wieder weg. Mal bin ich sehr selbstbewusst und dann bin ich wieder voller Selbstzweifel. Ich suche nach Nähe, um mich nicht verlassen zu fühlen. Und dann brauche ich wieder Distanz, um mich wieder auf mich selber zu besinnen. (…) Das ist die Schaukel des Lebens. Wir können alle Phänomene des Lebens betrachten. (…) Das ist die Voraussetzung für die Kunst, sich des Lebens zu freuen, einverstanden zu sein mit dem hin und her schwingenden Pendel“, führt er aus.

Schmid empfiehlt darum Menschen jeden Alters, sich wie die Kinder am Schaukeln zu erfreuen. Das Schaukeln steht für das Leben. Denn das menschliche Leben besteht aus Gegensätzen, zwischen denen man pendelt.

Wilhelm Schmid
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Wilhelm Schmid ist freier Philosoph in Berlin und lehrt in Erfurt Philosophie

Zur Person

Wilhelm Schmid lebt als freier Philosoph in Berlin und lehrt Philosophie als außerplanmäßiger Professor an der Universität Erfurt. Seine Bücher sind regelmäßig Bestseller. Viele Jahre lang war er als Gastdozent in Riga (Lettland) und Tiflis (Georgien) sowie als philosophischer Seelsorger an einem Krankenhaus bei Zürich (Schweiz) tätig. Seine intensive Vortragstätigkeit führte ihn seit 2010 auch nach China, Südkorea, Taiwan und Indien. 2012 wurde er mit dem Meckatzer-Philosophie-Preis und 2013 mit dem Egnér-Preis ausgezeichnet.