Kulturphilosoph Konrad Paul Liessmann während seiner Festrede anlässlich der Eröffnung der Salzburger Festspiele  in Salzburg. (28.7.2016)
NEUMAYR / APA / picturedesk.com
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„Focus“

Liessmann und Köhlmeier über „lauter Lügen“

„Lauter Lügen“ – so heißt das jüngste Buch des österreichischen Philosophen Konrad Paul Liessmann. Bei der Präsentation in der Reihe Tangenten im „Theater am Saumarkt“ wurde Liessmann vom Vorarlberger Schriftsteller Michael Köhlmeier begleitet.

Der einstige Philosophieprofessor der Uni Wien, Konrad Paul Liessmann, versammelt in „Lauter Lügen“ viele seiner scharfsinnigen, bissigen und pointierten Zeitungs-Kolumnen, die v.a. in der „Neuen Zürcher Zeitung“ und der „Kleinen Zeitung“ erscheinen sind. Es geht um breit diskutierte Themen unserer Zeit: etwa um Cancel Culture, Klimakleber oder um den Sinn von Demokratie.

Anhand von ausgewählten Texten entfalteten die beiden Intellektuellen Köhlmeier und Liessmann einen provokanten, nachdenklich stimmenden, aber vor allem sehr unterhaltsamen Diskurs. Die Diskussion regt dazu an, selbst weiter zu diskutieren.

Konrad Paul Liessmann über Lügen und Wahrheit: „Es ist ein Missverständnis, das übrigens Immanuel Kant aufgedeckt hat, dass es immer um das Wechselspiel zwischen Lüge und Wahrheit geht. Nein, geht es nicht, denn was die Wahrheit ist, wissen wir nicht. Wir können versuchen, uns der Wahrheit anzunähern und bei diesen Annäherungen können wir uns täuschen. Wir können uns irren. Ein Wissenschaftler kann falsche Hypothesen aufstellen, aber dann lügt er ja nicht. Dann war das entweder unzureichend oder fehlerhaft, oder es war ein Irrtum. Und die Fortschrittsgeschichte der Wissenschaft ist die Geschichte der Irrtümer. Das heißt also der methodische Weg zur Annäherung an die Wahrheit in der Wissenschaft ist die Zulassung des Irrtums und das Lernen aus dem Irrtum.

Deswegen finde ich es auch so bedenklich, wenn man jetzt auch Wissenschaftlerdebatten moralisiert und gleichsam Wissenschaftlern unterstellt, wenn sie etwas nicht gleich gewusst haben, sie hätten gelogen. Nein! Sie haben sich geirrt. Das ist ganz was anderes. Deswegen ist es der Gegenbegriff zur Lüge die Wahrhaftigkeit. Wir können von Menschen Wahrhaftigkeit einfordern, das heißt, sie sollen das sagen, was sie wirklich denken. Sie sollen das sagen, was sie für ihre Wahrheit halten. Denn der Lügner ist ja derjenige, der etwas sagt, aber gleichzeitig weiß, es war anders oder ich halte etwas anderes für die Wahrheit.“

Sendungshinweis: „Focus“ – Themen fürs Leben bei ORF Radio Vorarlberg, 22. April 2022, 13.00 bis 14.00 Uhr

Zwei große Intellektuelle

Konrad Paul Liessmann: Der in Villach geborene Wissenschaftler, emeritierte Universitätsprofessor und Publizist studierte Germanistik, Geschichte und Philosophie in Wien und ist laut der Tageszeitung „Der Standard“ der „produktivste, öffentlichkeitsaffinste und auch publikumswirksamste Intellektuelle Österreichs“.

Für seine philosophischen Ausführungen und kritischen Beiträge wurde Konrad Paul Liessmann vielfach ausgezeichnet, unter anderem mit dem „Ehrenpreis des österreichischen Buchhandels für Toleranz im Denken und Handeln“ oder mit dem Paul-Wazlawik Ehrenring. Seit 1996 ist Konrad Paul Liessmann wissenschaftlicher Leiter des Philosophicum Lech.

Philosoph Konrad Paul Liessmann und  Autor Michael Köhlmeier
Philosophicum Lech/Florian Lechner
Konrad Paul Liessmann und Michael Köhlmeier

Michael Köhlmeier: Ist in Hard am Bodensee geboren, lebt in Hohenems und Wien. Michael Köhlmeier wurde vielfach ausgezeichnet, u.a. 2017 mit dem Literaturpreis der Konrad-Adenauer-Stiftung sowie dem Marie Luise Kaschnitz-Preis für sein Gesamtwerk und 2019 mit dem Ferdinand-Berger-Preis.