Einheitliche Mindestsicherung beschlossen

Der Ministerrat hat am Mittwoch die Eckpunkte für das neue, bundesweit einheitliche Gesetz zur Mindestsicherung vorgestellt. Es umfasst Kürzungen für Mehrkindfamilien und Menschen mit geringen Deutschkenntnissen. Die Reaktionen aus Vorarlberg sind unterschiedlich.

Der Entwurf für das neue Gesetz soll demnächst in Begutachtung gehen. Spätestens im März soll das Gesetz dann beschlossen werden. Danach haben die Bundesländer bis Ende 2019 Zeit, um entsprechende Landesgesetze zu erlassen.

Einheitliche Mindestsicherung beschlossen

Der Ministerrat hat am Mittwoch die Eckpunkte für das neue, bundesweit einheitliche Gesetz zur Mindestsicherung vorgestellt.

863 Euro pro Monat für Alleinstehende

Die Vorarlberger Bezieher der Sozialhilfe werden künftig weniger Geld bekommen: Vor allem Familien mit mehreren Kindern sowie Menschen mit zu geringen Deutsch- oder Englischkenntnissen. Die neue Mindestsicherung für den Lebensunterhalt einer alleinstehenden Person beträgt 863 Euro im Monat. Wer die Sprache nicht ausreichend beherrscht, erhält nur 563 Euro zum Leben. Den Abschlag erklärt die Regierung als Sachleistung für angebotene Sprachkurse.

Das ist in Vorarlberg bisher nicht so: hierzulande erhält zunächst jede oder jeder Alleinstehende die volle Mindestsicherung, allerdings nur in Höhe von 645 Euro. Was in Vorarlberg bisher jedoch höher ist, sind die Zuschläge für Kinder - und auch die Zuschläge für den Wohnbedarf.

Vergleich zwischen jetzigem und künftigem Modell

Für Alleinstehende ohne Kinder wird es samt Wohnbeihilfe künftig 26 Euro im Monat weniger geben. Ein Paar mit einem Kind erhält künftig 1.683 Euro, also um 63 Euro weniger, sofern die Eltern ausreichend Deutsch oder Englisch sprechen. Ansonsten erhält die dreiköpfige Familie zum Leben und Wohnen nur 1.383 Euro.

Eine Familie mit vier Kindern hingegen muss bald mit maximal 1.898 Euro auskommen und somit eine Kürzung von 450 Euro im Monat hinnehmen. Je mehr Kinder, desto höher die Kürzungen. Und Drittstaaten-Angehörige sowie EU- und EWR-Bürger haben eine fünfjährige Wartefrist. Asylberechtigte haben erst ab dem Zeitpunkt einen Anspruch auf Mindestsicherung, ab dem ihnen der Schutzstatus als Flüchtling zuerkannt wird. Asylwerbende sollen wie schon jetzt keinen Leistungsanspruch bekommen.

Freibetrag soll erhöht werden

Für gewisse Bezieher gibt es aber auch finanzielle Verbesserungen. So beträgt etwa der Freibetrag - also jenes Vermögen, das Mindestsicherungsbezieher haben dürfen - in Vorarlberg derzeit 4.200 Euro. Er soll künftig auf 5.200 Euro erhöht werden. Und der Zugriff auf das Eigenheim, das den Ländern bisher nach sechs Monaten möglich war, soll erst nach drei Jahren stattfinden dürfen. Auch Alleinerzieherinnen sollen etwas mehr verdienen.

Caritas-Direktor mahnt zu mehr Vernunft

Mehr Vernunft im Umgang mit dem Thema Mindestsicherung mahnt Caritas-Direktor Walter Schmolly ein. „Finanziell gesehen ist die Mindestsicherung im österreichischen Sozialbudget mit 0,9 Prozent ein ‚Floh‘ und aktuell ist in Vorarlberg die Zahl der Bezieher deutlich rückläufig. Änderungen an dieser letzten sozialen Absicherung in der vorgestellten Form sind völlig unnötig. Sie schaffen letztlich keine Einsparungen, aber neue soziale Problemlagen, deren Kosten künftig vermehrt Gemeinden zu tragen haben", so Schmolly.

Der Entwurf wirkt sich laut dem Caritas-Direktor verheerend auf Kinder und deren Familien aus, die auf eine Mindestsicherung angewiesen sind. „Das empfinde ich als würdelos den Kindern gegenüber und ebenso als wirtschaftlich unvernünftig. Denn die Kinderarmut von heute ist die Erwachsenenarmut von morgen“, sagt Schmolly, der auch den sozialen Frieden geschwächt sieht. Deshalb müsse „Vernunft und Miteinander größer sein als Ideologie“.

Armutskonferenz spricht von Katastrophe

Als Katastrophe bezeichnet Michael Diettrich von der Vorarlberger Armutskonferenz die neu geregelte Mindestsicherung. Fast alle Vorarlberger Mindestsicherungs-Bezieher werden dadurch künftig weniger Geld bekommen.

Besonders Familien mit Kindern seien betroffen, so Diettrich. Aufgrund der hohen Wohnungskosten in Vorarlberg werden diese künftig weniger Geld für den Lebensunterhalt haben. Das bedeute etwa weniger Essen oder weniger Heizen.

IfS: Kinder geraten unter Druck

Kritik kommt auch vom Institut für Sozialdienste IfS. Vor allem die gestaffelten und in Zukunft niedrigeren Zuschüsse für Kinder von Mindestsicherungsbeziehern sind für IFS-Geschäftsführer Stefan Allgäuer eher problematisch.

Mit gut 40 Euro die eine Familie für das dritte oder vierte Kind künftig bekomme, könne man in Vorarlberg kaum leben. Kinder geraten so laut Allgäuer unter massiven Druck, weil sie sich nicht am Leben beteiligen könnten.

Für ÖVP „alle Zielsetzungen erfüllt“

Die Pläne zur Neuordnung der Mindestsicherung werden von ÖVP-Sozialsprecher Matthias Kucera nach einer ersten Durchsicht positiv beurteilt: „Wir haben uns immer für eine bundeseinheitliche Lösung eingesetzt, weil wir keinen Sozialtourismus zwischen den Bundesländern wollen. Wir haben auch immer betont, dass zwischen Mindestsicherung und Erwerbseinkommen eine Differenz sein muss, denn Leistung muss sich lohnen", so Kucera.

Für die ÖVP ist laut Kucera auch klar, dass "die Mindestsicherung nicht zum Daueraufenthalt für Asylberechtigte werden darf“. Derzeit sind in Vorarlberg 3.334 Asylberechtigte in der Mindestsicherung. Damit verbunden sind Kucera zufolge rund 1,5 Millionen Euro an monatlichen Kosten für das Landesbudget.

Bitschi: „Fairer und gerechter“

Aus Sicht von FPÖ-Landesobmann Christof Bitschi wird es in Vorarlberg durch die neue Mindestsicherung fairer und gerechter. „Die bisherige schwarz-grüne Mindestsicherung war ungerecht und hat die Zuwanderung in unser Sozialsystem gefördert“, so Bitschi, der darauf hinweist, dass knapp 60 Prozent der Mindestsicherungsbezieher in Vorarlberg Nicht-Österreicher sind.

Die neue Mindestsicherung werde deshalb speziell für Vorarlberg Verbesserungen bringen, ist Bitschi überzeugt. „Um in Zukunft den vollen Betrag von 863 Euro zu erhalten, müssen ausreichende Sprachkenntnisse nachgewiesen werden. Für Zuwanderer gibt es zudem eine fünfjährige Wartefrist“, so der freiheitliche Landeschef. Bitschi fordert von der Landesregierung, sich an die Vorgaben aus Wien zu halten und diese - nach dem Inkrafttreten des neuen Gesetzes - so rasch wie möglich umzusetzen.

Scharfe Kritik von Wiesflecker

Soziallandesrätin Katharina Wiesflecker (Grüne) hat bereits im Vorfeld scharfe Kritik an der neuen Mindestsicherung geübt. Gemeinsam mit den grünen Soziallandesräten aus Tirol und Salzburg ist sie schockiert über den Weg der Regierung. Alle Bedenken aus den Ländern und von Experten seien ignoriert worden, kritisiert Wiesflecker. Seit Monaten fordere man Gespräche, allerdings vergeblich.

Der nun vorgelegte Entwurf der Bundesregierung zu einem Grundsatzgesetz für die Mindestsicherung geht laut Wiesflecker „in die bereits befürchtete Richtung“. Die Verhinderung von Armut und sozialer Ausgrenzung werde besonders durch die Staffelung der Kinderrichtsätze unterlaufen. „Diese Kürzungen bei den Kindern lehne ich ganz entschieden ab“, so die Soziallandesrätin. 37 Prozent der Vorarlberger Mindestsicherungsbeziehenden seien Kinder, die es vor Kinderarmut zu schützen gelte.

Ritsch: „Kinder werden weniger wert“

SPÖ-Clubobmann Michael Ritsch sparte ebenfalls nicht mit Kritik am neuen Vorschlag der Bundesregierung: „Die nun vorgestellte neue Bedarfsorientierte Mindestsicherung durch den Bund ist Symbolpolitik und keineswegs problemlösungsorientiert“. So würde bei Mehrkindfamilien gespart, obwohl sie mit Blick aufs Budget gar nicht ins Gewicht fallen würden. Nur jede siebente Familie habe mehr als drei Kinder.

Außerdem würde die Bundesregierung die Öffentlichkeit in die Irre führen, so Ritsch: Die Kürzungen pro Kind würden fast 60 Euro betragen. „Die Kinder werden nochmals weniger wert. Letzteres ist wirklich tragisch“, so Ritsch. Und schließlich könnte durch den Vermögenszugriff bei Mindestsicherungsbeziehern der Pflegeregress „durch die Hintertür“ wieder eingeführt werden, sagt Ritsch.

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