Große Verunsicherung nach Testamentsurteil

Nach einem Urteil des Obersten Gerichtshofes (OGH) könnten tausende Testamente in Österreich ungültig sein. Die Folge: Notare und Rechtsanwälte bekommen zahlreiche Anrufe von verunsicherten Klientinnen und Klienten.

Der OGH hat in einem Vorarlberger Erbschaftsstreit ein Testament aus formalen Gründen für ungültig erklärt. Der Grund: Die Zeugen hatten nicht auf der Urkunde unterschrieben, sondern auf einem losen und leeren Blatt, das dem Testament angehängt war. Rechtsanwalt Martin Mennel, der den Anlassfall zum OGH gebracht hat, ging deshalb davon aus, dass Tausende Testamente in Österreich ungültig sein könnten - mehr dazu in Tausende Testamente österreichweit ungültig?

Zahlreiche Rückfragen in Vorarlberg und Tirol

Die Verunsicherung in der Bevölkerung scheint nun groß zu sein: Rechtsanwälte und Notare verzeichnen zahlreiche Anfragen, bestätigt der Sprecher der Vorarlberger Notare, Richard Forster. Entsprechende Rückmeldung habe er aus Vorarlberg und Tirol erhalten. Es sei tatsächlich der Fall, „dass vermehrt Klienten in den Kanzleien anrufen, um sich über die Frage genau informieren zu lassen.“ Grundsätzlich, so Forster, solle jeder dort nachfragen, wo er das Testament hinterlegt habe.

Ruf nach Gesetzesänderung

Nachdem ein Testament für ungültig erklärt wurde, weil die Zeugen auf einem Zusatzblatt unterschrieben hatten, macht sich bei vielen Verunsicherung breit.

Gesetzesänderung angeregt

Selbst in Juristenkreisen gehen die Meinungen auseinander, wie das Urteil zu interpretieren sei. Notare gehen davon aus, dass Unterschriften von Testamentszeugen prinzipiell auch auf einem leeren Blatt unterfertigt werden können, wenn dieses unmittelbar danach mit Bindfaden und Siegel mit der Willenserklärung des Erblassers zu einer Testamentsurkunde verbunden wird: „Das muss uno actu in einem Schritt anschließend erfolgen“, sagt Forster.

Anwalt Mennel teilt diese Rechtsansicht nicht. Er verweist auf eine aktuelle Veröffentlichung des Zivilrechtsexperten Wolfgang Kolmasch. Dieser habe klar festgehalten: Lose Blätter können auf alle nur erdenkliche Weisen zusammengebunden werden: „Das Testament bleibt ungültig.“ Notare-Sprecher Richard Forster rät angesichts der derzeitigen Verwirrung zu einer Gesetzesänderung. „Nachdem doch Meinungsverschiedenheiten vorliegen, wäre es allenfalls wünschenswert, dass hier vonseiten des Gesetzgebers eine Klarstellung getroffen wird.“

Keine Zahlen bekannt

Zur Frage, wie viele Testamente tatsächlich vom OGH-Urteil betroffen sein könnten, gehen die Meinungen auseinander. Vonseiten der Medienstelle des Obersten Gerichtshofes heißt es dazu auf ORF-Anfrage: „Es gibt keine empirischen Daten, in wievielen Fällen sich die letztwillige Verfügung auf einem einzelnen Blatt Papier befindet und sich die Unterschriften der Zeugen auf einem separaten, inhaltlich nicht mit der letztwilligen Verfügung verbundenen Blatt befinden.“

Der Oberste Gerichtshof hat auf seiner Homepage eine kurze, auch für Laien relativ leicht verständliche Erläuterung zum richtungsweisenden Testaments-Urteil veröffentlicht.

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