„Regierungsprogramm ist brav bis langweilig“

Als Enttäuschung sieht Politikwissenschaftler Anton Pelinka das neue Regierungsprogramm. Das sagte er am Freitag im „Vorarlberg heute“-Interview. Es sei eine brave Regierung, die aus Angst vor Neuwahlen wohl auch fünf Jahre halten werde.

Politikwissenschaftler Anton Pelinka, der derzeit ein Gastseminar an der Fachhochschule Vorarlberg gibt, sagte im „Vorarlberg heute“-Interview mit ORF-Moderatorin Martina Köberle, dass das Programm der Regierung die Fortschreibung dessen sei, was man erwarten konnte. Seine Überlegung sei gewesen, dass diese Regierung, weil sie nur mehr eine knappe Mehrheit besitze, auch inhaltlich einen kräftigen Akzent setzen werde. Das sei nun aber nicht erfolgt, was ein wenig enttäuschend sei, so Pelinka.

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Er beurteilt das Regierungsprogramm als eher brav bis langweilig. Wenn man im europäischen Vergleich die österreichische Regierung betrachte, werde man zwar etwas milder. Aber wenn man die Erwartungen an eine vielleicht letzte Koalition dieser Art in Rechnung stelle, sei man enttäuscht.

„Kein großes neues Regieren“

Über eine neue Art des Regierens - etwa über einen koalitionsfreien Raum - sei überhaupt nicht gesprochen worden, so Pelinka. Auch dass das Regierungsprogramm über die Minderheitsrechte im Nationalrat schweige, zeige, dass das „große neue Regieren“ - etwa durch die Stärkung des Parlaments - nicht erfolgen werde. In fünf Jahren werde man wahrscheinlich sagen: „Das war die letzte Chance dieser Koalition“, so Pelinka.

Pelinka: NEOS könnte Neuerungsfaktor sein

Dass die Vorarlberger SPÖ gegen den Koalitionspakt gestimmt hat (- mehr dazu in SPÖ lehnt Koalitionspakt mit großer Mehrheit ab), habe den Sozialdemokraten, die in Vorarlberg ja auffallend schwach aufgestellt seien, viel Aufmerksamkeit verschafft. Schaden werde ihnen dieser Schritt wohl nicht, glaubt Pelinka.

Bei den Landtagswahlen im kommenden Jahr könnte ein gutes Abschneiden von NEOS erhebliche Auswirkungen auf die Regierungsbildung in Vorarlberg haben, prognostiziert der Politikwissenschaftler. Denn NEOS werde vor allem der ÖVP Stimmen wegnehmen.

Stainer-Hämmerle: „Großer Wurf fehlt“

Auch die aus Vorarlberg stammende Politikwissenschaftlerin Kathrin Stainer-Hämmerle vermisst im neuen Regierungsprogramm den „großen Wurf“. Laut Stainer-Hämmerle sind zwar viele Einzelmaßnahmen geplant - aber alles, das wirklich eine Veränderung bedeute, werde in Kommissionen verlagert. Auf die Frage, warum die Koalitionäre so mutlos in ihren Verhandlungen waren, meinte Stainer-Hämmerle, dass nach der Wahl die Alternativen gefehlt hätten. Beide Parteien müssten weiter miteinander regieren, ohne wirklich eine gemeinsame Basis zu haben - beziehungsweise seien diese ja schon in den letzten Legislaturperioden abgearbeitet worden.

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Audio: Kathrin Stainer-Hämmerle im Interview mit ORF-Redakteur Erik Sandner

Laut Stainer-Hämmerle ist auch Misstrauen erkennbar. Dass eine gemeinsame Zukunftsvision von Österreich fehle, sehe man gleich zu Beginn der Regierungserklärung. Dort heiße es, dass die Zusammenarbeit beendet sei, wenn eine Partei gegen die andere im Nationalrat abstimmt, was somit auch Koalitionsfreiräume ausschließe. Ausgeschlossen seien damit auch Reformen. Das sei allerdings immer so formuliert worden, räumt die Politikwissenschaftlerin ein. Jedoch wäre ihrer Ansicht nach ein Überdenken notwendig - und zwar insofern, dass auch neue Koalitionen und koalitionsfreie Räume möglich werden.

Stainer-Hämmerle: Regierung dürfte „überleben“

Trotz Misstrauen und einer fehlenden gemeinsamen Basis glaubt Stainer-Hämmerle, dass die Regierung - sofern sich die personelle Zusammensetzung in den Regierungsparteien nicht verändert - die nächsten fünf Jahren überleben wird. Die Koalitionäre werden ihrer Einschätzung nach „zwar mit mäßigem Reformmut, aber in Ermangelung von Alternativen wahrscheinlich doch in einer ungeliebten Partnerschaft verbleiben“.

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