Grüne Stadträtin erinnert an Gerichtsprozess

Die Grüne Stadträtin Marlene Thalhammer hat am Ende der Wahldiskussion am Mittwoch in Feldkirch mit einer Bemerkung zu Bürgermeister Berchtold (ÖVP) einen Eklat ausgelöst. Thalhammer erwähnte den Gerichtsprozess des Bürgermeisters. Aus den Reihen der ÖVP wurde sie mit „Buh“-Rufen bedacht.

Stadträtin Marlene Thalhammer (Grüne)

ORF

Der Prozess entpuppte als Reizthema in der von manchen Beobachtern als Kuschelkurs empfundenen Diskussion. Als die Grüne Stadträtin Marlene Thalhammer in ihrem Schlussstatement auf den zurückliegenden Gerichtsprozess von Bürgermeister Berchtold zu sprechen kam, regten sich im Publikum die Gemüter.

Thalhammer sagte, es es müsse in einer solchen Diskussion angesprochen werden, ob Feldkirch einen Bürgermeister wolle, der eine Gerichtsverhandlung hinter sich habe. Thalhammer bezog sich auf den Gerichtsprozess am Landesgericht Feldkirch, in dem Berchtold im März 2011 von Vergewaltigungsvorwürfen im Zweifel freigesprochen wurde. Die Grüne Stadträtin erntete dafür „Buh“-Rufe aus dem Publikum, das zu großen Teilen aus Parteifunktionären und Parteianhängern bestand.

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Statement erntete auch Sympathien

Thalhammer sagte am Tag danach, sie habe neben „Buh“-Rufen auch die Worte „Schande“ und „Pfui“ vernommen. Sie komme sich vor wie „Kassandra“. Dabei habe sie lediglich eine Tatsache beim Namen genannt. Die Reaktionen müsse aber sowohl die ÖVP als auch Berchtold und sein Umfeld mit sich ausmachen, so die Grüne Stadträtin. Sie habe nach der Diskussion zahlreiche SMS und emails erhalten, in denen die Verfasser zu ihrem Mut gratulierten. Darunter seien auch etliche Personen, die nicht der Grünen Partei angehörten, so Thalhammer auf ORF Anfrage.

Sendehinweis:

„Vorarlberg heute“, 18.2.2015
„Landesrundschau“,18.2.2015

Suche nach Erklärungen

Am Tag nach der großen Wahldiskussion in Feldkirch werden Erklärungen gesucht, wie der wenig angriffslustige Kurs der Opposition zu verstehen ist. Hintergrund könnte der mögliche Verlust der absoluten Mehrheit der ÖVP sein, so ORF-Redakteur Bruno Schratzer in Radio Vorarlberg. Für diesen Fall würden sich alle Parteien für eine Koalition mit der ÖVP in Stellung bringen, mit einer Ausnahme, denn Stadträtin Marlene Thalhammer (Grüne) attackierte Bürgermeister Berchtold mit ihrer Bemerkung frontal.

Wenig Spielraum im Budget

Kaum Unterschiede offenbarten sich zu Beginn der Diskussion. Unisono lobten die Parteien die gute Zusammenarbeit auf Stadtebene. Bürgermeister Berchtold konstatierte, dass in den vergangenen fünf Jahren im Wesentlichen „das große Ganze“ im Vordergrund gestanden sei. Hinsichtlich Umweltschutz, Bildung und Mobilität habe man „quantifizierbare Erfolge“ feiern können. Im Budgetbereich gebe es fast keinen Spielraum, trotzdem habe man die Großprojekte der vergangenen Jahre ohne Kostenüberschreitungen durchgeführt. Man habe Werte für die Zukunft geschaffen und sei in vielen Bereichen – etwa der Kinder- oder Seniorenbetreuung – sehr gut aufgestellt.

Das mussten auch die übrigen Parteien einräumen. Das Montforthaus sei „budgetmäßig eine Punktlandung“ gewesen, sagte etwa Daniel Allgäuer, bisher der einzige Stadtrat der FPÖ und deren Spitzenkandidat am 15. März. Auch das Kraftwerk Untere Ill, das neue Altstoffsammelzentrum und das Schulzentrum Oberau habe man mitgetragen. In den nächsten Jahren wolle er, Allgäuer, verstärkt auf Budgetkonsolidierung setzen, auch mit der Forderung nach einem einheitlichen Tempolimit von 40 km/h versuchte er zu punkten. Erneut brachte er die Möglichkeit eines Hallenbads für Feldkirch als Zukunftsprojekt zur Sprache. Er wünsche sich eine Machbarkeitsstudie und eine Finanzierung gemeinsam mit anderen Gemeinden oder einem privaten Investor. Unterstützung von den anderen Parteien erhielt er für den Vorschlag allerdings nicht.

NEOS für bessere Streckung der Investitionen

Marlene Thalhammer von den Grünen freute sich darüber, als Stadträtin vielen Projekten in den vergangenen Jahren einen grünen Stempel aufgedrückt zu haben, etwa durch ökologische Begleitmaßnahmen beim Projekt Illspitz. Als Schwerpunkte für die nächsten Jahre nannte sie die Wiederverwertbarkeit von Produkten und den Energiemasterplan. Deutlich kritischer war Andreas Rietzler von der SPÖ. Zwar habe man dem Montforthaus zugestimmt, allerdings nicht einer Dachterrasse für rund eine Million Euro. Rietzler hätte dieses Geld lieber an anderer Stelle investiert, etwa im Jugendbereich. Zudem wünsche er sich - ähnlich wie die „Liste Wir“ - Fortschritte im Bereich leistbarer Wohnraum.

Georg Oberndorfer vom erstmals kandidierenden NEOS zeigte sich skeptisch, was die Finanzen der Stadt anbelangte. Die seien in einer Schieflage. Statt viele Großprojekt auf einmal anzugehen, wäre es laut Oberndorfer ratsamer gewesen, die Investitionen über einen längeren Zeitraum zu strecken. Auf Nachfrage aus dem Zuschauerraum führte er das Kraftwerk Illspitz als Beispiel an, das lediglich die Stromkunden „abcashe“, weil die niedrigen Strompreise ohnehin nicht weitergegeben würden. Mit dieser Äußerung zog er den Zorn der politischen Mitbewerber auf sich: „Wenn sie auf Rentabilität schauen, müssen sie vielleicht ein Atomkraftwerk bauen“, sagte etwa Allgäuer.

Ein politisch gutes Klima stellte auch Christoph Alton von der „Liste Wir“ fest. Allerdings wünsche er sich eine noch bessere Einbeziehung der Steuerzahler in die wichtigen Entscheidungen. Außerdem solle sich die Stadt vermehrt um leistbaren Wohnraum kümmern und Müttern die Wahlmöglichkeit geben, ob sie lieber zuhause bei ihren Kindern bleiben oder arbeiten gehen wollten. 80 Prozent der Kosten für einen Krippenplatz sollten sie dafür als finanzielle Unterstützung bekommen.

„Landesgrüne wurden erpresst“

Deutlich geringer waren die Übereinstimmungen, als das Projekt Stadttunnel Feldkirch zur Sprache kam. Thalhammer attackierte Berchtold gleich zu Beginn hart: Das Projekt würde bei weitem nicht jene Entlastungswirkung entfalten, die es verspreche, und würde für sehr viel Geld nur wenige Teile der Stadt tatsächlich entlasten. Bürgermeister Berchtold warf sie vor, das Projekt mit unrichtigen Zahlen durch die Umweltverträglichkeitsprüfung bekommen zu wollen. Aber auch einen Seitenhieb auf die Landespartei konnte sich Thalhammer nicht verkneifen: „Die Landesgrünen wurden erpresst, und sie haben dieser Erpressung nachgegeben.“

Berchtolds Replik fiel nicht minder deutlich aus. Seit 30 Jahren diskutiere man in Feldkirch über das Verkehrsproblem, jetzt sei es endlich an der Zeit, auch etwas zu unternehmen. Man habe eine gemeinsame Lösung gesucht und dabei festgestellt: „Ohne eine Straßenvariante geht es nicht“. Was jetzt vorliege, verspreche eine Entlastung von 25 Prozent bei Pkw und 60 Prozent bei Lkw. Feldkirch hätte genauso wie andere Städte auch einen Anspruch darauf, in Sachen Verkehr entlastet zu werden. Rückendeckung erhielt er von Allgäuer: Man habe sich für die „mit Abstand beste Variante“ im Hinblick auf die Entlastungswirkung entschieden, wenn auch nicht die kostengünstigste, wobei ein großer Teil der Kosten in verkehrsberuhigende Maßnahmen gesteckt würden.

Oberdorfer verwies insbesondere auf die hohen Kosten von 226 Millionen Euro und schlug stattdessen eine kleine Tunnellösung von der Felsenau bis zur Duxgasse und eine Autobahnspange zwischen Diepoldsau und Mäder vor. Kritik kam auch von der SPÖ: Die öffentlichen Verkehrsmittel müssten ausgebaut werden, der Viertelstundentakt auf den Rest der Stadt ausgeweitet und die Zugverbindung nach Buchs verbessert werden.

Berchtold glaubt an Absolute

Hinsichtlich der Wahlziele hatten die Diskussionsteilnehmer teilweise sehr konkrete Vorstellungen: Rietzler gab an, zukünftig einen Stadtrat stellen zu wollen, um in Feldkirch mitarbeiten zu können. Oberndorfer will beim ersten Antreten von NEOS den Einzug in die Stadtvertretung schaffen, Allgäuer und die FPÖ hoffen darauf, weiter an Stimmen und Mandaten zulegen zu können. Ein zweiter Stadtrat für die Grünen ist das erklärte Ziel von Thalhammer. Und Bürgermeister Berchtold scheint den Glauben an die absolute Mehrheit der ÖVP noch nicht aufgegeben zu haben: „Eine Fünf an der Zehnerstelle“ ist sein Wahlziel.