Jurist: Teure Verwaltungsstrafen gegen Bettler

Die Strafverfolgung von Bettlern ist nach Ansicht des Dornbirner Wirtschaftsjuristen Anton Schäfer teuer und bringe nicht viel. Die laufenden Verfahren verschlingen laut Schäfer geschätzte 1,3 Mio. Euro Steuergeld.

Im Durchschnitt wurden Menschen wegen angeblich aggressiven oder organisierten Bettelns mit 183 Euro bestraft. Die Einbringung der Strafe koste fünfmal mehr als die Strafe ausmache. Bei den 1.038 aktuellen Strafverfügungen (Juli 2014 bis Juli 2015) gegen Bettler geht es um Verwaltungsübertretungen, nicht um Straftaten.

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Die zum Teil enge Auslegung des Landessicherheitsgesetzes halte niemanden vom Betteln ab, ist der Dornbirner Wirtschaftsjurist überzeugt. Anton Schäfer beschreibt einen Fall aus seiner Kanzlei. Es sei kein Einzelfall. Einem Unionsbürger wurde aggressives Betteln unterstellt. Dafür bekam er eine Verwaltungsstrafe von 150 Euro.

Gesamtkosten 1.355 Euro zur Eintreibung von 150 Euro Strafe:

Polizeieinsatz/zwei Beamte: 150,00 Digitale Anzeige an BH 75,00. Ausarbeitung Strafverfügung 75,00.

Zustellung Strafverfügung/zwei Beamte 300,00

Vollzugsbericht Landespolizeidirektion an BH 40,00.

BH- Aufforderung Ersatzfreiheitsstrafe 75,00

Zustellung Aufforderung/zwei Beamte 300,00

Bericht LPD an BH über erfolgreiche Zustellung 40,00

pro Hafttag 100,00

Über 1.000 Euro Verwaltungskosten

Die Strafaktion gegen den Beschuldigten koste den Staat 1.055 Euro, rechnet Schäfer vom ersten Polizeieinsatz bis zur Zustellung der Strafverfügung durch zwei Beamte der Landespolizeidirektion. Involviert sind Polizeistreifen, Gemeindeverwaltung, Bezirkshauptmannschaft und Landespolizeidirektion. Schäfer veranschlagte einen Stundensatz von 75 Euro, ausgehend vom Stundensatz eines Elektrotechnikers. Er geht davon aus, dass Beamte darüber liegen. Stadtpolizei und Bezirkshauptmannschaft Dornbirn wollten die Berechnungen nicht kommentieren.

Ersatzhaft führt zu weiteren Kosten

Der Beschuldigte habe im vorliegenden Fall die Strafverfügung mangels Deutschkenntnissen nicht lesen und ohne Einkommen nicht bezahlen können, so Schäfer. Würde er noch eine Ersatzfreiheitsstrafe antreten, fielen pro Hafttag weitere 100 Euro an und die Gesamtkosten der Aktion würden auf 1.355 Euro steigen.

Der Erfolg solcher Strafen sei gleich Null, ist Schäfer überzeugt. Die Menschen müssten weiter betteln, weil sie nichts zum Leben hätten. Das Land Vorarlberg könnte statt 150 Euro Strafe, einem Bettler das Geld gleich in die Hand drücken und immer noch 1.205 Euro Verwaltungskosten sparen, erläutert der Jurist.

Bei 1.000 Strafverfahren kämen laut Schäfer insgesamt 1,3 Millionen Euro Kosten zusammen. Die Grüne Landtagsabgeordnete Nina Tomaselli schätzt diese Kosten noch höher. Schäfer legt die Summe auf rund 40.000 Übernachtungen und 120.000 Mahlzeiten um. Damit wären die Menschen nicht mehr gezwungen, in Zelten, unter Brücken oder am Bahnhof zu schlafen, so der Jurist.

Um dieses Geld könnten 30 Sozialarbeiter ganzjährig angestellt werden, die den bettelnden Unionsbürger helfen und ihnen in ihrer Sprache erklären, was sie dürfen und was nicht. Damit käme es zur Entlastung der Verwaltung, so Schäfer.

Zum sparsamen Handeln verpflichtet

Inzwischen mussten städtische Sicherheitswachen und Bezirkshauptmannschaften ihre Strafpraxis nach der erfolgreichen Bekämpfung eines Strafbescheides ändern. Die Verwaltungsstrafe war durch das Gesetz nicht gedeckt. Betteln mit ausgestrecktem Arm gilt demnach nicht als aggressives Betteln.

Schäfer verweist auf die Landesverfassung. Demnach sind alle Organe des Landes zum sparsamen und zweckmäßigen Handeln verpflichtet. Laut Verwaltungsstrafgesetz wären Strafverfolgungen einzustellen, wenn der Aufwand im Vergleich zur Tat unverhältnismäßig hoch ist. Schäfer appelliert an Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) als Chef der Bezirkshauptmannschaften, die gängige Praxis zu überdenken.

Magda Rädler, vorarlberg.ORF.at

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