Gesamtschule: Keine ÖVP-Unterstützung für Walser

Grünen-Bildungssprecher Harald Walser sieht Österreich in der Diskussion um eine Gesamtschule vor einer „historischen Weichenstellung“. Er will einen Entschließungsantrag im Nationalrat einbringen - die ÖVP will den Antrag aber nicht unterstützen.

Es gebe nun eine reale Chance auf eine Modellregion, glaubt der Bildungssprecher der Grünen. Er will demnächst einen parteiübergreifenden Entschließungsantrag im Nationalrat einbringen.

Ziel des Antrags ist es, „größere Regionen oder auch ganze Bundesländer“ als Modellregion für die gemeinsame Schule führen zu können, so Walser bei einer Pressekonferenz am Freitag.

Die ÖVP jedoch will Walsers Antrag nicht unterstützen. Der Zweite Nationalratspräsident Karlheinz Kopf (ÖVP) hat sich am Freitag in der Diskussion um eine Gesamtschule zurückhaltender geäußert als bisher. Während er vor einer Woche noch sagte, es würde „niemandem ein Stein aus der Krone fallen“, wenn man Modellversuche ermöglichte, erklärte der Altacher nun in einer Aussendung. Eine Gesetzesänderung sei derzeit weder erforderlich noch sinnvoll.

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Im Video zu sehen: ÖVP-Vizekanzler Michael Spindelegger (Ausschnitt aus der ZIB 2 am 9.1.2014), Harald Walser (Bildungssprecher Grüne), Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP); Beitrag von Stefan Krobath, Götz Wagner, Christina Lachner

Kopf: Ergebnisse von Forschungsprojekt abwarten

Kopf begründete, man wolle erst die Erkenntnisse aus dem Vorarlberger Forschungsprojekt abwarten und unterstütze das Vorgehen der Vorarlberger Landesregierung „voll und ganz“. Das gelte auch für „allfällig erforderliche“ Gesetzesänderungen auf Bundesebene, wenn es dann darum gehe, die Ergebnisse der Studie umzusetzen.

Derzeit sei „keineswegs abzusehen“, ob solche Änderungen nötig sein werden, so Kopf. Keinesfalls könne man davon ausgehen, dass automatisch eine flächendeckende Umstellung in ganz Vorarlberg der nächste Schritt sein werde.

Auch der ÖVP-Abgeordnete Norbert Sieber will den Antrag der Grünen nicht unterstützen. Dort habe es ja mehrfach die Forderung gegeben, die gemeinsame Schule in Versuchsregionen zu prüfen.

FPÖ will föderale Entscheidung nicht boykottieren

Die FPÖ dagegen will Modellversuche nicht komplett verunmöglichen: Bildungssprecher Walter Rosenkranz sagte am Donnerstag, trotz der grundsätzlichen Ablehnung einer Gesamtschule wolle man eine föderale Entscheidung nicht boykottieren. Vorarlbergs FPÖ-Chef Dieter Egger sah diese Zustimmung als sein Verdienst: Er habe bei Rosenkranz und FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache erreicht, „dass eine föderale Entscheidung in Vorarlberg akzeptiert“ werden wird. „Das heißt, dass die FPÖ im Parlament einen Vorarlberger Modellversuch einer gemeinsamen Schule im Sinne eines richtig verstandenen Föderalismus unterstützen wird“, so Egger.

Auch SPÖ, NEOS und Team Stronach unterstützen die Forderung der Grünen grundsätzlich.

Walser sieht ÖVP vor Zerreißprobe

Walser sieht die ÖVP vor eine Zerreißprobe. „Eine Situation wie jetzt hatten wir noch nie“, sagte er angesichts der derzeitigen Entwicklung. Auch in Tirol, Salzburg, der Steiermark und Wien werde die Einrichtung von Modellregionen gefordert.

Vizekanzler ÖVP-Chef Michael Spindelegger sei in der Defensive, denn nur noch Teile des ÖAAB seien gegen die Reform. „Es ist nur die Frage, wer sich durchsetzen wird“, sagte Walser. Vorarlberg halte er für eine ideale Modellregion, denn nirgends gebe es so viele Befürworter einer Gesamtschule, so der ehemalige Direktor eines Gymnasiums. Anders als Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) ihm unterstelle, glaube er nicht an eine rasche Umsetzung einer Gesamtschule. Nach einer Beschlussfassung, die noch in weiter Ferne liege, werde man „sicher noch an die zehn Jahre“ brauchen.

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Video: Grünen-Bildungssprecher Harald Walser im Interview mit ORF-Redakteur Stefan Krobath

Auch eine weitere Hürde, die Wallner genannt habe, sei leicht zu entkräften, so Walser im Gespräch mit ORF-Redakteur Stefan Krobath. Der Landeshauptmann habe gesagt, es scheitere an der Zweidrittel-Mehrheit. Die Grünen würden jedoch für diese Zweidrittelmehrheit bereitstehen und der Regierung das Angebot machen, gemeinsam einen Schritt nach vorne zu gehen.

Walser von Bundeskanzler enttäuscht

Wichtig sei es nun, die Diskussion über die ÖVP-interne Debatte hinaus zu führen, sowohl im Unterrichtsausschuss mit einem Expertenhearing als auch bei einem Bildungsgipfel. Von SPÖ-Bundeskanzler Werner Faymann, der von „Streitereien“ gesprochen hatte, zeigte sich Walser enttäuscht. Die SPÖ habe sich als gestaltende Kraft in der Bildungsfrage offenbar verabschiedet.

Wallner (ÖVP) fordert Versachlichung der Diskussion

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) sagte am Freitag im Interview mit ORF-Redakteur Stefan Krobath, er glaube - anders als Walser - nicht, dass die ÖVP vor einer Zerreißprobe steht. Man sollte, so Wallner, irgendwann wieder auf den Boden der Realität zurückkommen und die Angelegenheit sachlicher anschauen. Es bestehe überhaupt kein Grund zur Panik. Auch sei es nicht notwendig, eine überhöhte Geschwindigkeit an den Tag zu legen. Veränderungen im Schulsystem benötigten Jahre und Qualitätsentwicklung brauche eine gute Vorbereitung.

Vielleicht, so Wallner, gelinge es, die Gemüter etwas zu beruhigen und die Bildungsdiskussion wieder zu versachlichen. Im Sinne von Eltern und Kindern wäre das nach Ansicht von Wallner notwendig.

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Video: LH Markus Wallner (ÖVP) im Interview mit ORF-Redakteur Stefan Krobath

Seiner Beziehung zu Vizekanzler Michael Spindelegger (ÖVP) habe die Diskussion um die Gesamtschule nicht geschadet. Er habe auf seine Reaktion selbst sehr gelassen reagiert, weil er meine, man sollte die Dinge sehr versachlicht und etwas ruhiger angehen. Er habe aber natürlich zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Koalition auf Bundesebene von der Entwicklung in Richtung gemeinsamer Schule im Moment nichts wissen will. Das werfe die Frage auf, wie man im Land weiter vorgehe. Wallner glaubt, dass eine Versachlichung des Themas angesagt ist, indem man auf die Ergebnisse des Forschungsprojektes, die im Mai 2015 erwartet werden, abwartet.

Man werde sich nicht in punkto Entwicklung der Bildung insgesamt nicht aufhalten lassen. Die Frage der Schule für Zehn- bis 14-Jährige bleibe natürlich eine Fragestellung. Sich dieser zu verschließen wäre eine Fehler, so Wallner. Er wünsche sich, dass man das weiter diskutiere, aber auch die Themen Frühförderung, Volksschule, Lehrlingsausbildung und eine Bildungskonzeption insgesamt nicht vergesse.

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