Mehrerau: Prozess um Missbrauch fortgesetzt

Am Landesgericht Feldkirch ist am Dienstag ein Zivilprozess fortgesetzt worden, in dem ein ehemaliger Zögling des Klosters Mehrerau 200.000 Euro Schmerzengeld und Verdienstentgang fordert. Der heute 58-Jährige wurde für glaubwürdig erklärt.

Der Missbrauch war von Mehrerau-Anwalt Bertram Grass zuletzt in Zweifel gezogen worden, weil der Mann erklärte, sich erst Jahrzehnte später an die Übergriffe erinnert zu haben. Die Parteien wollen nun noch einmal über einen Vergleich sprechen.

Der 58-Jährige lebte als Jugendlicher im Internat des Kloster-Gymnasiums. Dort sei er von einem Pater, der später Internatsleiter wurde, mehrfach schwer sexuell missbraucht worden. Über drei Jahre hinweg sei er „unzählige Male“ in seinem Zimmer vergewaltigt und so seelisch kaputt gemacht worden, schilderte der Mann die Geschehnisse, die sich in den späten 1960er-Jahren zugetragen haben sollen. Sein Leben sei infolge des Missbrauchs sowohl beruflich als auch privat schief gelaufen.

Erst 2010 über Missbrauch bewusst geworden

Bewusst seien ihm diese Übergriffe allerdings erst 2010 geworden. Damals sei er durch eine Pressekonferenz zum Thema Missbrauch wach gerüttelt worden, so der Kläger. Für das Gericht ist die Frage, wann der Geschädigte Kenntnis von Schädiger und Schaden hatte, von großer Bedeutung. Denn sie setzt den Lauf der Verjährungsfrist in Gang. Die Beklagtenseite bezweifelte, dass man sich erst so viel später bewusst werden könne, was einem widerfahren sei.

Sachverständiger bestätigte Glaubwürdigkeit

Daher wurde am Dienstag der psychologische Sachverständige Salvatore Giacomuzzi hinzugezogen. Er bestätigte die Glaubwürdigkeit des Klägers. Es sei durchaus nachvollziehbar, dass sich derart schlimme Erinnerungen erst nach langer Zeit zurückmeldeten. „Man spricht in diesem Zusammenhang von Abspaltung“, erklärte Giacomuzzi jenen Mechanismus, der weit über das „Verdrängen“ hinausgeht. Es sei also durchaus möglich, dass man mit einem Peiniger weiterhin Kontakte pflege, weil man das „Böse“ ausblende.

Kläger-Anwalt Sanjay Doshi deponierte bei Richterin Birgit Vetter den Vorschlag, noch einmal über die Möglichkeit eines Vergleichs nachzudenken. Anwalt Grass kündigte an, sich diesbezüglich mit den Zuständigen zu besprechen. Kommt ein Vergleich nicht zustande, fällt das Gericht schriftlich eine Entscheidung bezüglich der Verjährungsfrage.

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