„Niemand bestraft Beschneidungen“

Juristisch birgt die Beschneidungs-Debatte Sprengstoff: Beschneidungsgegner pochen auf das Recht eines Kindes auf körperliche Unversehrtheit. Die Rechtsmeinungen gehen allerdings auseinander.

Von einer ganz heiklen und schwierigen Abwägungsfrage spricht der renommierte Wiener Verfassungsjurist, Universitätsprofessor Heinz Mayer. Zur Religionsfreiheit gebe es einen Gesetzesvorbehalt. Man könne das Recht der freien Religionsausübung einschränken, wenn es zum Schutz der Gesundheit oder der Moral erforderlich ist.

Gesetzeslage ist unklar

Religiöse Beschneidungen werden in Österreich nicht strafrechtlich verfolgt, sagt Christian Manquet, Abteilungsleiter für Strafrecht im Justizministerium, und zwar auch, weil die Gesetzeslage nicht eindeutig sei. Der Tatbestand einer Körperverletzung könne zwar durch eine Beschneidung erfüllt werden, das hieße aber nicht unbedingt, dass sie strafbar sei. Wenn ein Erwachsener in die Beschneidung einwilligt, gebe es kein Problem, sagt Manquet. Anders kann es aussehen, wenn Eltern für ein Kind entscheiden.

Mayer: „Einwilligungsfähigkeit fehlt“

Im Fall der Beschneidung, meint Verfassungsjurist Mayer, handelt es sich zweifellos um einen erheblichen Eingriff in die körperliche Integrität und zwar im Regelfall von Kleinkindern, die nicht selbst entscheiden könnten, die aber die Folge dieser Maßnahmen ein ganzes Leben lang mit sich tragen. Daher sei die Beschneidung von Kleinkindern, die keine Einwilligung erteilen können, strafrechtlich problematisch. Da es keine Einwilligungsfähigkeit gebe, glaubt Mayer, dass in diesem Fall wahrscheinlich die Religionsausübung zurücktreten müsse.

„Beschneidung ist alltäglich“

Dazu hat der Innsbrucker Strafrechtsprofessor Andreas Venier eine andere Meinung. Man müsse sehen, dass eine Beschneidung eine Alltäglichkeit bei der Religionsausübung der muslimischen Gemeinschaft darstellt und auch im Judentum. Es sei sicher Teil der freien Religionsausübung wenn Eltern das Recht der Religionsausübung für ihre Kinder wahrnehmen. Man solle die Diskussion nicht überbewerten, so Venier. In Deutschland sei die Rechtslage anders.

Religionen sind seit langer Zeit anerkannt

Eine Körperverletzung wird in Österreich nur bei einer sozial inadäquaten Handlung angenommen. Dazu müsse man - so Professor Venier - sehen dass die betroffenen Religionen seit Jahrzehnten in Österreich anerkannt sind. Bisher stellte die Beschneidung nie ein Problem dar und auch der Strafgesetzgeber habe dieses Problem nie versucht, strafgesetzlich zu regeln, sondern ging immer stillschweigend davon aus, dass eine Beschneidung selbstverständlich sozial adäquat wäre. Wenn man in der einschlägigen Judikatur und Lehre nachschaue, dann werde man keine Stelle finden, die auf eine Rechtswidrigkeit und Verbot hinweise.

„Was nicht verboten ist, ist erlaubt“

Der Experte für Recht und Religion, Wolfgang Wieshaider von der Universität Wien teilt diese Meinung. Beschneidungen seien von der Rechtsordnung unter Abwägung der grundrechtlichen Positionen toleriert worden. Und was nicht verboten ist, sei erlaubt. So funktioniere ein Rechtsstaat. In Österreich gilt derweil also ein ungeschriebenes Gesetz: Wo kein Kläger, da kein Richter.

Links: