Immer mehr geistig abnorme Straftäter

Das Landesgericht Feldkirch verhängt über immer mehr Rechtsbrecher wegen Unzurechnungsfähigkeit einen psychiatrischen Maßnahmenvollzug. Die Kapazitäten am Landeskrankenhaus Rankweil sind völlig ausgelastet.

Der Maßnahmenvollzug wird statt einer Haftstrafe dann ausgesprochen, wenn ein Straftäter als nicht zurechnungsfähig und folglich nicht schuldfähig gilt. Vor zwei Jahren gab es in Vorarlberg laut Justizministerium fünf solcher Fälle, im Vorjahr 18 und heuer bereits elf.

In der forensischen Abteilung in Rankweil werden derzeit 13 psychotische Straftäter behandelt, die wegen ihrer krankheitsbedingten Zurechnungsunfähigkeit zum Tatzeitpunkt nicht zu einer Haftstrafe verurteilt, sondern in die Psychiatrie eingewiesen worden sind. Laut Chefarzt Jan Di Pauli mehr als genug: „An und für sich sind wir voll. Wir könnten von den Kapazitäten her eine Frau aufnehmen, dafür sind wir mit einem Mann überbelegt.“

Einweisung schon bei gefährliche Drohung

Die ständig steigende Zahl an Maßnahmepatienten ist laut Di Pauli auf Dauer nicht mehr zu bewältigen. Zumal die Gerichte inzwischen nicht nur nach schweren Straftaten wie Mord, Sexualdelikten oder Körperverletzungen, sondern auch schon bei vergleichsweise geringeren Taten eine Maßnahme verhängen würden. Bereits eine gefährliche Drohung könne ausreichen, um nach dem entsprechenden Gesetzesparagraphen bestraft zu werden, so der Chefarzt.

„Diese Entwicklung war so nicht voraussehbar. Dadurch sind die Betten nur in einer begrenzten Zahl vorhanden. Es gibt jetzt aber wesentlich mehr Patienten, welche diese Betten benötigen würden“, sagt Di Pauli. Erst am Montag wurde ein weiterer Mann ins Landeskrankenhaus Rankweil eingeliefert. Er hatte in Lauterach und Bregenz mit einer Druckluftpistole auf mehrere Menschen geschossen - mehr dazu in Schüsse in Bus und Bank: Mutmaßlicher Täter war amtsbekannt.

Richter bemängeln mangelnden Spielraum

Laut Angelika Prechtl-Marte, Strafrichterin und Vizepräsidentin des Landesgerichts, habe die Justiz aufgrund der Gesetzeslage kaum eine andere Wahl. Zumal sich die Richter auf den Gutachter verlassen müssten. Wenn dieser feststelle, dass die Voraussetzungen für eine Zurechnungsunfähigkeit erfüllt werden, dann sei die betroffene Person in eine Anstalt für geistig abnorme Rechtsbrecher einzuweisen. „Der Spielraum für den Richter ist hier in Wahrheit gar nicht gegeben“, so Prechtl-Marte.

Gutachter unter gesellschaftlichem Druck

Die Gutachter wiederum seien einem immer größer werden Druck seitens der Gesellschaft ausgesetzt, erklärt Reinhard Haller, Sprecher der Gerichtspsychiater. Das liege am erhöhten Sicherheitsbedürfnis der Bevölkerung. Man wolle kein Risiko eingehen und stecke daher Personen, die gefährlich sein könnte, entweder ins Gefängnis oder in die Psychiatrie. „Die zweite Entwicklung ist jene, dass man delinquente Verhaltensweisen zunehmend psychiatriert. Das heißt, man will sie lieber der Behandlung und Heilung überantworten als dem reinen Strafvollzug“, so Haller.

Dies alles hat laut Haller dazu geführt, dass österreichweit rund 50 Prozent aller psychotischen Straftäter, die in der Psychiatrie sitzen, gar nicht gefährlich sind. Um diese und andere Missstände zu beseitigen, hat ÖVP-Justizminister und Vizekanzler Wolfgang Brandstetter schon vor langem eine Reform des Maßnahmenvollzugs angekündigt. Bei der Ankündigung ist es bis heute auch geblieben.

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