Testamente: Schlussplädoyers der Ankläger

Am späten Mittwochnachmittag kam es im Testamentsfälscher-Prozess in Salzburg zu den Schlussplädoyers. Die Staatsanwälte Bolter und Pechatschek waren am Wort. Nach 20 Verhandlungstagen änderte sich an ihrer Einschätzung zu Prozessbeginn nicht viel.

In seinem Schlussplädoyer sagte Andreas Pechatschek, der die Vizepräsidentin des Landesgerichtes Feldkirch, Kornelia Ratz, angeklagt hat, er sei von deren Schuld auch am Ende des Verfahrens überzeugt. Die Aussagen der angeklagten Richterin hätten für Verwunderung gesorgt. Sie habe überraschend ihre Verantwortung geändert. Wie Kornelia Ratz ihre Anrufe beim Bezirksgericht Dornbirn gerechtfertigt habe - angeblich habe sie Seminarteilnehmer oder Referenten gesucht - sei äußerst fragwürdig. Dubios und äußerest bedenklich sei es von Ratz gewesen, eine Schenkung auf den Todesfall im Fall Isele anzuregen. Bei der Strafzumessung seien als erschwerend anzunehmen: die Schadenssumme und das Zusammentreffen von zwei Delikten.

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Bericht von ORF-Redakteur Gernot Hämmerle

Staatsanwalt Pechatschek zum Hauptangeklagten

Zu Jürgen H. sagte Staatsanwalt Pechatschek, er sei der Einzige gewesen, der wirklich geständig war. Wenn er auch seine Verantwortung während des Verfahrens geändert habe, sei das doch nachvollziehbar gewesen. Seine Verwandten, die er schützen wollte, hätten ihn aufgefordert, voll auszusagen. Pechatschek ging zu Beginn seines Plädoyers kurz auf alle Angeklagten ein, neben Ratz auch auf eine Zeugin, eine ehemalige Mitarbeiterin, die glaubhaft belastet habe.

Im Testamentsfälscher-Prozess sind zehn Personen angeklagt, auch fünf Justizbedienstete. Sie sollen zwischen 2001 und 2008 18 Verlassenschaftsverfahren - 16 Testamente und zwei Schenkungsverträge manipuliert haben, um sich und Angehörige zu bereichern. Der Gesamtschaden soll zehn Millionen Euro betragen. 158 Personen meldeten sich als Geschädigte. Vier Angehörige von Jürgen H. wurden im Prozess schuldig gesprochen. Sie hatten gestanden. Zwei Urteile sind rechtskräftig.

Plädoyer von Staatsanwalt Manfred Bolter

20 Verhandlungstage haben an seiner Einschätzung nichts geändert. Das war keine „One-Man-Show“, so Bolter wörtlich. Jürgen H. habe nicht mit Zauberhand agiert. „Er hatte ein Team zu Verfügung, davon bin ich überzeugt“, so Bolter.

Staatsanwalt Bolter verwies auf seine 20-jährige Erfahrung als Untersuchungsrichter. Er protokolliere nur etwas, das der Verdächtige auch so meine. Er würde nie jemanden zu Aussagen stimulieren, so Bolter. Er sei bemüht gewesen, in einer sehr schwierigen Krisensituation, ein gutes Gesprächsklima zu schaffen.

„Jürgen H. war wortkarg“

Staatsanwalt Bolter beschreibt den Hauptangeklagten Jürgen H. als wortkargen Menschen, der wegen Schuldgefühlen mit seinem Leben haderte. „Ich hatte nicht - wie Verteidiger Nicolas Stieger Jürgen H. eingangs plakativ vorwarf - den Eindruck, einen ‚Münchhausen‘ vor mir zu haben“, sagte Bolter über Jürgen H. Einen Beleg für die Zustände am Bezirksgericht Dornbirn - was ausufernde „Hocks“ betreffe - habe der damalige Gerichtspräsident Fliri mit einem entsprechenden Schreiben an das Oberlandesgericht geliefert. Dies sei ein „Kontrollbeweis“ der Gesamtsituation. Bolter verwies auch darauf, dass Anwalt Dieter Klien mit seinem Verdacht eines gefälschten Testaments im Fall Isele, einfach abgewiesen worden sei.

Die anderen Beschuldigten

Um die Mitschuld anderer zu belegen, führte Staatsanwalt Manfred Bolter Folgendes aus: Kurt T. sei äußerst kompetent, intelligent, belesen, wehrhaft - „und da soll Jürgen H. gefälscht haben, ohne dass Kurt T. in seiner Abteilung davon etwas gemerkt haben will?“ Das treffe in abgeschwächter Form auch auf Clemens M. zu. Er sei nicht ahnungslos gewesen. Und ein weiterer Angeklagter, Walter M., habe etwas „Patenhaftes“. Er habe großen Einfluss gehabt. Peter H. habe zwar - so Bolter - ein Geständnis abgelegt, habe aber keine Informationen gegeben. Es werde ihm anzurechnen sein, dass er bei der Schadenswiedergutmachung bereits mitgewirkt habe.

Insgesamt, betont Bolter, habe der Fall der Justiz einen immensen Vertrauensschaden zugefügt. Bei den Hauptangeklagten müsse man ein Signal setzen und die Strafe gegenüber den bisherigen Veurteilten deutlich anheben. Zuletzt kam Bolter auf den Hauptangeklagten zurück. Wenn Jürgen H. dicht gehalten hätte, hätte man den Fall nie so aufklären können. Bolter ersucht dies zu berücksichtigen.

Anwalt Doshi bricht Lanze für Geschädigte

Anwalt Sanjay Doshi vertritt 17 Geschädigte. Er schilderte die Betroffenheit der Geschädigten, beispielsweis im Fall Anna Isele: „Warum hat die Tante Anna damals das Testament so geschrieben?“ fragten sich die Verwandten. Unverständnis habe innerhalb der Familie geherrscht. „Zweimal wurde diese Familie von Frau Richterin Ratz geschädigt - einmal im Fall Isele, einmal im Fall Mutschler“, so Doshi. Da Clemens M. sein Teilgeständnis widerrufen habe, sage das bereits viel aus.

Über Kurt T. sagte Doshi: Der wache Geist des Kurt T. passe nicht zusammen mit seiner Behauptung, dass er über zehn Jahre nichts von Fälschungen bemerkt haben will. Und Walter M. spiele einen lieben Onkel, dabei sei er eher „der Pate“.

Der Prozess wird am Donnerstag mit den Plädoyers der Verteidiger fortgesetzt. Die Urteile werden für 31. Juli erwartet.

Anwalt Doshi listete jede Menge Widersprüche in den Aussagen der angeklagten Richterin, Kornelia Ratz, auf: Etwa habe sie gesagt, Mutter und Tante hätten von Wilhelm Mutschler geerbt, weil sie sich um ihn gekümmert hätten. Zum Zeitpunkt der Testamentserstellung waren Mutter und Tante von Ratz aber ein und zwei Jahre alt und nicht fähig, sich um jemanden zu kümmern. Es gäbe keinen einzigen Grund, warum Jürgen H. Ratz belasten sollte, wenn es nicht so gewesen wäre. 

Privatbeteiligtenvertreterin Andrea Zacherl

"Es geht nicht nur um das Ansehen der Justiz, das geschädigt wurde, es geht auch um Einzelschicksale. Die Staatsanwaltschaften und die Kriminalpolizei haben jahrelang unter privaten Entbehrungen in der Sache ermittelt. Sie würden uns wohl nicht wochenlang in Salzburg „antanzen" lassen, wenn da nichts dahinter wäre. Schließlich wurde ganz akribisch ermittelt“, schloss Zacherl.

Anwalt spricht von Selbstherrlichkeit der Angeklagten

Anwalt Peter Lechenauer hob hervor, dass nur zwei Angeklagte gestanden hätten, die anderen Angeklagten hätten eine Selbstherrlichkeit an den Tag gelegt und keine Einsicht gezeigt. Schamlos hätten sie ihre Amtsstellung ausgenützt. Unvorstellbar sei, in welchem Ausmaß, in welcher Selbstgefälligkeit und Überheblichkeit - „mir kann nichts passieren“ - hier gehandelt worden sei. Bis zum Schluß hielten die Angeklagten an dieser Haltung fest. Das müsse sich in Schuld und Strafe zeigen. Er sagte, er wolle der Staatsanwaltschaft „Rosen streuen“. Die Staatsanwaltschaft hätte nicht davor zurückgeschreckt, in den eigenen Reihen Sauberkeit und Klärung herbei zu führen.

Rückschau auf Mittwochvormittag

Beim Verlesen und Referieren von Aktenbestandteilen ging es am Mittwoch zunächst weniger um Aussagen der angeklagten Personen - vielmehr standen Aussagen von Personen in deren Umfeld am Programm. Verlesen wurden auch Listen von Hausdurchsuchungen.

Verlesungen sieht die Strafprozessordnung so vor - und zwar im Grundsatz der Unmittelbarkeit. Alle Akten müssen unmittelbar vorgetragen werden. Nur so werden sie auch Gegenstand des Verfahrens. Falls Richter Andreas Posch etwas vergessen würde, ist das Verfahren nichtig. Beim kleinsten Fehler könnten Anwälte die zu erwartenden Schuldsprüche mit einer Nichtigkeitsbeschwerde bekämpfen.

„Fehlalarm“ im Gerichtssaal

Eine Art „Höhepunkt“ für die Beobachter war am Mittwoch ein unerwarteter Zwischenfall: Gerichtspräsident Hans Rathgeb eilte um 10.21 Uhr plötzlich in den Gerichtssaal und flüsterte Richter Andreas Posch etwas zu. Dieser gab daraufhin bekannt, dass ein Alarm ausgelöst worden sei. Auf der Richterbank und auf der Bank der Staatsanwälte schaute man sich daraufhin kurz um. Richter Andreas Posch fragte nach, ob es allen gut gehe und setzte dann in Ruhe die Verlesung fort. Jemand war offenbar aus Versehen auf den Alarmtaster geraten, der zur Sicherheit unter den Bänken angebracht ist.

Viele Dokumente in Sporttasche von Jürgen H.

Bei den Verlesungen wurden keinen nennenswerten Details bekannt. Klar wurde einmal mehr, dass der Hauptverdächtige Jürgen H. für das Fälschen verschiedene Dokumente wie Ausweise, Pässe usw. von älteren Menschen gesammelt hatte - Dutzende waren in einer Sporttasche gefunden worden.

Entschädigungszahlung von 440.000 Euro

Für geschädigte Erben gab es am Mittwoch auch eine gute Nachricht: Vor der Fortsetzung des Testamentsfälscher-Prozesses ist ein Vergleich zur Entschädigung von geprellten Erben abgeschlossen worden. Dabei haben sich die geständigen Angeklagten Jürgen und Peter H. zu einer Zahlung von 440.000 Euro verpflichtet.