Bildungsreform: Gegenseitige Vorwürfe

Die Verhandlungen zum Schulautonomiepaket zwischen den Regierungsparteien und den Grünen sind am Dienstag erneut ohne Einigung vertagt worden. Grüne und ÖVP werfen sich jetzt gegenseitig Blockade vor.

Bildungsministerin Sonja Hammerschmid (SPÖ) werde einen erneuten „Präzisierungsvorschlag“ vorlegen. Über diesen werde dann weiter verhandelt, hieß es am Dienstag aus dem Bildungsministerium. Weitere Gespräche sollen in den nächsten Tagen folgen, bestätigte auch Grünen-Bildungssprecher Harald Walser gegenüber dem ORF.

Regierungsvorschlag „nicht verhandelbar“?

Um die Zustimmung der Grünen zum Schulautonomiepaket zu bekommen, hätte die ÖVP nur wenige Worte in ihrem Entwurf ändern müssen, so Walser nach den Verhandlungen am Dienstag. Die Grünen wollen nämlich, dass bei Abstimmungen über eine Modellregion für die Gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen nur die abgegebenen gültigen Stimmen der Lehrer und Eltern gezählt werden. Im Gesetzesvorschlag heißt es aber, dass über 50 Prozent aller Eltern und Lehrer zustimmen müssen - also nicht nur eine Mehrheit jener, die an der Abstimmung teilnehmen.

Die ÖVP habe diesen Vorschlag bei den Gesprächen am Dienstag aber als nicht verhandelbar bezeichnet, sagte Walser. Bei der Vorarlberger ÖVP sorgten Walsers Aussagen für Kopfschütteln: Laut Klubobmann Roland Frühstück bestehe durch das Verhalten der Grünen nun die Gefahr, dass die gesamte Bildungsreform nicht zustande kommt. Das dürfe man nicht riskieren, so Frühstück.

Wallner richtete Appell an Grüne

Die Stimmen der Grünen werden benötigt, um die für die Bildungsreform notwendige Zweidrittelmehrheit im Nationarat zu erreichen. Sie stoßen sich insbesondere an den Bedingungen für die Einführung einer Modellregion für die Gemeinsame Schule der Zehn- bis 14-Jährigen. Am Montag hieß es deswegen, man könne die Bildungsreform in dieser Form nicht unterstützen.

Landtag 2016, Markus Wallner, ÖVP, Landeshauptmann

Dietmar Mathis

Landeshauptmann Markus Wallner nimmt die Grünen in die Pflicht

Landeshauptmann Markus Wallner (ÖVP) richtete daraufhin einen Appel an die Grünen: Man sei den Grünen entgegengekommen, indem man von der nötigen Zweidrittelmehrheit in der Schulbestimmung abgerückt sei. „Also wer jetzt eine Bildungsreform will, der muss zustimmen.“ Für Vorarlberg wäre der Vorschlag der Bundesregierung ein „gangbarer Weg“.

Wallner als „Geburtshelfer“

„Ich appelliere nochmals an die Grünen zu überdenken, ob wir jetzt Detailstreitereien durchführen sollen oder ob man sich nicht bemüht, noch einmal in einem Anlauf eine grundsätzliche Weichenstellung herzubringen“, so Wallner weiter.

Sich selbst bezeichnete der Landeshauptmann als „Geburtshelfer“ des Vorschlags der Bundesregierung. Den konkreten Vorschlag könne man schon kritisieren - jetzt gehe es aber darum, den Blick auf die gesamte Reform nicht zu verlieren. In Richtung des grünen Bildungssprechers Harald Walser sagte er: „Der Herr Walser hat jetzt die Chance, bei der Geburtshilfe dabei zu sein oder eben auch nicht.“ Komme die Zweidrittelmehrheit nicht zustande, kippe die ganze Reform.

„Hundert Prozent müssten zustimmen“

Die Absage der Grünen zum Vorschlag der Bundesregierung war durch Walser in der ZIB24 am Montagabend erfolgt: „Da sind Dinge drin, die eindeutig nicht ausgemacht waren. Und in der jetzigen Form könnten wir nicht zustimmen.“ So, wie das Gesetz formuliert sei, müssten 50 Prozent aller Eltern und Lehrer an einem Standort zustimmen.

Kein „Go“ der Grünen zur Bildungsreform

Wieso die Grünen dem Gesetzesentwurf für das Schulautonomiepaket in der derzeitigen Form nicht zustimmen werden, erklärt Harald Walser, Bildungssprecher der Partei, im ZIB24-Studio.

Das lehnte Walser aber ab: Wenn man als Vergleich die Frankreich-Wahl heranziehe, bei der etwa 50 Prozent der Wahlberechtigten abstimmten, bedeute das, „dass hundert Prozent zustimmen müssten, damit es eine Modellregion gibt - bei einer Wahlbeteiligung von 50 Prozent.“

„Lassen uns nicht austricksen“

Walser sprach in diesem Zusammenhang von einer „Trickserei“ der Bundesregierung, wobei er keinen Hehl daraus machte, dass er insbesondere die ÖVP im Verdacht habe. Zum vorliegenden Entwurf erteilte er jedenfalls eine klare Absage: „Beim Tricksen braucht es immer zwei: Einer der trickst und einer, der sich tricksen lässt. Wir lassen uns nicht austricksen.“

Zwei Varianten vorgeschlagen

Dienstagvormittag präsentierte Walser dann gemeinsam mit Klubobmann Albert Steinhauser zwei weitere Varianten, mit denen man am Mittag in weitere Verhandlungen mit SPÖ und ÖVP gehen wolle. Der erste Vorschlag sei 1:1 jener Kompromissvorschlag, den die ÖVP vor zwei Wochen vorgelegt habe und auf den man sich ursprünglich verständigt hatte.

Harald Walser

APA/HELMUT FOHRINGER

Harald Walser bei der Pressekonferenz am Dienstag

Er sieht vor, dass die gewählten Vertreter der Schulgemeinschaften an den betroffenen Schulstandorten abstimmen: in den höheren Schulen in den Schulgemeinschaftsausschüssen, in den Pflichtschulen in den Schulforen. Eine einfache Mehrheit würde genügen, um einen Schulversuch zu starten. Der zweite Vorschlag sieht landesweite Abstimmungen aller Eltern und Lehrer vor - von der Volksschule über die Mittelschule bis hin zu den Unterstufen der höheren Schulen.

„Schritt in richtige Richtung“

Am Montag hatte es danach ausgesehen, als ob es nach wochenlangen Diskussionen doch noch zu einer Einigung in der Bildungsreform kommen könnte. Laut einem von der SPÖ und der ÖVP vorgelegten Kompromissvorschlag sollten bundesweit maximal 15 Prozent aller Schulen einer Schulart das Gesamtschulmodell ausprobieren. Eine Modellregion darf demnach nicht mehr als 5.000 AHS-Unterstufenschüler umfassen.

Das würde eine Modellregion in Vorarlberg mit derzeit rund 4.000 AHS-Unterstufenschüler ermöglichen. Allerdings müssten an den jeweiligen Standorten mindestens 50 Prozent der Lehrer und Eltern zustimmen. Landeshauptmann Wallner hatte den Vorschlag begrüßt und als „Schritt in die richtige Richtung“ bezeichnet.

Skepsis bei Interessenvertretern

Die Interessenvertreter in Vorarlberg gaben sich hingegen zurückhaltend: Der Landesverband der Elternvereine befürwortete die Idee einer Modellregion zwar, befürchtete aber auch ein Scheitern, sollten zu viele Standorte die Zustimmung verweigern.

Die ÖAAB-Lehrerinnen und -Lehrer sahen an den Standorten der Gymnasialunterstufe keine einhellige Unterstützung für die Pläne, und auch der Zentralausschuss der Vorarlberger Pflichtschullehrer ging nicht von einer Mehrheit aus.