Spiele, Smartphone: Ist mein Kind onlinesüchtig?

Hilfe mein Kind ist onlinesüchtig - viele Eltern haben Angst, dass ihr Kind zu viel Zeit vor dem Tablet oder dem Smartphone verbringt. Doch wie sollen Eltern reagieren? Tipps hat der Sucht-Experte Kurosch Yazdi in einem vorarlberg.ORF.at-Interview gegeben.

Vortrag zum Thema „Onlinesüchtig“

Die SUPRO - Werkstatt für Suchtprophylaxe - hat in Zusammenarbeit mit dem Bildungshaus Batschuns den Sucht-Experten Kurosch Yazdi nach Rankweil eingeladen. 250 interessierte Eltern, Jugendliche und Pädagogen verfolgten den Vortrag.

vorarlberg.ORF.at: Gibt man bei Wikipedia „Onlinesucht“ ein, erhält man als Antwort: „Mit Onlinesucht wird das Phänomen bezeichnet, das Internet übermäßig, das heißt gesundheitsgefährdend, zu nutzen“. Eine sehr weitläufige Definition - wie drückt sich eine Onlinesucht aus?

Yazdi: Es gibt Jugendliche, die bis zu 40 Stunden online am Computer spielen. Sie verlassen ihr Zimmer nicht mehr, essen kaum und gehen nicht einmal mehr auf die Tolilette, sie verwenden Limo-Flaschen, um ihre Notdurft zu verrichten. Oder es gibt auch Menschen, die rund um die Uhr twittern, sie stellen sich sogar den Wecker, damit sie auch in der Nacht nichts verpassen. Solche Menschen sind ganz klar süchtig. Das sind aber Extrembeispiele. Generell liegt eine Suchtgefahr vor, wenn sich das Kind für nichts anderes mehr interessiert als für die eine Sache. Wenn alles andere wie Freunde, Familie oder Schule total unwichtig werden.

Suchtexperte Kurosch Yazdi

ORF

Primar Dr. Kurosch Yazdi hielt am Dienstag einen Vortrag zu diesem Thema in Rankweil.

vorarlberg.ORF.at: Werden Kinder schneller onlinesüchtig als Erwachsene?

Yazdi: Darauf gibt es eine klare Antwort: Kinder werden viel schneller süchtig als Erwachsene. Kinder werden nach allen „Dingen“ schneller süchtig. Geben sie einem Kind Heroin, wird es schneller süchtig, geben sie dem Kind Alkohol wird es schneller süchtig. Dasselbe gilt auch für die Internetsucht. Der Grund ist: Bei Kindern ist das Belohnungssystem im Gehirn deutlich aktiver als die Teile des Gehirns, die für die Steuerung des vernünftigen Verhaltens zuständig sind.

vorarlberg.ORF.at: Gibt es Unterschiede zwischen Mädchen und Buben - was die Onlinesucht betrifft?

Yazdi: Ja, es sind deutliche Tendenzen zu erkennen. Wir machen die Erfahrung, dass vor allem Facebook, Twitter oder WhatsApp junge Frauen im Alter zwischen 15 und 25 Jahren faszinieren und auch süchtig machen. Männer in diesem Alter tendieren mehr in Richtung Online-Rollenspiele wie zum Beispiel World of Worcraft oder LoL (League of Legends).

Internetsucht - was tun dagegen?

Der Linzer Buchautor und Primar Kurosh Yazdi hat im Vinomnasaal in Rankweil einen Vortrag zur Onlinsucht gehalten und Tipps im Umgang mit Onlinesuchtgefährdeten gegeben.

vorarlberg.ORF.at: In ihrem Vortrag sagen Sie, besonders bedenklich sind Strategiespiele - warum?

Yazdi: Der Grund ist: Eltern glauben, dass diese Spiele die „guten“ Spiele sind, dass ihre Kinder dabei etwas lernen können. Das ist Quatsch: Kinder werden durch solche Spiele nicht gescheiter, im besten Fall werden sie nicht blöder. Wir Menschen sind Rudeltiere und lernen am besten von anderen Menschen. Stichwort Sozialkompetenz: Ein Dreijähriger lernt ganz klar mehr auf dem Spielplatz als vor dem Tablet.

vorarlberg.ORF.at: Ego-Shooter-Spiele sind in Verruf gekommen, besonders gefährlich zu sein. Was halten Sie von diesen Spielen?

Prim. Dr. Kurosch Yazdi

Kurosch Yazdi ist Facharzt für Psychiatrie und psychotherapeutische Medizin, Leiter der Klinik für Psychiatrie mit Schwerpunkt Suchtmedizin in Linz und Autor des Buches „Junkies wie wir“. Sein neues Buch widmet er dem Thema Cannabis.

Yazdi: Generell machen wir die Erfahrung in unserer Ambulanz für Verhaltenssüchte in Linz, dass Ego-Shooter-Spiele nicht so das Problem sind, sehr wenige werden süchtig. Kleine Kinder sollten solche Gewaltspiele natürlich nicht spielen. Jugendliche, die psychisch gesund entwickelt sind und nicht zu viel Zeit damit verbringen, dürften keinen Schaden davon nehmen.

vorarlberg.ORF.at: Auf was müssen Eltern achten, damit ihr Kind nicht onlinesüchtig wird?

Yazdi: Ein Kind wird nicht onlinesüchtig solange es vielfältig bleibt. Das heißt, das Internet sollte nur ein Teil seines Lebens ausmachen. Daneben muss es auch Zeit für andere Dinge geben, wie zum Beispiel „echte“ Freunde treffen oder Sport machen. Dann ist es auch egal, wenn an einem verregneten Sonntag mal zehn Stunden online gespielt wird. Eine Hilfe bei der Auswahl der Spiele sind die Altersangaben. Wichtig ist auch, dass sich die Eltern dafür interessieren, was ihr Kind macht. Um Kinder vom Smartphone oder vom Computer wegzubekommen, braucht es alternative Angebote. Am besten ist, mit ihm Zeit zu verbringen und nicht einfach nur zu sagen, „Schalt den blöden Computer aus“.

Angela Ganthaler; vorarlberg.ORF.at