Vorarlberg gehen die Gerichtspsychiater aus

In Vorarlberg gibt es immer weniger psychiatrische Gutachter. Dem Landesgericht und den sechs Bezirksgerichten stehen nur noch sechs Sachverständige zur Verfügung - der jüngste ist 61. Nachwuchs gibt es keinen, und das aus handfesten Gründen.

Den Vorarlberger Gerichten gehen tatsächlich die psychiatrischen Gutachter aus, erklärt Sachverständigenreferent Reinhard Haller: Gerichtspsychiater seien Auslaufmodelle, es komme ein großer Mangel aufs Land zu. Einige von Hallers Kollegen gehen sogar noch einen Schritt weiter und attestieren, dass es in vier Jahren überhaupt keine Gerichtspsychiater mehr geben wird. Haller fasst die Grüne zusammen: Mit „der Gutachterei“ könne man kein Geschäft machen, sie sei schwierig und finde unter enormem Druck statt - Gutachter würden immer wieder verklagt. Damit sei es eine Tätigkeit mit extrem hoher Verantwortung, die schlecht entlohnt werde und einen ganz schlechten Leumund habe.

„Schlechter Lohn, schlechter Leumund“

Laut eigenen Angaben erstellen die letzten sechs Gerichtspsychiater pro Jahr 620 Expertisen im Auftrag der Vorarlberger Justiz - je nach Arzt zwischen 70 und 160. Für ein normales Gutachten, das zwei bis vier Stunden dauert, erhalten sie pauschal 116 Euro netto, für eine komplexe Expertise, die Dutzende Stunden dauern kann, gibt es 195 Euro. Zum Vergleich: Psychologen können ihren normalen Stundensatz verrechnen und erhalten pro Gutachten oft über 1.000 Euro.

Zudem klagen die psychiatrischen Gutachter über eine „zunehmende Unverschämtheit von Anwälten“ und über das Risiko: Wird ein Amtsarzt verklagt, haftet das Land, ein vom Gericht bestellter Psychiater hingegen haftet selbst.

Appell ans Justizministerium

Aus diesen Gründen gebe es keinen Nachwuchs. Ändern könne die Situation nur das Justizministerium, dafür bräuchte es aber eine entsprechende Lobby - doch eine solche haben die Psychiater laut Haller nicht einmal in der Ärztekammer. Sie seien eine kleine Gruppe und führten in der Kammer ein Außenseiterdasein, im Gegensatz zu Internisten, Chirurgen oder Orthopäden.

Die Folge: Immer weniger Psychiater machen immer mehr Gutachten, die Gerichte greifen immer öfter auf Sachverständige in anderen Ländern zurück, und: die Verfahren dauern immer länger.