Missstände in Betreuungseinrichtungen

Ein Prüfbericht der Landesvolksanwaltschaft zeigt Missstände in Vorarlberger Pflegeheimen und Betreuungseinrichtungen für Menschen mit Behinderungen auf. Fraglich ist auch, wer Verbesserungsmaßnahmen überprüfen soll.

Der Prüfbericht zum Nachlesen:

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Um Integrität, Würde und Gleichbehandlung von Pflegebedürftigen und Menschen mit Behinderungen sicherzustellen, werden Betreuungs- und Pflegeeinrichtungen in Vorarlberg auch von einer Kommission der Landesvolksanwaltschaft geprüft. Im Kern geht es darum, Risikofaktoren für Menschenrechtsverletzungen frühzeitig zu erkennen und abzustellen.

Elf Einrichtungen überprüft

Zu diesem Zweck stattet eine interdisziplinär besetzte Expertenkommission den Betreuungsstellen im Land unangemeldete Kontrollbesuche ab. Der jüngste Bericht, für den die Kommission von Mai 2013 bis Dezember 2015 elf Einrichtungen geprüft hat, zeigt zum Teil eklatante Missstände auf.

Wenngleich auch festgehalten wird, dass die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Vorarlberger Betreuungs- und Pflegestätten generell ein „außerordentliches Engagement an den Tag legen“ und trotz vieler Herausforderungen im Alltag ihre Arbeit mit großer Wertschätzung verrichteten. Insgesamt sei die Betreuung Betreuungsbedürftiger und behinderter Menschen in Vorarlberg auf einem hohen Qualitätsstand.

Zahl der Pflegekräfte unter Mindestschlüssel

Im Detail ist das aber nicht überall so. Im Endbericht, den die Landesvolksanwaltschaft noch vor der Sommerpause der Landesregierung vorgelegt hat, heißt es: In so gut wie allen untersuchten Einrichtungen lag die Zahl der Pflegekräfte unter dem gesetzlichen Mindestschlüssel – geduldet vom Land als Aufsichtsbehörde.

Fast überall wurden medizinische Pflegemaßnahmen wie Medikamentenverabreichung und Schmerzpumpenbedienung von nicht ausgebildetem Personal durchgeführt. Der Umgang mit Gewaltvorfällen wurde unzureichend dokumentiert. Oft fehlten Konzepte und Angebote, um besonders junge behinderte Menschen in die Gemeinschaft zu integrieren und so soziale Vereinsamung zu verhindern.

Privatsphäre missachtet

Auch die Privatsphäre der zu Betreuenden wurde in mehreren Fällen missachtet. So wurden intime Daten wie etwa der Menstruationszyklus für jeden sichtbar an den Zimmertüren ausgehängt. Körper- und Intimpflege wurden – ebenfalls für jeden sichtbar - bei offener Türe vorgenommen.

In Einzelfällen war bei Dunkelheit aus ökonomischen Gründen nur die Hälfte der notwendigen Leuchten eingeschaltet. Es kam zu Medikamenten-Überdosierung, es wurden abgelaufene Arzneien verabreicht.

Sexueller Übergriff: Keine Anzeige

Auch gab es in einem Seniorenheim einen sexuellen Übergriff durch einen ehrenamtlichen Helfer – dazu stellt der Bericht weiters fest: Es gab „weder eine Anzeige noch eine Unterstützung für das Opfer noch eine Information der Angehörigen“, weil die Heimleitung den Standpunkt vertrat, dass ja „niemand geschädigt“ worden sei und „der Übergriff letztlich keine Auswirkungen gehabt habe“. Die Zusammenarbeit mit dem betreffenden Mitarbeiter wurde jedoch umgehend nach Bekanntwerden der Vorwürfe beendet.

Wer nimmt Nachprüfungen vor?

Laut Landesvolksanwaltschaft seien den Einrichtungen gleich nach den Prüfungen, also bereits in den Jahren 2014 und 2015, Verbesserungsvorschläge unterbreitet worden. Die meisten Heimleitungen hätten auch zugesagt, diese umzusetzen. Ob das aber tatsächlich passiert ist, sei unklar.

Der Grund: Volksanwaltschaft und Land Vorarlberg sind sich noch immer uneins, wer entsprechende Nachprüfungen mit welchem Geld durchführen soll. Und weitere Maßnahmen, die die Expertenkommission zur Verbesserung der Situation dem Land vorgeschlagen hat, seien trotz bereits im vergangenen Mai gemachter Zusage der verantwortlichen Stellen bis heute nicht umgesetzt worden.

Andreas Feiertag, ORF Vorarlberg