Zu Besuch in katholischen Flüchtlingsherbergen

In Vorarlberg haben katholische Einrichtungen einen wichtigen Beitrag zur Unterbringung von Flüchtlingen geleistet: Ergänzend zu den Maßnahmen der Caritas haben einige Ordensgemeinschaften Flüchtlinge aufgenommen. Eine Reportage.

Das ehemalige Sanatorium der Zisterzienserabtei Mehrerau in Bregenz wurde zur Flüchtlingsunterkunft umfunktioniert. Bei einem Gang durchs Haus stoßen wir auf einen Asylwerber aus Afghanistan: „Österreich sehr gut“, sagt er. Und: „Ich lerne Deutsch in Feldkirch.“ Mehrmals pro Woche sei er dort, um seine Kenntnisse zu verbessern. „Gut, oder?“ fragt er zum Abschluss rhetorisch.

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Beitrag von ORF-Redakteur Johannes Schmidle

Tagesstruktur wichtig

Kurse wie diese Deutschkurse sind für die Tagesstruktur von besonderer Bedeutung, bestätigt Stefan Arlanch von der Stabsstelle der Caritas Flüchtlings- und Migrantenhilfe. Es gebe zentral organisierte Freizeitangebote. Es sei wichtig, für die Flüchtlinge eine Tagesstruktur zu schaffen, ihnen eine Beschäftigung, Aufgabe oder eben: Lernmöglichkeit zu geben.

Aber auch eine Tätigkeit im Rahmen der Nachbarschaftshilfe erfüllt diesen Zweck. Es gelte zu verhindern, dass die Flüchtlinge ihr Zeitgefühl verlieren und deprimiert in den Tag hineinleben, so Arlanch. Im Sanatorium Mehrerau leben 60 Bewohner aus Syrien, Afghanistan, Pakistan, dem Irak und dem Jemen. Schon bei der Zimmerzuteilung gilt es, Kriterien nach Herkunft, Sprache und Religion zu beachten.

Konflikte mit Küchenregeln vermeiden

Im Kellergeschoss des Sanatoriums wird gerade Tischfußball gespielt, als wir eintreten. Auch ein kleines Fitnesscenter mit Hanteln gibt es. Die Küche ist völlig „blank“: Kein Geschirr liegt herum. Im Sanatorium hat nämlich jeder Bewohner seine Essensutensilien auf dem Zimmer, sagt Arlanch. Jeder kocht in der Küche und wäscht sein Geschirr selbst ab. So sollen Konflikte vermieden und ein guter Hygienestandard eingehalten werden.

Wir treffen auf einen Mann aus Aleppo (Syrien), der gerade dabei ist, sich sein Abendessen zuzubereiten. Fleisch und Tomaten macht er sich, zweimal täglich kocht er: Abendessen und Frühstück. Die Brückensprache im Sanatorium ist Englisch.

Flüchtling entdeckt Übersetzungsfehler

Das Erlernen der deutschen Sprache ist immens wichtig, wie ein Beispiel aus dem Flüchtlingsheim Batschuns in der Gemeinde Zwischenwasser (Bezirk Feldkirch) zeigt: Ein afghanischer Asylwerber hat einen Übersetzungsfehler in seinem Asylbescheid entdeckt, erzählt seine Patin, die Frohbotin Erna Reichweger. Nachdem er zunächst einen negativen Bescheid erhalten habe, sei er eines Tages zu ihr gekommen und habe gesagt: „Da haben sie nicht richtig übersetzt!“

Er sei in seinem Heimatland sehr wohl bedroht worden, stellte der Mann richtig. Ein Arzt bestätigte seine Aussagen: Am Kopf fand sich tatsächlich eine Wunde. Der Afghane erhielt daraufhin einen positiven Asylbescheid und darf jetzt in Österreich bleiben.

Frohbotinnen nahmen Flüchtlinge auf

In Batschuns hat das Werk der Frohbotschaft sein Mutterhaus vor drei Jahren für Flüchtlinge zur Verfügung gestellt. Kurz nach der Eröffnung gab es einen fremdenfeindlichen Brandanschlag auf das Haus - mehr dazu in Anschlag in Anschlag in Batschuns: Verdächtige ausgeforscht.

Ein Schock, wie sich Frohbotin Reichweger erinnert. Sehr schnell habe sich dann aber eine Solidaritätsgruppe mit 300 Personen via E-Mail und Telefon organisiert: „Das hat den Flüchtlingen gut getan.“ Da hätten sie gespürt, dass Vorarlberg hinter ihnen stehe. Laut Brigitte Knünz, Leiterin des Werks der Frohbotschaft, seien derzeit 28 Flüchtlinge in Batschuns untergebracht, die meisten davon seien alleinstehende Männer. Mittlerweile befänden sich aber auch fünf Frauen in dem Haus.

Die Entscheidung, Flüchtlinge bei sich aufzunehmen, sei ihnen leicht gefallen, erzählt Knünz. Man habe sich ohnehin überlegt, was man mit dem „zu großen Haus“ machen wolle. Als dann bekannt wurde, dass Vorarlberg die Flüchtlingsquote nicht erfüllen werde, habe man schnell gewusst, was zu tun sei. „Unser Sendungsauftrag ist es, den Armen die Frohbotschaft zu bringen“, so Knünz - und die Flüchtlinge gehörten eben zu den Ärmsten in der Gesellschaft.

„Zum Teil sehr tiefe Wunden“

Eine Talschaft weiter haben die Benediktiner der Propstei St. Gerold ihre Pforten für Flüchtlinge geöffnet. Pater Christoph Müller hat sein Pfarrhaus einer vierköpfigen syrischen Familie überlassen und ist in eine Wohnung übersiedelt. Müller spricht sich gegen die überzogene Erwartung aus, dass Flüchtlinge sofort nach der Ankunft „normal“, im Sinne von angepasst, sein müssten. „Sie haben alle zum Teil sehr tiefe Wunden.“ Trotzdem seien die meisten von ihnen „normal“. Man müsse eben viel Geduld haben und doch sagen, „was gilt“.

Der Benediktiner spricht auch von der Kombination von Herz und Verstand im Umgang mit den Flüchtlingen. „Die Lösung ist auf jeden Fall an Ort und Stelle.“ Er sei davon überzeugt, dass die meisten zurückgehen würden, wenn sie könnten. Das Problem sei aber, dass es in den Konfliktregionen viele Ethnien, Interessensverbände und Religionen gebe. Das sei „ganz, ganz schwierig“.

„Keiner will Familie und Freunde verlassen“

Zaker Soltani ist ein junger Afghane. Er musste mit 15 Jahren fliehen und besucht derzeit das Gymnasium in Feldkirch. Der Jugendliche ist ein bildnerisches Multitalent. Er wirbt um Verständnis für die Flüchtlinge: „Ich weiß, wieso ich geflüchtet bin. Es gibt keinen Mensch, der unbedingt seine Familie und seine Freunde verlassen möchte.“ Sie seien, wie er, aus Angst vor dem Islamischen Staat bzw. den Taliban geflohen.