Zehn Jahre nach dem Jahrhundert-Hochwasser
Am Nachmittag des 22. August kommt es in Vorarlberg aufgrund des Dauerregens zu den ersten Schäden. Betroffen ist zunächst fast nur das Rheintal: In Hohenems tritt der Emsbach über die Ufer und setzt den Schlossplatz unter Wasser, in Dornbirn verlegt eine Mure die Straße ins Ebnit. In der Nacht auf den 23. August werden im Kleinwalsertal unzählige Murenabgänge und Bachüberflutungen verzeichnet, in der Gemeinde Riezlern wird der Strom gekappt.
APA/Dietmar Stiplovsek
Wenige Informationen dringen durch: Gegen 1.30 Uhr sind die Telefonleitungen der Telekom beschädigt worden, Vorarlberg ist vom Rest Österreichs abgeschnitten, Kommunikationswege im Land sind in Mitleidenschaft gezogen worden. Die Schwere der Lage wird im Laufe des Vormittags klar. Viele Ortschaft sind schwer erreichbar oder bis zu eineinhalb Meter überflutet, das Kleinwalsertal und der hintere Bregenzerwald sind vom Rest des Landes abgeschnitten, die Trinkwasserversorgung vielerorts nicht gewährleistet.
Verkehrsverbindungen unterbrochen
Auch viele Verkehrsverbindungen sind unterbrochen: In Ludesch entgleist ein Güterzug mit ungefährlicher Ladung. Die ÖBB muss tagsüber den Zugverkehr einstellen, weil die Stromverbindungen gekappt sind. Erst am Abend werden die ersten Regionalzüge fahren. Die Rheintalautobahn und wichtige Landesstraßen sind unterbrochen, weil sie entweder unterspült wurden oder ganze Brücken fehlen: Sie wurden von den Wassermassen mitgerissen.
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Die Meldungen zeichnen ein immer dramatischeres Bild. In Reuthe kommt es in einem Wohnhaus zu einer Gasexplosion, nachdem das Wasser die Türe eingedrückt hat, sechs Verletzte können sich noch auf das Dach des Gebäudes retten. In Mellau wird ein Haus in kürzester Zeit dem Erdboden gleichgemacht. Die Straße nach nach Gargellen wird weggerissen. Während die Regenfälle weitergehen, kann gegen 11.30 Uhr zumindest das Telefonnetz wieder den Betrieb aufnehmen.
Besserung erst am Nachmittag
Landeshauptmann Herbert Sausgruber (ÖVP) beschreibt die Situation in einer ersten Stellungnahme als „wesentlich dramatischer als 1999“ - damals hatte ein Hochwasser zu Schäden in noch nie dagewesener Höhe geführt. Nach der zweiten Sitzung des Krisenstabs der Landesregierung meldet sich Sausgruber wieder zu Wort: Das Kleinwalsertal, sieben Gemeinden im Bregenzerwald, drei im Arlberggebiet und Gargellen sind zu diesem Zeitpunkt immer noch vom Rest des Landes abgeschnitten.
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Klar ist: Die Landesmittel werden nicht ausreichen, um die Herausforderung zu bewältigen. Sausgruber ruft die anderen Landeshauptleute deswegen zur Großzügigkeit auf. Am Nachmittag lassen die Regenfälle schließlich nach.
Zwei Tote
Am Ende des Tages sind neun, teils schwer verletzte Personen zu beklagen, zwei Personen werden vermisst. Sie werden später nur mehr tot geborgen. Insgesamt sind am ersten Tag rund 3.300 Feuerwehrleute im Einsatz, 90 Prozent aller Wehren sind ausgerückt. 400 Personen mussten evakuiert werden. Mehrere Helikopter, darunter auch zwei des Innenministeriums, führten Erkundungsflüge durch.
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Am 24. August sagt Landeshauptmann Sausbgruber, die Lage habe sich entspannt. Hunderte Angehörige des Bundesheers helfen bei den Aufräumarbeiten, darunter auch viele aus anderen Teilen Österreichs. Fünf Tage später wird ein Schienenersatzverkehr zwischen Tirol und Vorarlberg eingerichtet, erst am 3. Dezember wird der reguläre Zugebetrieb zwischen den beiden Bundesländern wieder aufgenommen.
„Vorarlberg heute“-Serie: Zehn Jahre danach
Heute, zehn Jahre nach der Katastrophe, sind die Spuren des Hochwassers immer noch zu sehen. „Vorarlberg heute“ begibt sich ab dem 21. August auf die Suche nach den Opfern des Hochwassers und zeichnet ihr Schicksal nach.
Den Auftakt macht die Gemeinde Göfis. Hier mussten in der Nacht vom 22. auf den 23. August 2005 insgesamt 50 Personen evakuiert werden. Der Ortsteil Schildried wurde nach dem Hochwasser abgesiedelt, im unmittelbaren Gefahrenbereich wurden 14 Häuser abgebrochen. Die Verhandlungen mit den betroffenen Familien gestalteten sich nicht einfach.
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ORF-Redakteurin Martina Köberle hat im Vorarlberg heute-Archiv nach Bildern von damals gesucht und ist mit den ehemaligen Bewohnerinnen Erika Varga und Elisabeth Simon noch einmal nach Schildried gegangen.