Testamentsaffäre: Erster Tag der zweiten Prozessrunde

In Salzburg hat die zweite Runde im Testamentsfälscherprozess begonnen. Der Oberste Gerichtshof (OGH) hatte im Oktober 2013 zehn Fakten des erstinstanzlichen Urteils wegen Feststellungsmängeln aufgehoben. Deshalb müssen sich fünf Angeklagte erneut vor Gericht verantworten.

Die Schuldsprüche, die der OGH gegen die fünf Angeklagten zum Teil und im Fall von Richterin Kornelia Ratz (50) zur Gänze aufhob, betreffen das Delikt „Missbrauch der Amtsgewalt“. Im zweiten Rechtsgang wird nun der neu zusammengesetzte Schöffensenat unter dem Vorsitz von Richterin Christina Rott prüfen, ob nicht ein anderes Delikt - beispielsweise schwerer Betrug - für die angeklagten Taten infrage kommt.

In dem wiederaufgerollten Prozess sind fünf Personen angeklagt: Der geständige Hauptbeschuldigte Jürgen H. (50), ehemals Geschäftsstellenleiter des Bezirksgerichts Dornbirn; die nicht geständige Ratz; zwei Gerichtskollegen des Hauptbeschuldigten, Kurt T. (51) und Walter M. (75), sowie Peter H. (50), der im Tatzeitraum ein Freund von Jürgen H. war. Der Hauptbeschuldigte ist laut seinem Verteidiger Klaus Grubhofer weiterhin gesundheitlich angeschlagen, er werde aber am Prozess teilnehmen.

Ankläger sind die Staatsanwälte Manfred Bolter (STA Feldkirch) und Andreas Pechatschek (STA Steyr). Rund 40 Privatbeteiligte haben sich dem Strafverfahren angeschlossen. Das Gericht hat 22 Zeugen geladen. Möglicherweise wird der Prozess bereits Mitte oder Ende Juli abgeschlossen.

Anklage teilweise etwas abgeändert

Pechatschek, der für die Anklage von Ratz zuständig ist, blieb bei seiner Anklage aus der ersten Prozessrunde. Er sagte, es sei zwar nicht erfreulich, wenn ein zweiter Rechtsdurchgang notwendig wird, aber er habe andererseits noch nie ein in seinen Aussagen so deutliches Urteil gelesen wie jenes des OGH vom Herbst. Der OGH habe im Herbst keinen Freispruch über Richterin Ratz gefällt, obwohl er das tun hätte können.

Ein wenig abgeändert wurde hingegen mittlerweile die Anklageschrift des Feldkircher Staatsanwaltes Bolter. Bolter verwies in seinem Eröffnungsvortrag aber darauf, dass die Höchstrichter in Wien zwölf der 18 angeklagten Komplexe rechtskräftig entschieden. Die Vorwürfe wurden also im Grundsatz bestätigt. Das sagte auch der einzige anwesende Opfervertreter: Seit zwei Jahren und spätestens seit der Entscheidung in Wien sei klar: Es habe ein Fälschersystem gegeben, keine „One-Man-Show“, und der Hauptangeklagte sei kein Lügner.

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Attest zu Gesundheitszustand von Ratz

Richterin Rott verwies auf neu eingegangene Schriftsätze. Demnach brachte der Anwalt von Ratz, Bertram Grass, vor wenigen Tagen noch ein ärztliches Attest über den Gesundheitszustand von Ratz ein. Über den Inhalt ist noch nichts bekannt.

Ratz selbst äußerte sich auch noch nicht, aber ihr Anwalt Bertram Grass ergriff für sie das Wort. Er sagte noch einmal, Ratz habe mit der „Fälscherwerkstatt am Bezirksgericht Dornbirn“, wie er es nannte, nichts zu tun. Sie habe auch nicht dort angerufen, um ein gefälschtes Testament zu bestellen. Grass verwies darauf, dass der OGH das Urteil gegen Ratz zur Gänze aufhob, und er wies insofern auch die Aussage von Staatsanwalt Pechatschek zurück, der Zweifel anmeldete, dass der OGH damit den Weg für einen Freispruch geebnet habe.

Grass: Jürgen H. „begnadeter Fälscher“

Außerdem versuchte Grass einmal mehr darzustellen, dass Ratz das Opfer einer Medienhetze geworden sei. Er sprach von einer unerträglichen medialen Belastung, vor allem weil in den Medien dargestellt worden sei, dass es für die Richterin jetzt auch noch viel schlimmer kommen könnte als in Verfahren Nummer eins. Schließlich nannte er den Hauptangeklagten einmal mehr einen begnadeten Fälscher mit einer besonderen geistigen Kreativität, bei dem es aber viele Widersprüche in seinen Aussagen gegeben habe.

Vorwürfe im Überblick

Kurt T., ehemaliger Leiter der Abteilung Außerstreitsachen am Bezirksgericht Dornbirn, soll gemeinsam mit Jürgen H. in Verlassenschaftsverfahren, in denen keine engen Verwandten der Erblasser bekannt waren, gefälschte Testamente fabriziert und damit die rechtmäßigen Erben um ihre Ansprüche gebracht haben.

Die Erben in den getürkten Dokumenten soll oftmals Peter H. aufgetrieben haben. Unter anderem soll er seinen Onkel als „Scheinerben“ nominiert haben, wobei die falschen Testamente im Urkundenarchiv des Bezirksgerichtes Dornbirn hinterlegt wurden und im weiteren Verlauf dem ahnungslosen Notar zugespielt wurden, der dann die Verlassenschaften abwickelte. Über die nichts ahnenden „Strohmänner“ soll das Vermögen am Ende bei den Justizbediensteten gelandet sein.

Der ehemalige Grundbuch-Rechtspfleger Walter M. war im Tatzeitraum bereits pensioniert, gilt aber als „Ideengeber“ des Justiz-Skandals. Richterin Ratz wiederum soll dafür gesorgt haben, dass mittels eines gefälschten Testaments in einer Verlassenschaft nach einem entfernten Verwandten ihre Mutter und ihre Tante als Erben zum Zug kamen, was sie vehement bestritt.

Stieger: „Viele Ungereimtheiten“ im ersten Rechtsgang

Ins selbe Horn stießen die Verteidiger der beiden angeklagten ehemaligen Gerichtskollegen des Hauptbeschuldigten. Nicolas Stieger, Verteidiger des zweitangeklagte Kurt T., betonte, er habe von den Misständen keine Kenntnisse erlangt. „Er kann keine Ruhe geben, er hat von der ganzen Sache nichts gewusst. Er ist unschuldig 22 Tage im Gefängnis gesessen. Jürgen H. hat die 18 Punkte zu verantworten, nicht mein Mandant.“ Kurt T. sei immer von einer One-Man-Show des Jürgen H. ausgegangen, H. habe die Manipulationen mithilfe seines Freundes und seiner Familienmitglieder begangen.

Stieger ortete zudem „viele Ungereimtheiten“, die im ersten Rechtsgang aufgetaucht seien. Der Verteidiger des viertangeklagten Walter M., Rechtsanwalt German Bertsch, hielt mit seinem Unmut ebenfalls nicht hinter dem Berg: „Jürgen H. hat sich hinter einer Krankheit versteckt, als er einer Lüge überführt wurde. Wir sind leider im ersten Rechtsgang auf taube Ohren gestoßen. Die Kuh ist hin, wir versuchen noch, das Kalb zu retten.“

Hauptangeklagter sagte nicht aus

Der Hauptangeklagte, der ehemalige Geschäftsstellenleiter des Bezirksgerichts Dornbirn, Jürgen H., hatte beim Verfahren vor zwei Jahren unter Verweis auf seine gesundheitlichen Schwierigkeiten nicht mehr mündlich ausgesagt. Bisher ist dieser Umstand unverändert. Sein Anwalt Klaus Grubhofer sagte, sein Mandant leide immer noch sehr darunter, dass er andere – nämliche seine ehemaligen Kollegen - belasten musste. Außerdem habe sein Mandant, der ja seine Haft bereits angetreten hatte, sehr unter den Bedingungen im Strafvollzug gelitten. Er habe dort Unvorstellbares erlebt, sagte Grubhofer. Daher werde der Hauptangeklagte auch diesmal nicht mehr mündlich aussagen, sondern er verweist auf die Aussagen, die bei der Polizei schriftlich protokolliert wurden.

Riesiger Aktenberg

Vor dem Richtertisch war am Montag wieder ein zusätzlicher Tisch für den gesamten Gerichtsakt aufgestellt: rund 30.000 Seiten in Dutzenden Ordnern und Aktenbänden. Im Verhandlungssaal hatten sich neben den Akteuren rund 15 Medienvertreter eingefunden, das Besucherinteresse war allerdings gering, nur ein Drittel der Plätze war belegt.

In dem ersten Verfahren wurde den zehn Beschuldigten vorgeworfen, sie hätten im Zeitraum von 2001 bis 2008 am Bezirksgericht Dornbirn und „anderen Orten“ vorwiegend Testamente gefälscht, um die Vermögenswerte an sich selbst umzuleiten und danach aufzuteilen. Dadurch sollen sie erbberechtigte Personen beziehungsweise Eigentümer an ihren Vermögensrechten sowie den Staat an seinen Rechten verletzt haben.

Laut Staatsanwaltschaft manipulierten die Beschuldigten in insgesamt 18 Verlassenschaftsverfahren 16 Testamente und zwei Schenkungsverträge. Mehr als 80 Erben wurden geprellt. Der inkriminierte Gesamtschaden betrug zehn Millionen Euro. Einige der Beschuldigten waren als Gerichtsbedienstete tätig.

Der Vertreter der Privatbeteiligten, Opferanwalt Sanjay Doshi, wies am Montag zudem darauf hin, dass sich der Wert jener Erbschaft, die den Verwandten von Ratz zugefallen ist, um gut 200.000 Euro erhöht habe. Insofern habe sich auch die Schadenssumme für die Opfer erhöht, so Doshi.

Battlogg

ORF / Michael Hufnagl

Elmar Battlogg

Battlogg trug Justiz zu Grabe

Das öffentliche Interesse am Prozess nutzte im Vorfeld der Vorarlberger Elmar Battlogg zu einer kleinen Kundgebung. Er trug in Frack gekleidet, mit Zylinder am Kopf und mit weißen Handschuhen „die unabhängige Justiz zu Grabe“, wie er der APA sagte. Die Vorarlberger Justiz habe in einem Medizinskandal die Beweise unterdrückt, die Testamentsfälschungsaffäre sei als die Spitze des Eisberges sichtbar geworden.

Battlogg, der nach einer Operation in Frühpension ist, hat neben Ärzten und leitenden Angestellten der Krankenhausbetriebsgesellschaft auch einen Staatsanwalt angezeigt. Der Vorwurf: Er habe sich schützend vor die Spitalslobby gestellt - mehr dazu in Schmerzpatient zeigt Staatsanwalt an.

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