Bankdirektor erschossen: Fahndung geht weiter

Nach der Bluttat am Montag in Balzers im Fürstentum Liechtenstein ermittelt die Polizei weiter auf Hochtouren. Der verdächtige Jürgen Hermann soll in einer Tiefgarage einen Bankdirektor erschossen haben. Von ihm fehlt derzeit jede Spur, ein Suizid wird nicht ausgeschlossen.

Der ehemalige Fondsmanager Hermann soll Montagfrüh den 48-jährigen Jürgen Frick, Direktor der Bank Frick, mit drei Schüssen aus einer Faustfeuerwaffe erschossen haben. Nachdem das Fluchtauto und persönliche Utensilien des Tatverdächtigen gefunden wurden, geht die Polizei auch von einem Suizid des Tatverdächtigen aus - die Suchhunde hätten die Spur am Rheinufer verloren, so der Polizeichef der liechtensteinischen Landespolizei, Jules S. Hoch.

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Video: Beitrag von ORF-Redakteurin Tarja Prüss; zu sehen sind Jules Hoch (Chef Landespolizei Liechtenstein) und Martin Frommelt (Chefredakteur von Radio Liechtenstein)

Noch am Montagabend suchten Taucher im Rhein nach dem Tatverdächtigen, die Suche im Wasser wurde aber nach zwei Stunden erfolglos abgebrochen. Die Fahndung wurde am Dienstag fortgesetzt, so Tina Enz, Pressesprecherin der Liechtensteiner Polizei. Erneut kamen Suchhunde und Taucher beim Rheinufer in Ruggell zum Einsatz. Der Suchflug eines Helikopters mit einer Wärmebildkamera blieb ohne Erfolg.

Unterstützung durch Vorarlberger Polizei

Die Vorarlberger Polizei habe den Liechtensteiner Kollegen im grenznahen Bereich bei der Suche nach dem flüchtigen Täter geholfen, bestätigte die Sprecherin der Vorarlberger Exekutive, Susanne Dilp. „Eine Alarmfahndung ist aber nie ausgegeben worden“, so Dilp. Im Vierländereck sei es Usus, die Kollegen aus den benachbarten Staaten bei Raubüberfällen und Morden bei der Fahndung zu unterstützen.

Geständnis im Reisepass abgelegt

Kurz nachdem das Fluchtauto Montagmittag in Ruggell gefunden worden war, fand die Polizei auch die Kleidung sowie die Reisedokumente des Tatverdächtigen. In seinem Reisepass habe Hermann ein Geständnis abgelegt und sich in handschriftlichen Notizen verabschiedet. Zudem habe die Spur, der die Polizeihunde vom Auto des Verdächtigen aus folgten, an der Stelle geendet, wo ein Kanal in den Rhein münde, berichtete Andreas Schädler, Chef der liechtensteinischen Landespolizei.

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Videobeitrag von Karin Stecher. Sie sehen Stephan Gstöhl, den Pressesprecher der Liechtensteiner Polizei, und Michael Benvenuti, leitender Redakteur des „Liechtensteiner Volksblattes“.

Angst vor weiteren Bluttaten

Auch wenn von einem Suizid ausgegangen wird, haben viele Liechtensteiner Angst, dass er doch noch lebt. Wie Polizeichef Hoch gegenüber dem ORF Vorarlberg bestätigte, fürchten wichtige Persönlichkeiten aus Politik und Justiz Angst um ihre Sicherheit. Hermann habe immer wieder Hassmails verschickt, die in letzter Zeit radikaler geworden seien. Die Polizei sei mit allen potenziell gefährdeten Menschen in Kontakt und habe individuell zugeschnittene Sicherheitskonzepte ausgearbeitet.

Die Mitarbeiter der Bank Frick hätten am Dienstag auf dem Weg in die Bank Begleitschutz bekommen. Sie und auch Angehörige des getöteten Bankdirektors, der seine Frau und drei Kinder hinterlässt, werden vom Kriseninterventionsteam betreut. Laut Edi Wögerer, COO-Direktor der Bank Frick, herrscht unter den Mitarbeitern der Bank Fassungslosigkeit.

Bankensprecher spricht von „Stellvertretermord“

Sigvard Wohlwend, Pressesprecher der Bank Frick, sprach gegenüber dem ORF Vorarlberg von einer „absolut sinnlosen und erschütternden Tat“. Die Stimmung sei extrem gedrückt. Es handle sich um einen „Stellvertretermord“, so Wohlwend. Der Hass von Hermann gegenüber Personen und Institutionen aus den Bereichen Politik, Finanzmarktaufsicht und Justiz habe sich über Jahre hinweg hochgeschaukelt. „Hermann wollte einfach ein Opfer“, so Wohlwend - es hätte seiner Ansicht nach genauso den Landtagspräsidenten, den Regierungschef oder einen Richter treffen können. Jürgen Frick habe das Pech gehabt, Opfer dieser sinnlosen Tat zu sein.

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Audio: Sigvard Wohlwend, Pressesprecher der Bank Frick, über die Tat von Jürgen Hermann

Geldinstitut spricht von Erpressung

Die Bank teilte außerdem mit, Hermann habe jahrelang versucht, die Bank zu erpressen. Bei den liechtensteinischen Behörden seien deshalb Anzeigen gemacht und Verfahren eingeleitet worden. Nach Darstellung des Geldhauses wollte Hermann die Bank Frick zu finanziellen Zugeständnissen zwingen. Der Mann habe gedroht, die Bank bei ausländischen Institutionen, Behörden und Gericht mit haltlosen Unterstellungen anzuschwärzen.

Die Bank erklärte außerdem, dass gegen den mutmaßlichen Todesschützen Anzeigen und Verfahren wegen Drohung, Nötigung und schwerer Erpressung bei den liechtensteinischen Behörden anhängig gewesen seien.

„Robin Hood von Liechtenstein“

Hermann führte seinerseits seit Jahren einen Kampf gegen Banken und das politische Establishment in Liechtenstein. Der 58-Jährige macht Banken und den liechtensteinischen Staat für seinen Ruin als Fondsmanager verantwortlich. Das Fürstentum klagte er vor ein paar Jahren auf 200 Mio. Franken Schadenersatz - angeblich deshalb, weil die Finanzmarktaufsicht seine Gesellschaft und ihre Fonds unter Beobachtung stellte. Sich selbst sah Hermann als „Robin Hood von Liechtenstein“ und „Staatsfeind Nummer eins“. Erst am Freitag hatte er Mails verschickt, in denen er den Kleinstaat als „Fürstendumm Scheissenstein“ bezeichnete.

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Der mutmaßliche Täter

Rätselhafte Homepage-Aktualisierung

Hermann soll auf seiner Flucht offenbar seine Homepage aktualisiert haben. „Catch me if you can, dead or alive, reward 200'000'000 CHF“, hieß es dort. Unterschrieben ist mit „Sheriff von Nottingham“. Dieser Sheriff war der Gegenspieler von Robin Hood. Was es mit diesen Änderungen auf sich habe, sei Gegenstand der Ermittlungen, heißt es von der Liechtensteiner Polizei.

Die europaweite Fahndung nach Hermann bleibt aufrecht. Er ist bewaffnet und gilt als gefährlich. Hermann ist etwa 1,82 Meter groß, sportlich,ist Brillenträger und hat eine Vollglatze. Personen, die Hinweise zum Tatverdächtigen geben können, werden gebeten, sich bei der Landespolizei unter der Telefonnummer +423/ 236 71 11 zu melden.