Chef-Drogenfahnder wegen Kokain verhaftet

Der Leiter der Allgäuer Drogenfahndung steht unter schwerem Verdacht. In seinem Polizeispind wurde mehr als ein Kilo Kokain entdeckt. Der hochrangige Polizist wurde in Untersuchungshaft genommen und vom Dienst suspendiert.

Die Affäre um das Rauschgiftkommissariat Kempten (D) kam letztes Wochenende ins Rollen. Es begann mit einem Ehekrach. Die Frau des 52-jährigen Drogenfahnders wandte sich an die Polizei. Offenbar war der Streit völlig aus dem Ruder gelaufen. An der Wohnungstür läuteten zwei Streifenpolizisten. Der rabiate Ehemann war für sie kein Unbekannter, schreibt der „Südkurier“: „Der 52-Jährige ist Leiter des Rauschgiftkommissariats Kempten. Ein Polizist ganz oben in der Hierarchie, Erster Kriminalhauptkommissar.“

Ermittlungen führen zu Polizeispind

Bei der Vernehmung der Frau ergab sich der Verdacht von Straftaten des Beamten zum Nachteil seiner Ehefrau, so die Polizei. Im Rahmen der weiteren Ermittlungen wurde beim Polizeibeamten Rauschgift gefunden. Nach Informationen des „Südkurier“ wurde das Rauschgift im Spind des Kommissars auf der Dienststelle entdeckt. Es soll sich um eineinhalb Kilo Kokain im Schwarzmarktwert einer Viertelmillion Euro handeln.

Wie der Polizist in den Besitz des Rauschgifts kam und ob er mit den Drogen gehandelt hat, ist nun Gegenstand von Ermittlungen. Eigengebrauch gilt bei einer derartigen Menge als unwahrscheinlich.

Der Fund im Präsidium steht laut „Augsburger Allgemeinen“ in krassem Missverhältnis zu einschlägigen Fahndungserfolgen der Polizei in der Region. Im vergangenen September hätten mehr als 100 Beamte bei einer großangelegten Razzia 33 Wohnungen durchsucht - und dabei nur 15 Gramm Kokain und 15 Gramm Marihuana gefunden. Zu den Aufgaben des Festgenommenen habe die Vernichtung konfiszierter Drogen gehört.

Untersuchungshaft und Supsendierung

Aufgrund der im Raum stehenden Straftaten wurde über den 52-jährigen Beamten auf Antrag der Staatsanwaltschaft Kempten am Sonntag Untersuchungshaft verhängt. Das Polizeipräsidium Schwaben Süd/West suspendierte den Kriminalbeamten umgehend vom Dienst. Die Ermittlungen des Bayerischen Landeskriminalamts dauern an.

Der Polizeipräsident Hans-Jürgen Memel sagte der „Augsburger Allgemeinen“, er halte den Fall für „den gravierendsten seit meinem Dienstbeginn in Kempten vor fast 20 Jahren“. Die Kollegen im Präsidium Schwaben Süd/West sind dem Bericht zufolge überzeugt, dass es sich um einen Einzeltäter handelt.

„Südkurier“ spricht von „Mafia-Hochburg“

Nach Recherchen des „Südkurier“ gilt Kempten seit Jahren als Hochburg der italienischen Mafia. Demnach soll die kalabrische „Ndrangheta“ Fuß gefasst haben und angeblich den Drogenhandel im Allgäu kontrollieren. Der Südkurier zitiert einen Kenner der Szene: „Von Haschisch über synthetische Sachen bis zu Heroin - im Allgäu ist alles zu kriegen. Gradezu überflutet wird Kempten vom Kokain.“

Der Kampf gegen Drogen lief offenbar seit Jahren mitunter ins Leere. Unerschrockene Ermittler wären von der Verfolgung abgezogen worden. In Polizeikreisen hege man in diesen Tagen folgenden Verdacht: Ermittler wären auf das Abstellgleis geschoben worden, weil sie „einem Verräter in den eigenen Reihen bald auf die Schliche gekommen wären“.

Polizisten in Nachbarstädten beobachteten in der Vergangenheit angeblich noch weitere Seltsamkeiten. Die Drogenfahndung in Kempten habe sich abgeschottet, heißt es. Von Kooperationen habe man in Kempten nicht viel gehalten. „Pfuscht uns nicht drein“, soll die Antwort gewesen sein, „wir haben in Kempten alles im Griff“.