Pressestimmen: Lehren für den Bund

Vorarlberg ist zwar das zweitkleinste Bundesland, aber aus der Landtagswahl sollten die Bundesparteien ihre Lehren ziehen, befinden heimische Zeitungen. Die Kommentatoren sprechen von ÖVP- Schwächeanfall, NEOS-Luftikus, SPÖ-Kapitulation und der Suche der Wähler nach Sachkompetenz

„Standard“: Kein Grund zur Schadensfreude

Dabei habe „kein Konkurrent Grund zur Schadenfreude“, so Conrad Seidl im „Standard“. Das „Glück im Unglück“ des neuen ÖVP-Chefs Reinhold Mitterlehner sei noch, dass „keiner Zeit und Lust hat, jetzt über den neuerlichen Schwächeanfall der ÖVP zu spotten“. Weder die SPÖ, die in Vorarlberg „nur noch der zweite Zwerg von links ist“, noch die Blauen, wo sich gezeigt habe, dass es „kein Naturgesetz ist, dass die FPÖ bei jeder Wahl zulegen muss“. Und auch nicht die NEOS, die „unter den selbst gesteckten Zielen“ geblieben seien.

„Kleine Zeitung“: Luftikus und verblassender Stern

Michael Jungwirth sieht in der „Kleinen Zeitung“ NEOS-Chef Matthias Strolz nach seinem Start als „politischer Hoffnungsträger, der das rot-schwarze Machtkartell erschlagen wollte“ als „politischen Luftikus“ gelandet. Für Mitterlehner hat er die Botschaft: „Er muss in den nächsten Monaten die in ihn gesetzten Erwartungen erfüllen, will er nicht wie Josef Pröll enden, dessen Stern innerhalb von drei Jahren völlig verblasst ist.“ FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache sieht Jungwirth vor der „bitteren Erkenntnis“: „Auch bei den Blauen wachen die Bäume nicht in den Himmel - trotz des dramatischen Anstiegs bei den Asylwerbern.“

„Presse“: Kein Poltern gegen Wien

Oliver Pink ortet in der „Presse“ den Grund für die nur 6,86 Prozent der NEOS darin, dass „die NEOS - auf höherem Niveau - ein ähnliches Problem wie einst die aufstrebende FPÖ (haben): Es fehlt an ernst zu nehmendem Personal. Und Matthias Strolz ist kein Jörg Haider, um das zu übertünchen.“ Dass die ÖVP eine Schlappe erlitt, könnte Mitterlehner das Leben etwas leichter machen, meint Pink, denn „Allzu laut in Richtung Wien poltern wird man Markus Wallner in nächster Zeit aber wohl nicht hören.“

„Kurier“: Kompetenz gesucht

„Wähler suchen nicht ideologische Angebote, sondern hohe Kompetenz. Im Ländle war das gut für die Grünen“, befindet Helmut Brandstetter im „Kurier“ - und formuliert für SPÖ und ÖVP mit Blick auf die Flüchtlings-Unterbringung die Warnung: „Wer Probleme anderen zuschiebt, anstatt sie zu lösen, wird abgewählt. Mit Grund.“ In Vorarlberg hätten darunter auch die NEOS gelitten, die „nicht ausreichend darlegen konnten, was sie besser machen würden“, während man den Grünen die Lösung von Verkehrsproblemen oder Bildungsinitiativen zutraue.

„Kronen Zeitung“: Lehren für alle

Claus Pandi in der „Kronen Zeitung“ sieht ähnliche „Lehren für alle“ - eine „könnte sein, dass die Grünen auch in Vorarlberg mit moderner Sachpolitik punkten konnten. Bildung, Bio, Energiewende und Familienpolitik interessiert die Menschen mehr als die immer gleichen (und oft dummen) Floskeln“. So habe es, auch wenn der Niedergang der SPÖ in Vorarlberg „schon fast wie ein Naturgesetz“ wirke, in Bregenz „schon einmal einen sozialdemokratischen Bürgermeister (gegeben), der 18 Jahre an der Macht war - und das als trockener Sachpolitiker“.

„Oberösterreichische Nachrichten“: SPÖ-Kapitulation

Für Markus Staudinger (Oberösterreichische Nachrichten) ist eine der „Lehren aus dem Ländle: Die schwarze Notoperation Mitterlehner statt Spindelegger hat die Blutung in der ÖVP vorerst nicht gestoppt - allenfalls eingedämmt.“ Für die NEOS habe sich gezeigt: „Ein Bundes-Chef als One-Man-Show reicht eben nicht, wenn die regionale Spitzenkandidatin nicht überzeugt.“ Und „die Kanzlerpartei SPÖ“ hat „in Österreichs Westen offenbar kapituliert“.

„Salzburger Nachrichten“: Umgekehrter Zwergenraub

In den „Salzburger Nachrichten“ meint Alexander Purger, die politischen Zwerge hatten dem Landes-Riesen ÖVP die absolute Mehrheit abgejagt, das sei ein „umgekehrter Zwergenraub“, bei dem die Veranwortlichen bekannt seien. Zuallererst Landeshauptmann Wallner, der nicht in die Fußstapfen seiner Vorgänger treten konnte. Diese hatten mit dem biederen Charme und der Vertrauenswürdigkeit von Oberbuchhaltern für ÖVP-Absolute am laufenden Band gesorgt. Daran konnte Wallner, der in den großen Fragen der Politik unsicher wirkt, nicht anschliessen.

„Tiroler Tageszeitung“: Judensager hängt Egger nach

Und in der „Tiroler Tageszeitung“ meint Gabriele Starck, die ÖVP habe nur wenig Wahlmöglichkeiten. Das altbekannte Regierungsmuster Schwarz-blau nach fünf Jahren wieder aufzuwärmen, würde von wenig Erneuerungs- und Aufbruchswillen zeugen. FPÖ-Chef Egger hänge noch immer der Judensager von 2009 nach. So gesehen ist der wahrscheinlichere, aber für die ÖVP keinesfalls einfachere Weg die Verlängerung der schwarz-grünen Achse nach Vorarlberg.